Bio Kosmetik. Dr. R. A. Eckstein
enthalten das von uns berücksichtigte seelische Motiv für die Möglichkeit einer psychischen Behandlung in der Kosmetik: das Selbstwertgefühl.
Selbstwertgefühl
Zur Erklärung des Selbstwertgefühls gehen wir davon aus, dass wir Menschen uns in der Bewusstheit unseres eigenen Ichs erleben. Als Individuum, als Person heben wir uns von der Umwelt und Mitwelt als ein eigenständiges Selbst ab. Andererseits treten wir mit anderen Personen in Wechselwirkung, wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen und uns selbst ihnen gegenüber durchsetzen. Dieses Selbstgefühl erleben wir im ersten Fall als Selbstvertrauen, im zweiten Fall jedoch als das eigentliche Selbstwertgefühl. Der Grad des jeweiligen Selbstgefühles ist dabei innerlich abhängig von der Intensität eines individuellen Biotonus, eines vitalen Turgors, einer so genannten Vitalkraft in Form einer unbewussten psychosomatischen Grundkonstitution. Aus diesem Grund sind Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl nicht ein für allemal unveränderlich gegeben. Sie wandeln sich von Mensch zu Mensch, wie auch innerhalb des Lebens eines jeden Einzelnen. Gute oder schlechte Erfahrungen und Erlebnisse, Erfolge oder Misserfolge, Zuspruch oder Widerspruch anderer Menschen erhöhen oder vermindern sie.
Wir Menschen treten nicht nur als Lebewesen auf, denen es um Selbsterhaltung und Selbstdurchsetzung im Lebenskampf geht, sondern wir sind als Persönlichkeit Träger eines Wertes und einer menschlichen Würde. Dieses Erleben von Wert und Würde der Person empfinden wir in Bewusstheit vor uns selbst als Eigenwertgefühl. Wir erleben dieses Gefühl aber auch in Bezug auf unsere Mitmenschen als Geltungsbewusstsein.
Eigenwertgefühl und Geltungsbewusstsein
Das Selbstwertgefühl hat somit zwei Seiten: Nach innen gerichtet als Eigenwertgefühl und nach außen gerichtet als Geltungsbewusstsein. Beide Momente sind an sich voneinander unabhängig. Was jedoch den Grad angeht, so unterscheiden wir zwischen einem positiven oder gehobenen und einem negativen oder gedrückten Selbstwertgefühl.
Positives Selbstwertgefühl
Das positive, gehobene Selbstwertgefühl kann verschiedengestaltig auftreten. Sie wissen, dass zum Beispiel die Jugend in ihrer überschäumenden Dynamik das Vorrecht der Selbstüberschätzung hat. Deren oft übersteigertes Selbstbewusstsein ist ein unkritisches Selbstwertgefühl, welches in einem Mangel an Lebenserfahrung, Vorstellungsvermögen und Urteilskraft gründet.
Dämonisches Selbstwertgefühl
Es gibt außerdem ein dämonisches Selbstwertgefühl oft genialer, leistungsstarker Menschen, die von der Einzigartigkeit ihres Ichs überzeugt sind. Dieses übersteigerte Selbstwertgefühl kann krankhaft ausarten, wenn dem sich selbst zugelegten Geltungsanspruch die innere, schöpferische Fülle oder aber das intuitive Gefühl für die kosmische Tiefe echter, schicksalhafter Verbundenheit fehlen.
Aristokratisches Selbstwertgefühl
Manche Menschen bringen von Natur aus ein aristokratisches Selbstwertgefühl mit, welches mit dem Pathos der Vornehmheit das besondere, qualitative Sein der Persönlichkeit an sich selbst ausdrückt. Der Ausdruck dieses starken Selbstgefühls ist der in sich bewusst gründende, absolut positiv zu wertende Stolz der betreffenden Menschen – im Gegensatz zum Hochmut der Überheblichkeit.
Narzisstisches Selbstwertgefühl
Das gehobene Selbstwertgefühl äußert sich oft darin, dass Menschen in sich selbst und in ihr Bild verliebt sind, sich selbst bewundern und sich gerne bewundern lassen. Deren Grundhaltung ist allerdings die Eitelkeit, ihr Eigenstreben die Geltung und vor allem wollen sie sich dieser Geltung in der Mitwelt auch stets voll und ganz bewusst sein. Sie heischen nach Beifall, nach Anerkennung und Verherrlichung des Ichs.
Das scheinbare Selbstwertgefühl
In der Praxis und im Leben begegnen uns aber viele Menschen mit einem nur scheinbar gehobenen Selbstwertgefühl. Dieses ist jedoch unecht, nur gespielt, eine kompensatorische Verkleidung und Verhüllung eines innerlich gestörten, verminderten oder abwegigen Selbstvertrauens. Es handelt sich dabei um Menschen mit einer erhöhten Empfindlichkeit, Kränkbarkeit und Verletzbarkeit, die stets in Sorge um ihr Prestige sind.
Negatives Selbstwertgefühl
In den Begegnungen mit Menschen, welche ein vermindertes, gedrücktes oder negatives Selbstwertgefühl haben, können wir neben sozialen – scheinbaren oder tatsächlichen – Mängeln vor allem körperliche Diskrepanzen, sichtbare Organschäden, missgestaltetes Aussehen als grundlegende Ursachen feststellen. Die innere Reaktion der einzelnen Menschen auf ihr eigenes negatives Selbstwertgefühl ist jedoch eigenartigerweise konträr:
Resignation
Die einen resignieren, ihr Selbstwertgefühl ist gleichsam gelähmt bis zur vollkommenen Zerstörung des Bewusstseins ihres eigenen persönlichen Wertes. Diese Menschen sind kontaktscheu, selbstunsicher, gehemmt, verlegen, oft auch übertrieben bescheiden und schüchtern.
Überkompensieren des Selbstwertgefühls
Die anderen hingegen lehnen sich gegen das aufkeimende, niederdrückende Gefühl eines verminderten Selbstwertes auf und wählen den Weg der Kompensation, unter anderem durch ein besonders selbstbewusst erscheinendes Gehabe betonter Forschheit, eines besonders imponierenwollenden Gebarens, sogar der Anmaßung, der Rechthaberei oder ähnlicher Verhaltensmuster, jeweils nur um das eigene, negative Selbstwertgefühl vor der Mitwelt zu maskieren.
Sentimentale Charaktere
Es gibt darüber hinaus ein sentimentales Ichgefühl. Menschen mit sentimentalem Ichgefühl weiden und freuen sich an ihrem Gefühl verminderten Selbstwertes und genießen es gewissermaßen masochistisch. Ihr Leiden an ihrem negativen Gefühl ist ihnen Lebensbedürfnis und Lebensinhalt. Sie fühlen sich in der Haut ihres verminderten Selbstwertes vollkommen zufrieden und wohl.
Bedeutung für die kosmetische Praxis
Hat diese Differenzierung des Selbstwertgefühls auch eine Bedeutung für die Praxis? Diese Frage ist aufgrund vielfältiger Erfahrung zu bejahen. Wir haben festgestellt, das Selbstwertgefühl ist:
1 Geltungsbewusstsein mit dem Schwerpunkt der Anerkennung in der Umwelt.
2 Eigenwertgefühl vor sich selbst, vor dem eigenen Inneren.
Der Mensch und seine Umwelt
Wenn man die einzelnen Klientinnen danach fragt, aus welchen Motiven sie kosmetischen Rat und kosmetische Behandlung suchen, so geht aus ihren Antworten hervor, dass im Vordergrund der überwiegenden Zahl das Streben nach Wohlbefinden, Gesundheit, Entspannung und Pflege, nach dem Erlebnis, auf die Mitwelt schöner, gefälliger oder anziehender zu wirken steht. Dass dieses äußere Moment auch heute noch überwiegend stark betont wird, hat seinen Grund in der menschlichen Eigenart, dass wir gesellige Wesen sind, die unbedingt des Kontakts, der Resonanz, der Relationen zur Mitwelt bedürfen. Das Motiv des Geltungsstrebens überwiegt auch deswegen, weil für einen Teil der Menschen das Dekorative wichtig ist, wie man der Publizistik entnehmen kann. Aber daher kommt es eben, dass in der Öffentlichkeit nur das rein äußerliche Zurechtmachen bekannt ist, nicht die eigentliche BioKosmetik in ihrer umfassenden Bedeutung einer Gesundheitspflege von Haut und Körper und einer ästhetischen Pflege des Menschen zu einem gesunden, harmonischen Selbstwertgefühl. Es ist interessant und aufschlussreich, feststellen zu können, dass in zunehmendem Maße die Klientinnen, welche die heutige Kosmetik in ihren umfassenden drei Tätigkeitsbereichen kennen gelernt haben, nicht mehr nur wegen des bloßen Geltungsbewusstseins den Weg zur kosmetischen Behandlung suchen, um das beglückende und erhebende Gefühl eines in sich harmonischen Eigenwertes und Selbstvertrauens während und nach der Behandlung erleben und erfahren zu können.
Eigenwert und Selbstvertrauen
Dieses durch die Behandlung erweckte, gehobene Eigenwertgefühl wirkt wie ein belebender, erquickender Impuls für das Leben im Alltag.