Welt der Schwerter. E. S. Schmidt

Welt der Schwerter - E. S. Schmidt


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Gespräches zu bestimmen.

      Das tat sie auch. Sie griff nach einer Papierröhre und entrollte sie auf dem Tisch: eine Karte des Reiches, deren Enden sie mit Statuetten mythologischer Figuren beschwerte. »Ich möchte den Weg besprechen. Welche Strecke hattet Ihr Euch vorgestellt?«

      »Wir folgen der traditionellen Route über Atankaja«, er zeigte ihr die Stadt auf der Karte und ließ seinen Finger dann der Straße folgen. »Von dort nach Mirin, Gut Fengajahr und Liffim. Falls Ihr wünscht, können wir von Mirin aus Eure Familie besuchen, das würde kaum einen Tag Umweg bedeuten.«

      »Warum nehmen wir nicht diese Strecke?« Ihr Finger glitt über das Papier. »Sie erscheint mir viel kürzer.«

      »Über die Berge?« Er schüttelte den Kopf. »Die Pässe sind im Winter mit der Kutsche nicht befahrbar. Außerdem gibt es dort keine standesgemäße Unterkunft.«

      »Ich verstehe. Welche Unterbringung habt Ihr vorgesehen?«

      Sie war fordernd, aber sie respektierte vernünftige Argumente. Gut. »Es ist ein jahrhundertealtes Vorrecht einiger Häuser, die Akh’Eldash auf ihrer Brautreise zu beherbergen. Ich habe sie auf der Herreise bereits angewiesen, alles entsprechend vorzubereiten.«

      »Um welche Häuser handelt es sich dabei?«

      Er zählte ihr die Namen der Fürsten auf, die sie in den jeweiligen Städten beherbergen würden. »Unsere Gastgeber werden außerdem eine Zusatzeskorte für die jeweils nächste Wegstrecke stellen.«

      »Erwartet Ihr Schwierigkeiten?«

      »Nein. Es ist lediglich der Würde Eures Amtes angemessen.«

      Sie schwieg einen Moment lang, und er hatte den Eindruck, dass ihn hinter dem Schleier aufmerksame Augen musterten. »Ich habe gehört, dass an der Ostgrenze die Wachbesatzungen verstärkt wurden.«

      Es erstaunte ihn, dass sie über solche Dinge informiert war. Natürlich, der Tempel war ein Machtfaktor im Reich und die Priesterinnen wussten diese Macht zu bewahren, aber die Akh’Eldash war doch recht jung und gerade erst geweiht. Traditionell war sie nicht mehr als ein Instrument in den Händen der Schwesternschaft.

      »Das ist richtig«, sagte er. »Es gibt Hinweise darauf, dass Krolan der Fahle erneut seine Truppen mobilisiert.« Die Briefe der Priorin hatten zwar nichts völlig Neues enthalten, aber sie hatten doch deutlich gemacht, wie ernsthaft der König von Oneräa seine Kriegsvorbereitungen betrieb. Glücklicherweise war auch sein Vater in den vergangenen Monaten nicht untätig gewesen. »Noch ist Winter, Gesalbte. Es ist unwahrscheinlich, dass Krolan in den kommenden Tagen angreift. Anderenfalls hätte König Ruothgar Euch nicht holen lassen.«

      »Man führt im Winter keine Kriege?«

      »Nicht, wenn man bei Verstand ist, Gesalbte.«

      Sie schwieg abwartend. Also erklärte er es ihr.

      »Man würde die Truppen unnötigen Fährnissen aussetzen. Die Angreifer würden in ihren Zelten erfrieren, während unsere Leute sich in ihren Städten und Festungen wärmen könnten. Außerdem ist das Schanzen bei gefrorenem Boden kaum möglich.«

      »Ich verstehe.« Sie hob die Figurinen hoch, und das Papier rollte sich zusammen. »Wie viele Tage veranschlagt Ihr für die Reise?«

      »Fünf. Entsprechend mehr, wenn Ihr Eure Familie zu sehen wünscht.«

      »Die Schwesternschaft ist meine Familie. Ein Umweg ist unnötig.«

      Das hatte hart geklungen. Hegte sie einen Groll gegen die ihren, oder hatte sie sich schlicht damit abgefunden, dass ihr bisheriges Leben zu Ende war?

      »Wie Ihr wünscht.«

      »Wann erwartet Ihr mich morgen?«

      »Wenn es Euch genehm ist, möchte ich bei Sonnenaufgang aufbrechen.«

      »Einverstanden.« Sie nahm die Papierrolle auf. »Von meiner Seite wäre dann alles geklärt. Ich danke für Euer Kommen.«

      Tatsächlich? Keine Frage über Siluren oder den König? Keine über Hohenvarkas und die Art, wie man dort lebte?

      Sie bemerkte sein Zögern. »Besteht Eurerseits noch Klärungsbedarf, Erlaucht?«

      »Nein, ich ... dachte nur, Ihr hättet vielleicht noch andere Fragen. Fragen, die Euren zukünftigen Gatten betreffen.«

      Sie ließ das Papier sinken. »Da mir keine Wahl in der Angelegenheit bleibt, ist das unnötig. Ich ziehe es vor, mir meine eigene Meinung zu bilden, sobald ich Gelegenheit dazu habe.«

      Das verschlug ihm die Sprache. Für die Akh’Eldash schien diese Verbindung, die doch vom Zauber der Liebe umsponnen sein sollte, tatsächlich mehr eine Geschäftsbeziehung zu sein. Hatte die Göttin für Siluren tatsächlich eine so kalte, hartherzige Gefährtin gewählt?

      »Wie Ihr wünscht.« Er verneigte sich knapp und wandte sich zum Gehen. Die Zofe öffnete ihm, doch er blieb an der Tür stehen und drehte sich noch einmal zu der Akh’Eldash um. »Prinz Siluren ist ein guter Mann«, sagte er. »Er hat es verdient, dass Ihr ihm unvoreingenommen gegenübertretet.«

      »Das werde ich, Erlaucht, seid Euch dessen gewiss.«

      Er überlegte kurz, ob er noch etwas sagen sollte, entschied sich aber dagegen und verließ den Raum.

      ***

      Als der Graf endlich gegangen war, atmete Lynn auf. Was hatte er nur an sich, dass ihr Puls flatterte und ihre Beine zitterten? Sie hasste es, hasste sich selbst dafür, dass sie sich nicht unter Kontrolle hatte.

      »Ihr habt ihn ganz schön abgefertigt«, sagte Blinthe, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.

      »Die sollen gleich wissen, dass sie mich nicht herumschubsen können.« Lynn zog den Schleier vom Kopf und ließ sich auf den Stuhl fallen.

      »Und es interessiert Euch gar nicht, wie der Kronprinz so ist?«

      »Natürlich interessiert es mich, aber was wird mir sein Bote schon anderes sagen, als was man über einen Prinzen eben sagt?«

      Außerdem hatte Lynn bereits ihre neuen Rechte als Akh’Eldash genutzt, um bei Schwester Dregna, der Herrin über die Korrespondenz des Tempels, Erkundigungen über beide Brüder einzuholen.

      Siluren führte offenbar selbst einen Briefwechsel mit dem Tempel. Seine klare, geschwungene Schrift wirkte fast feminin, und auch der Inhalt war befremdlich unmännlich. Offenbar tauschte er sich mit Schwester Felingra über die Wirkung und den Anbau von Kräutern aus, und philosophierte mit Schwester Grathania über die Gleichheit der Menschen trotz verschiedener Stände. Immerhin schrieb er präzise und verständlich.

      Im Volk bestand noch keine Einigkeit über den Beinamen, den man ihm zulegte. Manche nannten ihn Siluren den Zauderer oder sogar noch unverblümter Prinz Hasenfuß. Bei anderen trug er den Beinamen der Gutherzige. Immerhin das ließ hoffen. »Ich habe genug Lobhudeleien über Prinzen, Erbgrafen und Junker gehört. Sie sind doch alle gleich.«

      »Graf Thul ist anders«, sagte Blinthe leise. Offenbar hatte der Mann sie beeindruckt.

      »Natürlich. Er ist ein Bastard.« Lynn benutzte mit Absicht das hässliche Wort. Das Wort, das ihn herabwürdigen sollte, ihn verächtlich machen. Seltsamerweise tat es das nicht. Es umgab ihn im Gegenteil mit einer Glorie tragischen Heldentums.

      Wie entschlossen er für seinen Bruder eingestanden war – seinen Halbbruder. Den Mann, der alles hatte, was ihm selbst verwehrt bleiben würde, nur, weil er die falsche Mutter hatte. Dabei war er der Ältere von beiden. Und anscheinend der Beeindruckendere. Er führte zwar keine eigene Korrespondenz mit dem Tempel, aber auch von ihm hatte Schwester Dregna berichten können. Coridan der Kaltblütige, durch seines Vaters Gnaden Graf von Thul, war ein Turniersieger und ein Kriegsheld. Trotz seiner Jugend hatte er schon zu einigen Gelegenheiten ein eigenes Regiment in eine Schlacht geführt, und offenbar hatte er vor drei Jahren bei der Rückeroberung Carondims eine bedeutende Rolle gespielt, hatte den Sieg möglich gemacht, weil er unerschütterlich geblieben war, wo andere längst den Kopf verloren


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