Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
über steuerlich erhebliche Tatsachen zu informieren. Er unterlässt also pflichtwidrig i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 und ist für täterschaftliches Handeln (nur) nach dieser Vorschrift zu bestrafen.[399] Eine Umgehung der auf die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten begrenzten Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 durch die Konstruktion einer Strafbarkeit über § 370 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13 StGB ist ebenso abzulehnen, wie die Aufweichung des Tatbestands des § 370 Abs. 1 Nr. 2 durch die Herleitung der Pflichtwidrigkeit aus allgemeinen Garantenpflichten (s. dazu Rn. 108). Ransiek weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Strafrechts ist, das bessere Steuerrecht zu betreiben.[400] Aktiviert bspw. ein für die Bilanzierung eines Unternehmens verantwortlicher Angestellter gewinnerhöhende Positionen nicht, so macht er sich nicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13 StGB strafbar, wenn er den Steuerpflichtigen nicht daran hindert, entspr. (unvorsätzlich) falsche Steuererklärungen abzugeben, mit der Folge dass die Steuer deshalb zu niedrig festgesetzt wird.[401] Ist der Angestellte nicht aufgrund seiner Handlung als (mittelbarer) Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 strafbar und auch nicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 wegen Unterlassens, so kommt eine Bestrafung nicht in Betracht.
c) § 370 Abs. 1 Nr. 3 – pflichtwidrige Nichtverwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern
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Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 3 ist die pflichtwidrige Nichtverwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern. Es handelt sich dabei – wie bei § 370 Abs. 1 Nr. 3 um ein gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt.[402] Steuerzeichen und Steuerstempler dienen dem Nachweis der Entrichtung einer geschuldeten Steuer. Eine Steuerfestsetzung ist nur erforderlich, wenn sie zu einer höheren Steuer führt. Einziger aktueller Anwendungsfall ist § 12 TabStG.[403]
3. Taterfolg
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§ 370 ist ein Erfolgsdelikt. Der Taterfolg tritt ein, indem durch die Handlungen des § 370 Abs. 1 Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Zwischen Tathandlung und Taterfolg muss, wie der Gesetzeswortlaut „dadurch“ zeigt, ein Kausal- und Zurechnungszusammenhang bestehen (s. dazu Rn. 226 f.).
a) Abgrenzung der Verkürzung vom Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile
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Das Verhältnis zwischen dem Verkürzen von Steuern und dem Erlangen von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen ist umstritten.[404] Die Begriffe der Steuerverkürzung und des Steuervorteils werden, abgesehen von der Nennung einzelner Fälle in § 370 Abs. 4 S. 1 bzw. S. 2, gesetzlich nicht bestimmt. In der Rspr. wird eine Trennung wenn überhaupt, uneinheitlich vorgenommen.[405] Jeder Verkürzung von Steuereinnahmen zum Nachteil des Fiskus steht auf der anderen Seite ein ungerechtfertigter Steuervorteil des Steuerpflichtigen gegenüber. Eine sinnvolle Definition des Steuervorteils muss deshalb über den bloßen Perspektivwechsel hinausgehen.[406] Für beide Varianten genügt die Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs.[407]
aa) Steuerverkürzung
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Gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Damit stellt das Gesetz auf das Festsetzungsverfahren ab und setzt für diesen Verfahrensabschnitt die Vermögensgefährdung dem Vermögensschaden gleich. Nach § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 tritt der Erfolg auch dann ein, wenn die Steuer nur vorläufig (§ 165 AO) oder unter dem Vorgehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) festgesetzt wird. Der Wortlaut „namentlich“ im 1. Hs. zeigt, dass die Regelung nicht abschließend zu verstehen ist. Eine Steuerhinterziehung kann auch in anderen Verfahrensabschnitten begangen werden (siehe zum Erhebungsverfahren Rn. 145). Im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren kommt es auf eine Verkürzung in dem Sinne an, dass die Ist-Einnahmen hinter den Soll-Einnahmen zurück bleiben.[408] Darüber hinaus bewirkt das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3, dass eine Steuerhinterziehung auch dann vorliegen kann, wenn kein Steuerschaden eingetreten ist (s. dazu ausführlich Rn. 230 ff.).
(1) Gegenstand der Steuerverkürzung
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Gegenstand der Verkürzung sind Steuern i.S.d. § 3 Abs. 1 AO. Nach § 1 Abs. 1 gelten die Vorschriften der AO nur für Steuern, die durch Bundes- oder EU-Recht geregelt und durch Bundes- oder Landes-Finanzbehörden verwaltet werden (USt, ESt, KSt, ErbSt, GrErwSt). Erfasst werden davon auch die in § 3 Abs. 3 genannten Ein- und Ausfuhrabgaben i.S.d. Art. 288 Abs. 2 UZK. § 370 Abs. 6 erweitert den Anwendungsbereich auf Ein- und Ausfuhrabgaben, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation zustehen (§ 370 Abs. 6 S. 1) und auf Umsatzsteuern und harmonisierte Verbrauchssteuern, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden (§ 370 Abs. 6 S. 2).
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Bei der von den Gemeinden verwalteten Grund- und Gewerbesteuer handelt es sich um Realsteuern i.S.d. § 3 Abs. 2. Für diese gelten die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 369 ff. nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 entsprechend.
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Verkürzt werden kann als Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, auch der Solidaritätszuschlag.[409]
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Nach den Kirchensteuergesetzen der Länder gilt der Achte Teil der AO (§§ 369–412) für die Kirchensteuer in der Regel nicht. Ausnahmen bilden insoweit Sachsen (§ 12 Sächs. KiStG) und Niedersachsen (§ 6 Nds. KiStG, Voraussetzung ist gem. § 10 Abs. 1 S. 4 Nds. KiStG die Stellung eines Strafantrages durch die Religionsgemeinschaft). Wird die Kirchensteuer