PLATON - Gesammelte Werke. Platon

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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auf alle Weise, auch als ein Ganzes also und als ein Werdendes, sein könne. Es ist auf jeden Fall bedeutend, daß diese Widerlegung des Parmenides einem Eleaten in den Mund gelegt wird; und man könnte leicht auf den Gedanken kommen, Platon wollte was er sagt nur als eine richtigere Auslegung des von vielen mißverstandenen Parmenides geltend machen, wenn nicht die Äußerungen des Fremdlings selbst etwas dagegen zu streiten schienen, der überdies nicht als ein strenger Schüler der eleatischen Weisheit aufgestellt wird, sondern als dialogische Person höchst merkwürdiger Weise gleichsam den Übergang macht von dem Parmenides selbst zu dem Pythagoreer Timaios. Gewiß ist also hier der hauptsächlichste Sitz der Differenz zwischen der Platonischen Philosophie und der eleatischen, wenn wir auch keinesweges mit dem Simplicius, der sonst zerstreut viel lehrreiches über unser Gespräch sagt, behaupten möchten, Platon habe in dem Dialog Parmenides das Seiende Eins von dem Manne angenommen, in dem Sophisten aber ihm durchaus widersprochen. Nur Schade, daß wir leider nicht genug vom Parmenides übrig haben, um uns Platons Urteil über den Mann vollständig abzubilden, geschweige um es zu würdigen, vornehmlich deshalb, weil Platon sich nirgends über des Parmenides Philosophie von der sinnlichen Welt bestimmt erklärt, wenn wir auch wirklich befugt sein sollten manches über diesen Gegenstand, wobei der eleatische Weise nicht genannt wird, dennoch auf ihn zu beziehen. Was sollen wir nämlich sagen von jenen zuletzt genannten Freunden des Ideellen, welche sich ein Werden setzen außerhalb des Seins und getrennt von ihm, und den Menschen als mit beiden Gemeinschaft habend? Nicht zu verwundern wäre es, wenn Mancher auf den Gedanken käme, Platon meinte hier sich selbst und seine eigne Lehre; und daß er auch diese wieder in den schlimmen Gegensatz verwickle, in welchem das Seiende nicht kann gefunden werden, dies sei nur wiederum die Spitze seines indirekten Vortrages. Allein wenn nun der Gegensatz in dieser Lehre sollte aufgehoben werden, so müßte auch das Auseinandersein des Seins und Werdens aufgehoben werden, und so wäre Platon von einer offenbar falschen Darstellung seiner eigenen Lehre ausgegangen. Und daß auch hier etwas gemeint ist, was er wirklich widerlegen will, muß doch jeder Kenner aus dem ganzen Tone der Rede merken, aus diesem Riesenstreit und diesem Verteidigen aus dem Unsichtbaren herab. Auch ist leicht zu sehn, daß er eine ganz bekannte Lehre vor sich hat. Nun setzte Parmenides ein solches Werden und eine Welt des Scheins getrennt von dem Sein ihm entgegen, und auch daß mit der einen der Mensch durch die Wahrnehmung, mit der andern durch die Vernunft Gemeinschaft habe, auch das ist parmenideisch genug. Soll nun eine Vermutung gewagt werden, warum doch hiebei Parmenides gar nicht genannt, sondern dies von der Beurteilung seiner Lehre ganz getrennt ist: so möchte man sagen, Platon habe hiebei weniger den Parmenides selbst im Sinne gehabt, als Andere, gegen welche er auch sonst ohne sie zu nennen streitet, nämlich die ursprünglichen und ersten Megariker. So wie diese in vielen Stücken, was die Alten öfters bezeugen, sich dem Platon annäherten, unter dessen Einfluß und Mitwirkung sich ihre Schule zuerst gebildet hatte: so fehlt es auch, wenn man der kritischen Kombination soviel einräumen will als auf diesem Gebiete doch wohl notwendig ist, nicht an Spuren, daß sie sich, auch außerhalb des Gebietes der eigentlichen Dialektik, vieles aus dem eleatischen System aneigneten, worunter ich denn auch diese Stelle rechnen möchte, wenn nicht Jemand eine andere Auslegung besser begründen kann. Als Gegner der materialistischen Empiriker, des Demokritos und Aristippos, denn auch letzteren hat Platon hier gewiß im Sinn, konnten diese ganz vorzüglich angesehen werden. Nicht minder schwierig kann auch die Erklärung des vorhergehenden scheinen, wen nämlich Platon unter denen gemeint, welche das Seiende als eine Vielheit, und namentlich als zweierlei oder dreierlei ansehn; weil nämlich so viele einen gleichen Anspruch darauf haben, und doch wieder, wenn man es genau nehmen will, nichts gänzlich genügt. Anfänglich weiß man vielleicht gar nicht, worauf die Rede mag zu beziehen sein; sobald man aber bedenkt, daß Platon dasjenige, was Aristoteles nennt drei Prinzipien aufstellen, in der Sprache unseres Dialogs nicht anders bezeichnen konnte, als das Sein als ein dreifaches annehmen: so strömen die Beziehungen in Menge zu. Am wenigsten möchte aber wohl das Ansehn und der Ton der ganzen Stelle erlauben, an etwas gelehrteres nur von Einzelnen weniger Bekannten vorgetragenes zu denken. Und eben so wenig wohl an die Pythagoreer, wiewohl man von ihnen sonst recht füglich sagen könnte, ihr Sein sei ein dreifaches, das bestimmte, das unbestimmte und das leere; aber es kommt in dem ganzen Gespräch sonst nirgends eine Rücksicht auf diese Schule vor, und darum ist nicht wahrscheinlich, daß sie an dieser Einen Stelle sollte gemeint sein. Sondern wie auch Aristoteles im Anfang seiner physischen Bücher von allen denen welche einen Grundstoff annehmen und zwei entgegengesetzte Funktionen sagt, daß sie drei Prinzipien aufstellen: so hat auch Platon hier wohl vorzüglich die alten Ionischen Philosophen im Sinne gehabt. Dies scheint sich auch dadurch noch zu bestätigen, daß er diejenigen die ein dreifaches, von denen die nur ein zweifaches Seiendes annehmen, auch nur sehr leicht und obenhin unterscheidet. Denn gerade bei den Ionikern am leichtesten läßt sich eine so schwankende Beschreibung denken, je nachdem der Grundstoff als rein und auch außer jener Funktion gegeben, oder mehr selbst unter den Funktionen befangen gedacht ward, wie dies die Vorstellung des Anaximandros scheint gewesen zu sein. Nur das Streiten des dreifachen unter einander würde nach allem was wir wissen wohl allein auf den eben genannten gehn können. Sollte aber auch diese Ansicht vielleicht noch manchem Zweifel unterworfen scheinen, so sind wir dagegen desto sicherer in Absicht der späteren Ionischen und Sikelischen Musen, daß damit Herakleitos und Empedokles gemeint sind. Hierüber haben wir nicht nur das ausdrückliche Zeugnis des Simplicius, sondern auch aus der Vergleichung unserer Stellen sowohl mit dem was wir sonst von den beiden Männern wissen, als auch mit der Art wie sich Platon selbst anderwärts über sie äußert, genugsam hervor. Eben so unläugbar sind, was auch Tennemann schon gesehen hat, die Beziehungen auf den Antisthenes, wo von denen die Rede ist, welche keine Gemeinschaft und Verknüpfung der Begriffe zugeben, sondern jedes nur für sich nehmen wollen, oder welche die Behauptung aufstellen, ein falscher Satz rede überall von nichts. Wer diese Polemik mit uns schon durch mehrere Gespräche verfolgt hat, dem fällt sie auch hier gewiß von selbst in die Augen.

      Ein innigeres Verhältnis des »Sophisten« zu dem »Parmenides« auf der einen und dem »Timaios« auf der andern Seite ist nicht nur äußerlich durch das leidentlichere Verhalten des Sokrates in diesen drei Gesprächen bezeichnet, sondern auch einem Jeden durch die nähere Verwandtschaft des Inhaltes, wenn man sie auch vorläufig nur negativ ansehn wollte, für sich deutlich. Daher ist es natürlich daß wir die Frage aufwerfen, ob nicht aus ihnen selbst schon, wenn man sie nebeneinanderstellt, erkannt werden könne welches unter ihnen das späteste und welches das früheste sei? Über den »Timaios« nun kann kein Zweifel entstehen, daß er nicht das späteste unter diesen drei Werken wäre; zwischen dem »Sophisten« und dem »Parmenides« aber hat man allerdings geschwankt, und letzteren, wie wir auch dort in der Einleitung bemerkt, für ein späteres gehalten. Nun aber frage ich, so ungern ich auch sonst auf späteres im voraus verweise, jeden der den »Timaios« kennt, ob nicht schon durch die Art wie hier im »Sophisten« das Seiende zu den Gegensätzen herabgeführt ist, so wie durch die hier vorkommende Behandlung der Selbigkeit und Verschiedenheit der Grund zum »Timaios« dialektisch vollkommen gelegt ist; und ob wohl der »Parmenides« zu diesem allen auch nur das mindeste hinzufügt, oder ob nicht vielmehr augenscheinlich überall unser Gespräch dem »Timaios« weit näher steht als jenes. Doch dies soll auch nur vorläufig gesagt sein, um den Gesichtspunkt im allgemeinen anzugeben. Aber man vergleiche nur aufmerksam den »Sophist« und den »Parmenides« mit einander, und sehe zu ob wohl in der Art, wie sich in jenem Sokrates auf seine Unterredung mit dem Parmenides beruft, irgend etwas einer Ankündigung des nach dem benannten Gespräches ähnliches zu finden ist, oder ob nicht vielmehr offenbar die Altersbestimmung zurücksehend auf dieses Gespräch und rechtfertigend da steht, so daß die ganze Stelle das Ansehn hat, daß sie den Lesern den »Parmenides« in Erinnerung bringen soll. Vergleicht man ferner die einzelnen ähnlichen Stellen, wie etwa die vom Einen und Ganzen: so wird man ja unstreitig im »Sophisten« eine sichrere Hand und eine großartigere Methode finden. Ja in der Art wie das wesentliche Sein und das Sein in einem anderen Sinne, durch Gemeinschaft nämlich, und so auch das ursprünglich Seiende, und das Sein im Gebiete der Gegensätze, hier aus einander gehalten sind, findet man den Schlüssel zu allem, was im »Parmenides« als Amphilogie erscheint: so daß es wunderlich wäre hier schon die Auflösung gegeben dort aber erst später das Rätsel gestellt zu haben. Vornehmlich aber betrachte man nur den ersten Teil des »Parmenides«, und die problematische Art wie dort über das Sein der Begriffe gesprochen wird, und überlege, ob diese wohl noch Platz finden konnte, nachdem im »Theaitetos«


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