PLATON - Gesammelte Werke. Platon

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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Inneren auf das genaueste verbunden, und letzteres selbst würde ohne jenes nicht in seinem vollen Lichte erscheinen. Denn schon deshalb muß der Gedanke, als ob die Darstellung des Sophisten bloßes Nebenwerk sein möchte, als richtig verworfen werden, weil auf dieselbe Weise wie nach dem Sophisten auch nach dem Staatsmann und Philosophen gefragt, und dadurch der Grund zu einer großen Trilogie gelegt wird, die zwar, wie es scheint, Platon nicht vollständig ausgeführt hat, deren Absicht aber doch offenbar muß gewesen sein, die Darstellung des Wesens dieser Künste, und die Schilderung der Handlungsweise ihrer Meister in einem desto lebendigeren Ganzen zu vollenden. Und dieses Verhältnis kann dem aufmerksamen Leser auch in unserem Gespräch schon gar nicht entgehn, daß nämlich mit der Möglichkeit des Falschen zugleich auch die Neigung dazu und das Leben darin fern von dem wahren Erkennen und Sein soll dargestellt werden. Ja wie der »Sophist« nur, indem sein Ort bestimmt gefunden wird, zugleich erst völlig erscheint, so wird auch wiederum das Auffinden seines Ortes erleichtert, und das trübe und dunkle des Scheins und der Meinung verständlich gemacht, indem man von dem bekannten Geschäft ausgeht, welches er betreibt und nur dort betreiben kann. Wodurch denn auch hier in dem Mittelpunkt des zweiten Teils der Platonischen Werke sich das bestätigt, was wir bei dem Anfang desselben über die eigentümliche Form der hieher gehörigen Schriften gesagt haben. Je genauer man nun dies Verhältnis betrachtet, um desto mehr muß man inne werden, daß hier nichts ist, was als bloße Schale wegzuwerfen wäre, sondern daß das ganze Gespräch einer köstlichen Frucht gleicht, von welcher ein rechter Kenner auch die äußere Umgebung gern mit genießt, weil sie, mit dem Ganzen in eins gewachsen, nicht abgesondert werden könnte, ohne dem reinen und eigentümlichen Geschmack desselben zu schaden.

      Dieses vorausgesetzt dürfen wir dann auch die übrigen Beziehungen nicht übersehen, an welchen dieser äußere Teil des Gespräches ausnehmend reich ist. Denn wem sich nicht zu vieles verbirgt, unter der Decke der geringfügigen Dinge, deren Kenntnis hier zur Schau getragen wird, der sieht den Platon teils frühere vielleicht angefochtene Zusammenstellungen verteidigend, und zeigend, wie nahe das kleinste dem größten von einer bestimmten Seite verwandt sein kann; dann wieder fast mutwillig Worte bildend, um zu erweisen, wie notwendig dies wird, sobald das systematische Verfahren sich Gegenstände aneignet, denen es bisher noch fremd gewesen, und um zugleich eine vornehme Gleichgültigkeit gegen die Bezeichnung bemerklich zu machen; ferner das reinigende Sokratische Verfahren verherrlichend und dessen eigentlichen pädagogischen Ort aufzeigend; bespöttelnd endlich die anmaßende Weise der Rhetoren und Politiker, welche das verschiedenste zu vermengen, und als lohnte es nicht solche Kleinigkeiten zu unterscheiden, auch den wahren Philosophen mit dem Sophisten unter Eine Benennung zu bringen pflegten, weshalb eben unter die Erklärungen des Sophisten Platon jene ganz abweichende, das Verfahren des Philosophen beschreibende einmischt, bei welcher der Fremde immer zweifelhaft bleibt, ob er sie auch als eine Erklärung des Sophisten soll gelten lassen, und dagegen die nahe Verwandtschaft des Sophisten mit dem Volksführer wiederholt aufstellt.

      Sehen wir auf den inneren an sich mehr philosophischen Teil des Gespräches allein: so zeigen sich seine Verhältnisse denen des Ganzen auffallend ähnlich. Denn mit der Frage, ob es Falsches geben könne in Reden und Vorstellung, hebt er an, rein aufgelöset in die ob Nichtseiendes irgendwie sei, und ihm etwas beigelegt, oder das Nichtsein von etwas könne ausgesagt werden. Was nur hiegegen damals vorgebracht zu werden pflegte, und auch uns schon aus den Berücksichtigungen desselben im »Theaitetos«, »Euthydemos« und »Kratylos« bekannt ist, wird hier, auf allen Seiten verstärkt und befestiget, abermals aufgestellt; und sobald dann aus der Notwendigkeit das Nichtseiende irgendwie anzunehmen gezeigt ist, daß und als was Schein und Irrtum müßte angenommen werden, ist auch dieser Teil zu Ende, und das Gespräch geht wieder in die Untersuchung vom Sophisten. Demnach scheint auch für diesen Teil dasjenige womit er anfängt und endiget, nämlich die Frage über das Nichtseiende und den Irrtum für den eigentlichen Inhalt gelten zu müssen; und was dagegen zwischen diese Untersuchung eingeschoben in der Mitte liegt, das muß scheinen, teils nur Mittel zu sein um jenen Zweck leichter zu erreichen, teils eine nicht ungern ergriffene Abschweifung. Wer müßte aber nicht, wenn er auf den Gehalt sieht, gerade hierin den edelsten und köstlichsten Kern des Ganzen um so gewisser erkennen, als sich hier fast zuerst in den Schriften des Platon das innerste Heiligtum der Philosophie rein philosophisch aufschließt, und als überhaupt das Sein besser und herrlicher ist als das Nichtsein. Denn in dem Lauf der Untersuchung über das Nichtseiende entsteht, gerade wie sie selbst als ein höheres in der über den Sophisten entstanden war, die Frage über die Gemeinschaft der Begriffe, von welcher alles wirkliche Denken und alles Leben der Wissenschaft abhängt; und es eröffnet sich auf das bestimmteste die Anschauung von dem Leben des Seienden und von dem notwendigen Eins- und Ineinandersein des Seins und des Erkennens. Größeres aber gibt es nirgends auf dem Gebiete der Philosophie, und keinen der Ansicht und Behandlungsweise des Platon angemesseneren eigentümlichen Weg Schüler und Leser dorthin zu geleiten, als eben den hier eingeschlagenen. Der Leser merke nur darauf, wie sich dieser innerste, dem Umfang nach gar nicht bedeutende Kern des Ganzen, recht wie die Natur zu bilden pflegt, in zwei äußerlich ganz von einander abgesonderte aber ganz mit einander gewachsene und organisch aufs genaueste vereinigte Hälften gestaltet. Zuerst nämlich wird aus der Unmöglichkeit, daß diejenigen das Sein könnten ergriffen haben, welche von einer leeren Einheit ausgehn, oder auch die, welche innerhalb des Gebietes der Gegensätze stehen bleiben, auf das wahre Leben des Seienden, in welchem sich alle Gegensätze durchdringen, hingewiesen, und zugleich darauf, daß Erkenntnis weder ohne Ruhe noch ohne Bewegung, weder ohne Stehendes noch ohne Fließendes, weder ohne Beharren noch ohne Werden bestehen könne, sondern beider in einander bedürfe. Und Niemand lasse sich irre leiten durch die scheinbare skeptische Verwunderung über dieses geforderte Durchdringen der Gegensätze, indem ja diese das letzte ist, worin die indirekte Darstellung, auf deren höchster Höhe wir uns hier befinden, endigen muß. Von diesem höchsten Sein aus wird dann wieder, als ob etwas ganz Neues anginge, und ohne die Verbindung nur aufzuzeigen, in das Gebiet der Gegensätze herabgestiegen, welche hier durch den einen großen von Bewegung und Ruhe repräsentiert werden, und es wird gezeigt, wie erst in der Einerleiheit und Verschiedenheit gemeinschaftlich des Seienden Gemeinschaft mit den Gegensätzen gegründet ist, und wie auf diesem Gebiete der Verschiedenheit das Seiende sich notwendig und auf mannigfaltige Weise auch als Nichtseiendes offenbart, so daß es für das höchste Sein selbst gar kein entgegengesetztes irgend geben kann, derjenige aber, der nicht zu dem Lichte des wahren Seins hindurchgedrungen ist, es überall nicht weiter zu bringen vermag als bis zu diesem Nichtsein des wahren Erkennens und Nichterkennen des wahren Seins. Daß also hier in der Tat das Wesen aller wahren Philosophie ausgesprochen ist, bedarf für den, welcher dessen überhaupt empfänglich ist, keiner weiteren Erörterung. Nur merke auch Jeder auf die Art, wie diese Aufschlüsse herbeigeführt werden, daß nämlich Platon von dem Orte ausgeht, wo sich ein Jeder notwendig befindet, von dem Gebiete der Vorstellung, welches ja zugleich das der Gegensätze ist, zeigend daß auf diesem über das Seiende etwas festzusetzen ganz dieselben Schwierigkeiten hat wie über das Nichtseiende, und daß Jeder, der nur etwas vorstellen und reden wolle, sich erst den Besitztitel erwerben müsse vermöge dessen er dies auch dürfe; wozu dann der Blick in jenes höhere Gebiet der Spekulation Allen die hineinzudringen vermögen als die einzige Hülfe eröffnet wird gegen die sonst nicht abzuweisenden Ansprüche der sophistischen Streitsucht. Und eben weil in unserem Gespräche zuerst von diesem Punkt aus bis zu jenem höchsten, unmittelbar ohne etwas mythisches zu Hülfe zu nehmen, oder sonst den Gang der reinsten Dialektik zu verlassen, vorgedrungen wird, deshalb kann man mit Recht den »Sophisten« als den innersten Kern aller indirekten Darstellungen des Platon ansehn, und gewissermaßen als das erste in seiner Art vollständige Bild des Mannes selbst.

      Letzteres auch deshalb, weil, wie Platon selbst gleichsam aus dem Zusammenschauen und Durchdringen aller früheren hellenischen Bestrebungen auf dem Gebiete der Philosophie erwachsen ist, so auch der innerste realste Gehalt unseres Gespräches aus einer Prüfung der Grundsätze alles früheren Philosophierens hervorgeht, über welche wir soviel als nötig und möglich ist hier erinnern wollen; denn leider scheint nicht alles was aufzuhellen nötig und wünschenswert wäre auch möglich zu sein. Zuerst wird jener vornehmlich zu widerlegende Satz, daß das Nichtseiende auf keine Weise sein könne, auf den Parmenides als auf seine vorzüglichste und gehaltvollste Quelle zurückgeführt, und aus seinen eignen Gedichten belegt, und demnächst wird ihm auch in Absicht auf das Sein gezeigt, daß es


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