Multilaterales Instrument. Florian Haase

Multilaterales Instrument - Florian Haase


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Art 39 Verwahrer

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      Unschwer lässt sich die inhaltliche Nähe zu einzelnen BEPS-Aktionspunkten erkennen, auch wenn einige Aktionspunkte inhaltlich in mehrere Artikel übersetzt bzw integriert worden sind. Hier mag fürs Erste der Hinweis genügen, dass das Multilaterale Instrument in der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Artikel nicht wesentlich von den Empfehlungen der OECD aus den Ergebnissen zu den einzelnen Aktionspunkten abgewichen ist, auch wenn sich freilich auch in diesen viele ungelöste Einzelfallprobleme stellen. Insofern sei der Leser auf die einzelnen Reports zu den BEPS-Aktionspunkten bzw die nachstehende Kommentierung des Multilateralen Instruments verwiesen.

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      Abseits dessen bleibt zu erwähnen, dass auch die OECD selbst allerlei Klärungs- und Präzisierungsbedarf zu sehen scheint. Allein die „Explanatory Statements“ zum Multilateralen Instrument finden auf knapp 90 Seiten Platz, und dem Vernehmen nach soll ähnlich dem OECD-MK ein eigener Kommentarteil zu dem mehrseitigen Abkommen erstellt werden. Ob darin „nur“ die BEPS-Ergebnisse Eingang finden oder diese noch freischaffend fortentwickelt werden, bleibt abzuwarten.

IV. Methodik der Anwendung

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      Anders als das OECD-MA ist das Multilaterale Instrument keine bloße Auslegungshilfe bei der Interpretation eines bestehenden DBA. Es setzt vielmehr materielles Recht insoweit, als ein konkret bestehendes DBA zwischen zwei Mitgliedstaaten durch das Multilaterale Instrument unmittelbar geändert wird. Dies geschieht rechtstechnisch allerdings nicht dergestalt, dass der konkrete Text eines bereits bestehenden DBA durch das Multilaterale Instrument geändert wird, sondern das Multilaterale Instrument legt sich gewissermaßen wie ein zweiter Regelungskreis über das bestehende DBA. Diese Methodik rührt aus der Zielsetzung her, einerseits die Ergebnisse des BEPS-Projekts nicht durch eine langwierige separate Neuverhandlung der bestehenden DBA, sondern gewissermaßen uno actu und zeitgleich umzusetzen, andererseits aber den bilateralen Vertragsparteien die Möglichkeit zu geben, ein bestehendes DBA fortzuentwickeln. Insgesamt betrachtet ist das Multilaterale Instrument ein sehr vielschichtiges Instrument, das den Vertragsparteien eine ausreichende Flexibilität gewähren soll und deshalb eine Reihe von Vorbehalten sowie die Auswahl unterschiedlicher Optionen ermöglicht.

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      Anders als vor seiner Veröffentlichung kolportiert wurde, ist das Multilaterale Instrument systematisch allerdings nicht modular in der Weise aufgebaut, dass die unterzeichnenden Staaten einzelne Artikel oder einzelne Absätze innerhalb dieser Artikel positiv wählen können bzw müssen, um diese im Einzelfall auf ein DBA anzuwenden, sondern die OECD hat sich – vermutlich aus Praktikabilitätsgründen – für eine grundlegend andere Konzeption entschieden (sog Opting-out-Modell): Das Multilaterale Instrument gilt vielmehr, wenn es vorbehaltslos gezeichnet wird, im Ganzen, und nur durch die Vorbehalte („reservations“, siehe Art 28 des Abkommens) werden einzelne Artikel oder einzelne Absätze innerhalb dieser Artikel von der Geltung ausgeschlossen.

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      Was dabei herauskam, ist der Sache nach eine Art Matrix der gewählten Artikel oder einzelner Absätze innerhalb dieser Artikel im Verhältnis zu anderen unterzeichnenden Staaten. Nur insoweit sich diese Wahl deckt, wird auch ein konkretes DBA geändert. Der jeweilige Artikel gibt im Abkommenstext auch klar vor, ob er ganz oder teilweise als nicht bindend gewählt werden kann. Im Übrigen schreibt das Multilaterale Instrument eindeutig fest, dass es ein rechtliches Nebeneinander von abgeschlossenen DBA und Multilateralem Instrument geben wird. Beispiel: Deutschland und Frankreich entscheiden sich bei der Unterzeichnung des Multilateralen Instruments, hinsichtlich des Art 13 keinen Vorbehalt zu machen. Die Vorschrift bezieht sich auf den Negativkatalog des Art 5 Abs 4 OECD-MA. Entsprechend wird Art 2 Nr 7 lit. b) des DBA Deutschland-Frankreich gem der gewählten Option A oder B unmittelbar durch das Multilaterale Instrument geändert.

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      Mit der Option A oder B, die im Übrigen in Art 13 explizit zur Wahl gestellt sind, ist bereits ein weiteres Charakteristikum des Multilateralen Instruments angesprochen, nämlich die Flexibilität, die die OECD selbst lobend herausstellt. Flexibel ist das Instrument in der Tat, weshalb später in der Beratungspraxis auch genaues Augenmerk darauf zu legen ist, mit welcher Variante der Geltung es der Steuerpflichtige zu tun hat. Einerseits nämlich besteht für die unterzeichnenden Staaten die Möglichkeit, einzelne, bereits geschlossene DBA von dem Anwendungsbereich des Multilateralen Instruments auszunehmen. Dies wird insbesondere dann praktisch werden, wenn sich ein DBA bereits in Neuverhandlung befindet und man die Ergebnisse des BEPS-Projekts daher einfacher im bilateralen Wege umzusetzen könnte. Andererseits ist ein Opting-out hinsichtlich der Artikel oder einzelner Absätze dieser Artikel überhaupt nur möglich, soweit es sich nicht um Vorschriften handelt, die den sog „BEPS Minimum Standard“ wiedergeben oder soweit der unterzeichnende Staat nachweisen kann, dass dieser Standard bereits in dem konkret geschlossenen DBA umgesetzt ist. Bei den Minimum Standards handelt es sich um die BEPS-Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14. Ihnen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Möglichkeit eines vollständigen Opting-outs die Zielsetzung des BEPS-Projekts vollständig konterkarieren und das Multilaterale Instrument so zu einem zahnlosen Tiger würde. Insofern müssen dieses Standards entweder über das MLI oder durch bilaterale Verhandlungen umgesetzt werden.

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      Abgesehen davon ist es, wie bereits oben angedeutet, den unterzeichnenden Staaten möglich, einzelne Artikel oder Teile dieser Artikel für sich oder gegen sich gelten zu lassen, wenn und soweit es der jeweilige Artikel vorsieht. Manchmal sehen die Artikel auch explizit mehrere Optionen oder alternative Vorschläge vor, die die unterzeichnenden Staaten wahlweise in Kraft setzen können. Im letztgenannten Fall allerdings wird nicht mit dem Vorbehalt nach Art 28 zu arbeiten sein, sondern es muss eine explizite Wahl durch die unterzeichnenden Staaten erfolgen. Auch hier aber wird ein konkretes DBA nur geändert, soweit zwischen den Vertragsparteien Deckungsgleichheit bei der Wahl der optionalen oder alternativen Vorschriften besteht.

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      Mit Ausnahme der Vorschriften zur Änderung des Verständigungsverfahrens haben die unterzeichnenden Staaten damit in allen Bereichen – teilweise sehr weitreichende – Möglichkeiten, Vorbehalte zu äußern. Die Vorbehalte können so weit gehen, dass die vorgesehene Änderung in den DBA eines Staates nicht umgesetzt wird. Dort, wo mit dem Multilateralen Instrument die (politisch) verbindlichen Mindeststandards umgesetzt werden, besteht nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit, der Änderung gänzlich nicht zuzustimmen. Diesen Mindeststandard beschreibt die Pflicht zur Einführung einer Präambel, die Pflicht zur Einführung einer allgemeinen abkommensrechtlichen Missbrauchsklausel (Aktionspunkt 6 des BEPS-Aktionsplans) sowie die Pflicht zur Verbesserung von Streitbeilegungsmechanismen (Aktionspunkt 14 des BEPS-Aktionsplans). Wo dagegen verschiedene Möglichkeiten bestehen, den Mindeststandard zu erfüllen, haben die Teilnehmer die freie Entscheidung, wie sie dies bewerkstelligen wollen.

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      Änderungen, die nicht im Rahmen des Multilateralen Instruments unterschrieben werden, können jedoch auch im Rahmen von bilateralen DBA-Verhandlungen aufgenommen werden. Regelungen müssen dann in eigenständigen Revisionsprotokollen zu aktuellen DBA umgesetzt werden, also im Verhandlungswege. Insoweit unterscheidet sich die Vorgehensweise nicht von der bisherigen Vorgehensweise bei Neuverhandlung oder Neuabschluss eines DBA.

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