Internationales Strafrecht. Robert Esser
Parteien können die Vernehmung eines bestimmten Zeugen oder Sachverständigen nur unter engen Voraussetzungen ablehnen (z.B. wegen Befangenheit). Über den Antrag entscheidet die Kammer. Sie kann eine Person, die nicht als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden kann, gleichwohl zu Informationszwecken anhören (Rule A7 Abs. 5).
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Insbesondere zur Überprüfung von Haftbedingungen wird die Kammer erwägen, eines oder mehrere ihrer Mitglieder oder andere Richter des Gerichtshofs zu beauftragen, eine Untersuchung, eine Ortsbesichtigung, eine sonstige Inaugenscheinnahme oder eine andere Maßnahme zur Beweiserhebung durchzuführen.[109] Zur Unterstützung der Tätigkeit einer solchen Delegation – die grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt (Rule A1 Abs. 5)[110] – können unabhängige externe Sachverständige bestellt werden (Rule A1 Abs. 3).
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Der Gerichtshof ist nicht an bestimmte (nationale) Beweis- oder Beweislastregeln gebunden, sondern entscheidet über das Vorliegen eines Konventionsverstoßes aufgrund freier richterlicher Beweiswürdigung. Obwohl er keine prozessuale Beweislast im engeren Sinne trägt, muss der Bf. grundsätzlich den behaupteten Konventionsverstoß substantiiert darlegen und die entsprechenden tatsächlichen Umstände überzeugend nachweisen. In Fällen, in denen die Tötung eines Menschen, die Anwendung physischer Gewalt gegenüber inhaftierten Personen oder deren Unauffindbarkeit behauptet wird, besteht für den betroffenen Konventionsstaat allerdings eine qualifizierte Darlegungslast,[111] deren Umfang je nach Einzelfall bis zu einer echten Beweislastumkehr und entsprechender Exkulpationspflicht reichen kann (plausible/satisfactory and convincing explanation)[112].[113] Lässt sich in einem solchen Fall der vom Bf. behauptete Sachverhalt nicht zuverlässig aufklären, so unterstellt der Gerichtshof das entsprechende Vorbringen, wenn der Vertragsstaat gegen seine aus Art. 2, 3 EMRK bzw. Art. 5 EMRK abzuleitende Organisations- oder Dokumentationspflicht verstoßen hat.[114]
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Beweiserhebungen (vor einer Delegation), die der betroffene Vertragsstaat beantragt, muss dieser grundsätzlich selbst bezahlen. Das gilt jedoch nicht für den Bf., dem die Kosten einer von ihm beantragten Beweiserhebung nur höchst selten auferlegt werden. Meist werden diese Kosten vom Europarat getragen. Die Höhe der Kosten bestimmt der Kammerpräsident (Rule A5 Abs. 6).
6. Beteiligung Dritter
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Entscheidet sich der Gerichtshof, die eingegangene Beschwerde dem vom Bf. als Beschwerdegegner bezeichneten Vertragsstaat zur Kenntnis zu bringen (Rule 54 Abs. 2 lit. b; vgl. Rn. 328), so wird die Beschwerde durch die Kanzlei zusätzlich auch dem Vertragsstaat übermittelt, dessen Staatsangehörigkeit der Bf. besitzt (Rule 44 Abs. 1 lit. a).[115] Möchte diese Vertragspartei von ihrem Recht auf schriftliche Stellungnahme oder auf Teilnahme an mündlichen Verhandlungen (Art. 36 Abs. 1 EMRK) Gebrauch machen, muss sie dies als „third-party intervention“ gegenüber der Kanzlei des Gerichtshofs grundsätzlich innerhalb von 12 Wochen zum Ausdruck bringen (Rule 44 Abs. 1 lit. b).[116]
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Im Interesse der Rechtspflege kann der Präsident des Gerichtshofs darüber hinaus auch andere Vertragsstaaten oder Personen, die in dem konkreten Verfahren nicht Partei sind, auffordern oder ermächtigen, schriftlich zum Gegenstand der Beschwerde Stellung zu nehmen oder, falls außergewöhnliche Umstände vorliegen, ihnen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gestatten (Art. 36 Abs. 2 EMRK; Rule 44 Abs. 3 lit. a).[117]
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Eine Beteiligung nach Art. 36 EMRK führt nicht zu einer Bindung an das Urteil (zu den allgemeinen Urteilswirkungen siehe noch Rn. 463 ff.).
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In allen bei einer Kammer oder der Großen Kammer anhängigen Rechtssachen kann der Kommissar für Menschenrechte des Europarats schriftliche Stellungnahmen abgeben und an den mündlichen Verhandlungen teilnehmen. Er hat dies ebenfalls innerhalb von 12 Wochen gegenüber der Kanzlei anzuzeigen. Eine Vertretung durch einen Repräsentanten ist möglich (Rule 44 Abs. 2).
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In der Praxis kommt ein solcher Beitritt Dritter zum Verfahren durchaus vor. Insbesondere NGOs machen von dieser Möglichkeit Gebrauch; es besteht aber auch die Möglichkeit, als (strafprozessualer) Nebenkläger im Ausgangsverfahren (§§ 395 ff. StPO) einen Antrag auf Beteiligung am Verfahren zu stellen.[118]
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Entsprechende Erklärungen oder Anträge Dritter müssen bestimmten Form- und Fristvorgaben entsprechen (Rule 44 Abs. 3-6). Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, so wird die jeweilige Stellungnahme meist nicht in die Verfahrensakte aufgenommen (Rule 44 Abs. 5). Schriftliche Erklärungen Dritter, die den Vorgaben entsprechen, werden den Parteien mitgeteilt, die unter Einhaltung einer bestimmten Frist ihrerseits schriftlich Stellung nehmen können (Rule 44 Abs. 6).
7. Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen
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Jeder von einer Delegation – oder durch die Kammer – geladene Zeuge oder Sachverständige leistet vor Beginn seiner Aussage bzw. vor Ausführung seines Auftrags einen Eid oder gibt eine feierliche Erklärung ab (Rule A6). Die Parteien können die Vernehmung eines bestimmten Zeugen oder Sachverständigen nur unter engen Voraussetzungen ablehnen (z.B. wegen Befangenheit). Über den Antrag entscheidet die Kammer. Sie kann eine Person, die nicht als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden kann, gleichwohl zu Informationszwecken anhören (Rule A7 Abs. 5).
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Jedes Kammer- bzw. Delegationsmitglied kann den Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsbeiständen und Beratern der Parteien, dem Bf., den Zeugen und Sachverständigen sowie jeder anderen vor der Kammer oder Delegation auftretenden Person Fragen stellen (Rule A7 Abs. 1). Umgekehrt können die Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsbeistände und Berater der Parteien den Zeugen, Sachverständigen und den anderen zur Erforschung des Sachverhalts herangezogenen Personen unter Aufsicht des Kammerpräsidenten bzw. Leiters der Delegation Fragen stellen. Letztere entscheiden auch, ob eine Frage zulässig ist oder nicht (Rule A7 Abs. 2). Zum ihrem Schutz kann die Vernehmung einer Person in Abwesenheit der Parteien erfolgen (Rule A7 Abs. 4).
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Wenn ein Zeuge, eine andere Person oder eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne ausreichenden Grund nicht vor der Kammer oder Delegation erscheint, kann die ohne sein Mitwirken mögliche Untersuchung bzw. Beweiserhebung der Delegation gleichwohl durchgeführt bzw. fortgesetzt werden (Rule A3). Im Gegensatz zu den meisten nationalen Rechtsordnungen droht die EMRK für das Nichterscheinen bzw. die (unberechtigte) Zeugnisverweigerung keine Sanktion an.
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Zeugen, Sachverständige und andere Personen, die vor dem Gerichtshof auftreten, dürfen sich ihrer eigenen Sprache bedienen, wenn sie keine der beiden Amtssprachen hinreichend beherrschen. Der Kanzler trifft die notwendigen Vorkehrungen für die mündliche und schriftliche Übersetzung (Rule 34 Abs. 6).
8. Verhandlungsprotokoll