Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
und zeitlich ineinander verschränkter Delikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen auch in den Einzelfällen mit geringeren Schäden naheliege. Eine solche Fallkonstellation liege jedoch nicht vor, wenn das Tatgericht in keinem der Fälle Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten oder mehr für erforderlich gehalten hat und wenn es nicht näher begründet, warum es bei Erreichen eines bestimmten Betrages im Einzelfall die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe für erforderlich hält.[741]
Beträgt die Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, ist sie regelmäßig zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Täter eine günstige Sozialprognose gegeben wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren kann unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn besondere Umstände in Tat und Persönlichkeit des Täters vorliegen. In der Praxis wird das Vorliegen solcher Umstände bei Verurteilung wegen einer Steuerhinterziehung in der Regel bejaht, wenn der Täter nicht vorbestraft ist.
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Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt und beträgt mindestens fünf und höchstens dreihundertsechzig Tagessätze (§ 40 Abs. 1 StGB). Die Anzahl der Tagessätze bestimmt sich nach der Schuld des Täters. Ein Tagessatz beträgt mindestens 1 EUR und höchstens 30 000 EUR (§ 40 Abs. 2 S. 3 StGB). Die Höhe des einzelnen Tagessatzes bemisst sich nach dem aktuell erzielten oder in zumutbarer Weise erzielbaren Nettoeinkommen des Täters pro Kalendertag (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB). Dazu zählen sämtliche regelmäßigen Vermögenszuflüsse und geldwerten Vorteile (z.B. auch Unterhaltsleistungen, unentgeltliche Privatnutzung eines Dienstwagens usw.). Einkünfte aus Vermögenswerten, die auf andere Personen (insbes. Familienangehörige) übertragen sind, können nach der Rspr. herangezogen werden, „wenn sie tatsächlich doch dem Täter unmittelbar oder mittelbar zufließen (oder er sonst über sie verfügen kann). Mittelbar wirken sie sich auch zugunsten des Täters aus, wenn der Ertrag die Unterhaltspflicht des Täters mindert. Kommen solche Einkünfte dem Täter dagegen nicht (mehr) zugute, so müssen sie in aller Regel außer Betracht bleiben.“[742] Unterhaltsverpflichtungen sind vom Nettoeinkommen abzuziehen, sonstige wirtschaftliche Belastungen je nach ihrem Entstehungsgrund.[743] Die finanziellen Verhältnisse können geschätzt werden (§ 40 Abs. 3 StGB). Umstritten ist, ob zu ihrer Bestimmung auf die Steuerakten des Täters zurückgegriffen werden darf.[744] Unter der Voraussetzungen des § 41 StGB kann eine Geldstrafe ausnahmsweise auch neben einer Freiheitsstrafe verhängt werden.[745] Die zusätzliche Geldstrafe ist dann bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafmildernd zu berücksichtigen, da § 41 StGB keine Zusatzstrafe erlaubt.[746] Durch die Verbindung einer Freiheitsstrafe mit einer Geldstrafe darf auch erreicht werden, dass die Freiheitsstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn dies ohne die zusätzliche Geldstrafe nicht mehr in Betracht käme.[747] Die Bildung einer solchen Gesamtsanktion „darf lediglich nicht dazu führen, dass diese Gesamtsanktion nicht mehr geeignet ist, den Angeklagten und die Rechtsgemeinschaft zu beeindrucken“.[748] Allerdings sind bei der Prüfung der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe strenge Maßstäbe zu beachten, um eine ungerechtfertigte Begünstigung eines Täters mit Bereicherungsabsicht i.S.d. § 41 StGB gegenüber sonstigen Tätern zu vermeiden.[749] Werden mehrere Taten abgeurteilt, die in Tatmehrheit begangen wurden, so erhöht sich die Höchstgrenze der Freiheitsstrafe auf 15 Jahre und die der Geldstrafe auf 720 Tagessätze (§ 54 Abs. 2 StGB). Eine erlittene Untersuchungshaft wird grundsätzlich auf die Strafe angerechnet (s. § 51 StGB).
2. Strafrahmenwahl – besonders schwere Fälle, § 370 Abs. 3
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§ 370 Abs. 3 S. 1 sieht einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für besonders schwere Fälle vor. Die Verhängung einer Geldstrafe ist nicht vorgesehen. Es kann daher auch keine Ersatz-Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 47 Abs. 2 S. 1 StGB). Hingegen kann eine Geldstrafe nach § 41 StGB zusätzlich zur Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Täter sich persönlich bereichert hat oder versucht hat, sich zu bereichern und die Verhängung unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht erscheint. Bei § 370 Abs. 3 handelt es sich um eine Strafzumessungsvorschrift. Das Vorliegen ist daher für jeden tatbeteiligten (Mittäter oder Teilnehmer) gesondert zu prüfen.[750]
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Ein besonders schwerer Fall wird von der Rspr. angenommen, wenn „er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist“.[751] In § 370 Abs. 3 S. 2 benennt das Gesetz besonders schwere Fälle in der Form von Regelbeispielen. Liegen die Voraussetzungen der benannten Regelbeispiele vor, besteht eine Vermutung dafür, dass der Fall als besonders schwer anzusehen ist.[752] Folglich kann, sofern keine Anhaltspunkte für ein Abweichen vorliegen, ohne zusätzliche Prüfung der erhöhte Strafrahmen angewendet werden.[753] Die indizielle Bedeutung kann durch andere Strafzumessungsfaktoren – bspw. durch das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrunds – kompensiert werden.[754] Diese müssen so schwer wiegen, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint.[755] Nach der Rspr. des BGH sind etwa berufsbezogene Folgen, wie die Beendigung des Beamtenverhältnisses als Nebenfolge der Tatbegehung, gem. § 46 Abs. 1 S. 2 StGB bereits bei der Entscheidung über das Vorliegen eines minder schweren Falles zu berücksichtigen, nicht erst bei der Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens.[756]
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Der Katalog des § 370 Abs. 3 S. 2 ist nicht abschließend. Liegt ein Fall vor, der einem der genannten Regelbeispiele im Hinblick auf das Gewicht von Unrecht und Schuld vergleichbar ist, so rechtfertigt dieser regelmäßig als sogenannter unbenannter besonders schwerer Fall ebenfalls die Anwendung des erhöhten Strafrahmens.
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Bei einem Versuch richtet sich die Strafe nach dem nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 S. 1, wenn der Täter sowohl zur Verwirklichung des Tatbestandes als auch des Regelbeispiels unmittelbar angesetzt hat (s. Rn. 348 f.).[757]
304
Der Vorsatz des Täters muss die Verwirklichung des Regelbeispiels umfassen.
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Die Verjährungsfrist verlängert sich beim Vorliegen eines besonders schweren Falles gem. § 376 Abs. 1 mit Wirkung ab dem 25.12.2008 für alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährten Taten auf zehn Jahre (s. dazu Kommentierung bei § 376 Rn. 8 ff. und Rn. 20 ff.).
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Mit Wirkung zum 1.1.2008 sind mehrere Änderungen der Vorschrift in Kraft getreten (s. dazu Rn. 8 ff.), die somit erst für Taten gelten, die ab diesem Datum begangen wurden (§ 2 Abs. 1 StGB). So wurde