Multilaterales Instrument. Florian Haase

Multilaterales Instrument - Florian Haase


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      Entscheidend wird nun sein, wie Deutschland die konkrete Umsetzung des Multilateralen Instruments in nationales Recht bewerkstelligen wird. Ebenso wie ein „gewöhnliches“ DBA bedarf es auch für das Multilaterale Instrument eines nationalen Umsetzungsgesetzes, das den Regelungsbefehl der völkerrechtlichen Vereinbarung in nationales deutsches Recht transportiert. Dem Vernehmen nach hatten BMF und BMJ bereits im Vorfeld der Veröffentlichung Zweifel an der verfassungsrechtlichen Möglichkeit der Umsetzung des Multilateralen Instruments im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz. Insofern wird es, nach derzeitigem Stand, auf das folgende Verfahren hinauslaufen: Deutschland unterzeichnet in einem ersten Schritt das Multilaterale Instrument, das dann in einem zweiten Schritt von Deutschland nach den bekannten nationalen Regeln ratifiziert wird. In einem dritten Schritt schließen Deutschland und ein anderer Staat, deren bilaterales Abkommen als „erfasstes Steuerabkommen“ ausgewählt wurde, auf dem Verwaltungswege eine Konsultationsvereinbarung dahingehend, welche DBA-Bestimmungen konkret geändert werden sollen. Diese Konsultationsvereinbarung erlangt dann in einem vierten Schritt über ein nationales Umsetzungsgesetz Gesetzeskraft, bevor in einem fünften Schritt eine Notifizierung an die OECD erfolgt, dass das Multilaterale Instrument innerstaatlich umgesetzt worden ist. Erst damit sind die Voraussetzungen der Anwendbarkeit und Wirksamkeit unter dem Multilateralen Instrument gegeben. Auf diese Weise wird die Anwendung geänderter deutscher DBA frühestens für 2019 erwartet.

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      Ein weiterer, praktisch sehr bedeutsamer Punkt betrifft zeitlich spätere Änderungen im Zuge von Neuverhandlungen von DBA. Das Multilaterale Instrument stellt es den unterzeichnenden Staaten ausdrücklich frei, anlässlich einer Neuverhandlung den Inhalt des Multilateralen Instruments, der von beiden Vertragsstaaten als bindend anerkannt wurde, auch in das konkrete DBA zu übernehmen. Was aber geschieht dann im Fall einer späteren Kündigung des Instruments (Art 37)? Diese kann dann rechtstechnisch zwar nicht für das konkrete DBA gelten, aber doch wird man die Intention des Vertragspartners ggf. bei der Auslegung des DBA zu berücksichtigen haben. Dies gilt umso mehr als OECD-MA und der dazugehörige Kommentar 2017 einer weiteren Revision unterzogen werden.

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      Sehr differenziert geregelt ist auch die zeitliche Anwendbarkeit: Die mit dem Multilateralen Instrument einhergehenden, von den Vertragsparteien final festgelegten, Bestimmungen sollen wie folgt zur Anwendung kommen:

Sachverhalte mit Quellensteuerbezug – anwendbar, wenn der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer an oder nach dem ersten Tag des Kalenderjahres liegt, das dem Jahr der Unterzeichnung durch den letzten freiwilligen Vertragsstaat folgt.
Alle anderen steuerlichen Sachverhalte – anwendbar für Steuern, die in dem Veranlagungszeitraum anfallen, der dem Ablauf einer sechsmonatigen Frist nach Inkrafttreten der Konvention für das individuelle Doppelbesteuerungsabkommen folgt.

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      Die nun vorliegende Umsetzung dieser Idee allerdings ist nicht zu begrüßen. Durch das Nebeneinander von DBA und Multilateralem Instrument wird für die Anwendungspraxis eine Vielzahl von Problemen entstehen, die heute noch nicht mit Sicherheit vorhersehbar sind. Dies betrifft terminologische Schwierigkeiten, aber insbesondere Fragen der praktischen oder zeitlichen Anwendung. Dies betrifft ferner Fragen der Fortschreibung und Fortentwicklung des Multilateralen Instruments, auch und gerade im Verhältnis zu zeitlich späteren Änderungen bereits bestehender DBA. Vor diesem Hintergrund war die gewaltige Schnelligkeit, mit der das Multilaterale Instrument umgesetzt worden ist, bei Lichte betrachtet weder geboten, noch zu empfehlen. Ironischerweise hat Deutschland sich in einem ersten Schritt im Juni 2017 mehrheitlich gegen die durch das MLI eröffneten Möglichkeiten ausgesprochen – dies kann aus vielerlei Gründen nur begrüßt werden.

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      Nicht zuletzt wird es daher ganz entscheidend darauf ankommen, wie viele DBA Deutschland in das Multilaterale Instrument einbeziehen würde (im ersten Schritt 35) und wie das Opting-out erfolgt. Nähere Informationen zur konkreten Wahl Deutschland sind im Anhang zu diesem Kommentar sowie unter www.oecd.org/tax/multilateral-instrument-for-beps-tax-treaty-measures-the-ad-hoc-group.htm bzw bei der Kommentierung der jeweiligen Vorschriften zu finden. Ebenfalls ist unter der genannten Internetadresse die konkrete Wahl jedes der 68 Signatarstaaten zu finden. Darüber hinaus haben im Rahmen des sog Inklusive Frameworks, das auch Nicht-OECD-Staaten die Möglichkeit gibt, am BEPS-Projekt teilzunehmen, insgesamt 102 Staaten grundsätzliches Interesse bekundet und hiervon bislang 70 Staaten konkret das MLI unterzeichnet.

      Jedenfalls ist absehbar, dass die Komplexität der Rechtsanwendung im IStR nicht abnehmen, sondern zunehmen wird. Möglicherweise wird durch das BEPS-Projekt in Einzelfällen einer Gewinnverlagerung vorgebeugt. Ob man auf diesem Altar jedoch die Praktikabilität der Rechtsanwendung, die in Deutschland immer noch viele einzelne Steuerberatungspraxen und in der Breite auch die Veranlagungsstellen der Finanzämter betrifft, opfern musste, darf getrost bezweifelt werden.

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      Anmerkungen

       [1]

      Vgl dazu im Ausgangspunkt BFH BStBl II 1983, 272 ff im Gliederungspunkt C III der Entscheidungsgründe: „Das Gestaltungsmotiv der Ersparnis von Steuern macht die Gestaltung nicht unangemessen …“; fortentwickelt im BFH BStBl II 1988, 942 ff im Gliederungspunkt II 3 a der Entscheidungsgründe und wiederum deutlicher BFH/NV 1997, 462 ff: „Eine sog. Steuervermeidung bleibt folgenlos . . .“.

       [2]

      Vgl beispielsweise den bereits 1997 von der EU verabschiedeten, unverbindlichen „Code of Conduct“, der im Bereich der schädlichen Steuerpraktiken Abhilfe schaffen soll: Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten v 1.12.1997 über einen Verhaltenskodex in der Unternehmensbesteuerung, ABlEG Nr C 1998, 1 ff.

       [3]


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