Internationales Strafrecht. Robert Esser
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Auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen können mehrere Beschwerden miteinander verbunden werden (joinder). Neben einer förmlichen Verbindung kommt – nach Anhörung der Parteien – auch die gleichzeitige Prüfung (simultaneous examination) von Beschwerden in Betracht, die derselben Kammer zugeteilt sind (Rule 42).
2. Öffentlichkeit der Verhandlung
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Findet eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, so ist diese grundsätzlich öffentlich und für jedermann zugänglich (Rule 63 Abs. 1). Von Amts wegen bzw. auf Antrag[103] einer Partei oder einer anderen betroffenen Person können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teiles der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden (Rule 63 Abs. 2),
• | wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, |
• | wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Parteien es verlangen oder |
• | soweit die Kammer es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
3. Anwesenheit der Parteien
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Grundsätzlich muss der Bf. nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen sondern kann sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen. Erscheint weder der Bf. noch sein Verfahrensbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung – bzw. zur Untersuchung einer Delegation des Gerichtshofs (Rule A3) –, führt dies nicht zwingend zur Einstellung des Verfahrens. Bleibt eine Partei – oder eine andere zur Verhandlung geladene Person – ohne Angabe hinreichender Gründe von der Verhandlung fern, so kann die Kammer diese gleichwohl fortsetzen, wenn ihr dies mit einer geordneten Rechtspflege vereinbar erscheint (Rule 65). Ein Fernbleiben des Bf. sollte allerdings – sofern seine Anwesenheit vorher angekündigt worden war – vorsorglich (nachträglich) entschuldigt werden, da es ansonsten vom Gerichtshof als Indiz für dessen fehlendes Interesse an der Aufrechterhaltung der Beschwerde gedeutet werden kann (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 lit. c EMRK; Rn. 349). Prinzipiell ist aber das Auftreten des Verfahrensbevollmächtigten ausreichend.
4. Obligatorische Vertretung
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Grundsätzlich muss der Bf. in jeder von der Kammer beschlossenen mündlichen Verhandlung durch einen Verfahrensbevollmächtigten, durch den in einem Vertragsstaat zugelassenen Rechtsbeistand (advocate) oder eine andere vom Kammerpräsidenten zugelassene Person (other person approved) vertreten sein (Rule 36 Abs. 4 lit. a; vgl. Rn. 391). Ausnahmsweise kann dem Bf. auch jetzt noch gestattet werden, seine Interessen selbst zu vertreten, falls erforderlich mit Unterstützung eines Rechtsbeistands oder einer anderen Person (Rule 36 Abs. 3; vgl. Rn. 390).
5. Beweiserhebung
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Sämtliche Tatsachen, deren Kenntnis für die Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde notwendig ist, müssen durch den Gerichtshof festgestellt werden. Der EGMR befasst sich also nicht lediglich mit der Überprüfung von Rechtsfragen sondern nimmt eine eigene Tatsachenfeststellung vor. Obwohl er den auf nationaler Ebene festgestellten Sachverhalt grundsätzlich nicht überprüft, muss er die der Beschwerde zugrunde liegenden Tatsachen grundsätzlich selbst ermitteln. Im Wesentlichen stützt sich der EGMR dabei auf die Ausführungen der Parteien, ist an diese jedoch – selbst wenn sie übereinstimmend sind – in keiner Weise gebunden. Bereits auf nationaler Ebene erfolgte behördliche Ermittlungen oder gerichtliche Beweiserhebungen fließen in die Untersuchung ebenfalls mit ein, sind aber für die Entscheidung über das Vorliegen eines Konventionsverstoßes nicht ausschlaggebend.
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Lediglich ergänzend erfolgt eine unmittelbare Beweisaufnahme vor dem Gerichtshof, wobei die Parteien die Einvernahme von Zeugen, Sachverständigen oder anderen Personen beantragen können (zur Kostenfrage siehe Rule A5 Abs. 6).[104] Eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen geschieht in der Praxis aber eher selten. Sie kommt vor allem dort in Betracht, wo die Sachverhaltsermittlung auf nationaler Ebene hinsichtlich eines für die Einhaltung der Konvention maßgeblichen Umstandes unzureichend gewesen ist.
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Hinweis
Allein ein Aufklärungsmangel hat häufig einen eigenständigen Konventionsverstoß zur Folge.[105] Keinesfalls kann und darf eine Aufhellung des Sachverhalts durch den Gerichtshof eine gründliche Aufklärung auf nationaler Ebene ersetzen. Die Beweiserhebung und -verwertung ist und bleibt vorrangig eine Angelegenheit der nationalen Instanzen.
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Die (in der Praxis ohnehin seltene) Erhebung von Beweisen findet meist in der mündlichen Verhandlung im Gerichtsgebäude in Straßburg statt, kann aber auch durch Delegationen, d.h. beauftragte Mitglieder der Kammer oder andere Richter des Gerichtshofs erfolgen (Rules A1-A8).[106] Der Gerichtshof kann solche Untersuchungen oder andere Beweiserhebungen in jedem Verfahrensstadium an jedem beliebigen Ort durch eines oder mehrere seiner Mitglieder durchführen (Rule 19 Abs. 2). Das gilt insbesondere für die Kammer, die über die Begründetheit der Beschwerde entscheidet.
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Die Kammer kann auf Antrag einer Partei, eines Dritten sowie von Amts wegen alle Beweise erheben, die sie für geeignet hält, den Sachverhalt aufzuklären, ohne dabei an bestimmte Beweismittel oder gar an Vorschriften und Grundsätze des jeweiligen nationalen Strafprozessrechts gebunden zu sein (Rule A1 Abs. 1). Die Parteien haben die Kammer – bzw. die beauftragte Delegation – bei der Feststellung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhaltes zu unterstützen (Art. 38 Hs. 2 EMRK; Rule A2).
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Recht häufig werden die Parteien aufgefordert, Urkunden oder sonstige schriftliche Beweise für ihr Vorbringen vorzulegen. Dass angeforderte Unterlagen nach nationalem Recht „Verschlusssache“ sind, kann nicht eingewandt werden.[107] Jede Person, deren Angaben oder Erklärungen für die Aufklärung des behaupteten Konventionsverstoßes nützlich erscheinen, kann als Zeuge, Sachverständiger oder in anderer Eigenschaft gehört werden (Rule A1 Abs. 1), was in der Praxis jedoch recht selten geschieht. Gleiches gilt für Ortsbesichtigungen oder Inaugenscheinnahmen. Außerdem kann die Kammer Personen oder Institutionen ersuchen, zu einer bestimmten Frage Auskünfte einzuholen, eine Stellungnahme abzugeben oder der Kammer Bericht zu erstatten (Rule A1 Abs. 2).[108]
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Zeugen, Sachverständige und andere Personen, die vor dem Gerichtshof auftreten, dürfen sich ihrer eigenen Sprache bedienen, wenn sie keine der beiden Amtssprachen hinreichend beherrschen. Der Kanzler trifft die notwendigen Vorkehrungen für die mündliche und schriftliche Übersetzung