Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
einer nachträglich als falsch erkannten Erklärung verpflichtet ist und durch die Nichtabgabe der Berichtigungserklärung den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 erfüllen kann. Eine Berichtigungspflicht des Steuerberaters ergibt sich aus § 153 aber (sofern er nicht zugleich gesetzlicher Vertreter oder Verfügungsberechtigter ist) nicht, da die Vorschrift nur den Steuerpflichtigen, den Rechtsnachfolger sowie nach §§ 34, 35 für sie handelnde Personen trifft.[114]
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Das FG Nürnberg hat in einer Entscheidung vom 10.12.2002 über die Frage der Haftung des Steuerberaters nach § 71 darauf hingewiesen, dass ein Steuerberater, der erkenne, dass in der Zeit seiner Tätigkeit für den Mandanten falsche Erklärungen abgegeben worden sind, standesrechtlich dazu verpflichtet sei, den Mandanten entspr. aufzuklären, zu beraten und ihn zur Abgabe einer Selbstanzeige aufzufordern. Weigert sich der Mandant, die Selbstanzeige abzugeben, sei der Steuerberater verpflichtet, sein Mandat niederzulegen.[115] Von einer Beihilfestrafbarkeit ist aber jedenfalls nur insoweit auszugehen, als der Steuerberater selbst vorsätzlich an der Vorbereitung oder Abgabe falscher Erklärungen mitwirkt oder in Kenntnis einer falschen Erklärung steuerlich relevante Handlungen vornimmt, die sich auf diese Erklärung beziehen, ohne sie richtig zu stellen.
ee) Bankmitarbeiter als Täter/Teilnehmer
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Die Frage, ob sich Bankangestellte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit, bspw. mit der Mitwirkung am Kapitaltransfer von Kunden ins Ausland, einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen können sowie die Kriterien für eine Abgrenzung erlaubter Mitwirkung von strafbarer Beihilfe, sind unter dem Begriff des „berufstypischen“, „sozialadäquaten“ oder „neutralen Verhaltens“ in Literatur und Rspr. kontrovers diskutiert worden.[116] Unter anderem wurde eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters mangels Zurechenbarkeit verneint, wenn/weil der Kunde aufgrund eines eigenen (späteren) Entschlusses Erträge im Rahmen seiner Steuererklärung nicht angibt bzw. zumindest dann verneint, wenn seitens der Bank keine Strukturen eingerichtet und genutzt wurden, die ersichtlich auf Verschleierung angelegt waren.[117] Der BGH hat die Frage inzwischen dahingehend entschieden, dass eine generelle Straflosigkeit von als „berufstypisch“ oder auch „professionell adäquat“ bzw. „neutral“, bezeichneten Handlungen nicht in Betracht kommt.[118]
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Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass die Begriffe nicht geeignet sind, eine Abgrenzung vorzunehmen, da grundsätzlich jede Handlung in einen strafbaren Kontext gestellt werden kann. Solche Handlungen sind nur dann als strafrechtlich relevante Beihilfehandlung zu beurteilen, wenn der Hilfeleistende weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf zielt, eine strafbare Handlung zu begehen. Hingegen macht sich der Hilfeleistende nicht strafbar, wenn er es lediglich für möglich hält, dass der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter zur Begehung einer Straftat genutzt wird, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ ließ.[119]
ff) Finanzbeamter als Täter/Teilnehmer
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Da die Steuerhinterziehung keine Täuschung gegenüber dem Finanzamt voraussetzt,[120] können auch Finanzbeamte Täter oder Teilnehmer einer (fremden) Steuerhinterziehung sein. So begeht ein Sachbearbeiter des Finanzamtes, der durch die Eingabe erfundener Daten für fingierte Steuerpflichtige Erstattungsbeträge erhält, eine Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Untreue,[121] wobei dem typischen Unrecht des § 266 StGB bereits durch den erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Rechnung getragen wird.[122]
gg) Täterschaft bei Insolvenzverwaltung
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Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen die steuerlichen Pflichten gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über.[123] Der Insolvenzverwalter ist dann Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3, mit der Folge, dass ihn die steuerlichen Pflichten nach § 34 Abs. 1 treffen.[124] Soweit seine Verwaltung reicht, hat er dieselben steuerlichen Pflichten zu erfüllen, wie die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Ihn treffen daher alle Pflichten, die dem Schuldner oblägen, wenn über sein Vermögen nicht das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. Dazu gehört auch die Steuererklärungspflicht gemäß § 149 Abs. 1 sowie ggf. die Verpflichtung zur Buchführung und Bilanzierung; das gilt auch für Steuerabschnitte, die vor der Insolvenzeröffnung liegen. Nach der Rspr. des BFH hat der Insolvenzverwalter auch dann einen Steuerberater mit der Erstellung von Jahresabschlüssen zu beauftragen, wenn die Masse zur Begleichung der dafür entstehenden Kosten nicht ausreicht.[125] Das ist insoweit konsequent, als auch der Steuerpflichtige selbst seine steuerlichen Pflichten unabhängig davon erfüllen muss, ob er einen Steuerberater beauftragen kann oder nicht. Es ist dem Insolvenzverwalter auch zumutbar, da er ggf. einen Erstattungsanspruch aus der Staatsakasse hat.[126] Mit der Verletzung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten kann sich der Insolvenzverwalter nach § 370 strafbar machen, wobei die Grundsätze des berufstypischen Verhaltens zu beachten sind (siehe dazu Rn. 44 f.).
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Daneben kann der Insolvenzschuldner durch die Abgabe von unrichtigen Erklärungen nach den üblichen Kriterien täterschaftlich eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 begehen – ggf. in mittelbarer Täterschaft, wenn er den Insolvenzverwalter zur Abgabe (unwissentlich) falscher Erklärungen bewegt (siehe dazu Rn. 16, 18). Denkbar ist auch eine Strafbarkeit wegen Anstiftung[127] oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Insolvenzverwalters. Hingegen kann sich der Schuldner, bezogen auf die Veranlagungszeiträume, für die die Erklärungspflicht erst im laufenden Insolvenzverfahren entsteht, keiner Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar machen. Ein Verstoß gegen seine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht gegenüber dem Insolvenzverwalter erfüllt nicht den Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2, da tatbestandsmäßig nur pflichtwidriges Unterlassen gegenüber den Finanzbehörden ist.[128]
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Vorstehendes gilt auch dann, wenn dem Schuldner mit Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters ein Verfügungsverbot gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Alt InsO auferlegt wird.[129]
Ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ist hingegen selbst dann nicht Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 und auch nicht Verfügungsberechtigter i.S. von § 35, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verwaltungsbefugnisse überschreitet und tatsächlich über Vermögen des noch verfügungsberechtigten Schuldners verfügt.[130] Erklärungspflichtig bleibt insoweit der Insolvenzschuldner selbst.
2. Tathandlung
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Die Steuerhinterziehung kann nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 durch aktives Tun oder nach