Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов
Bildung. (2) Das zweite Beispiel fokussiert den bilingualen Sachfachunterricht. Nach einer problem- und ideengeschichtlichen Rekonstruktion des Theoriediskurses unternimmt Stephan Breidbach (2007) eine bildungstheoretisch und bildungswissenschaftlich fundierte Theoriebildung zum bilingualen Sachfachunterricht, die als Basis für die Weiterentwicklung seiner Didaktik dienen soll. Auch die schon erwähnte und unten im Detail vorgestellte Arbeit von Baumgratz-Gangl (1990, s.u.) ließe sich hier verorten.
7 Vergleichende ÜberblicksforschungÜberblicksforschungvergleichendeen
Vergleichende Überblicksforschungen bezeichnen Arbeiten, deren Forschungsgegenstand vorhandene Studien, wissenschaftliche Publikationen und Theorieansätze sowie Lehr- und Lernmaterialien sind, die unter einer spezifischen Fragestellung systematisch analysiert werden; existente Forschung wird unter einer neuen Perspektive kritisch gesichtet. Beispiele für diesen Typus theoretischer Forschung liefern die Studien von Barbara Schmenk Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs (2008) und die Referenzarbeit Geschlechtsspezifisches Fremdsprachenlernen? Zur Konstruktion geschlechtsspezifischer Lerner- und Lernbilder in der Fremdsprachenforschung (2002, 2009, Referenzarbeit, s. Kap. 7). Die interdisziplinäre Anlage, Fragen der Textauswahl und ihrer Systematisierung sowie die qualitativ-interpretative Herangehensweise als auch forschungsmethodologische Implikationen vergleichender Überblicksforschungen werden dort transparent dargestellt. Exemplarisch ist ferner die Studie von Leo Will (2018), denn sie liefert eine systematische und umfassende Analyse des fremdspachendidaktischen Diskurses zur Authentizität, wie er sich seit den 1960er Jahren herausgebildet hat. Will berücksichtigt dabei wissenschaftliche Publikationen mit Schwerpunkt Englisch als Fremd- und Zweitsprache im englisch- und deutschsprachigen Raum.
3.2.2 Meilensteine theoretischer Forschung
Vier Meilensteine theoretischer Forschung in der Fremdsprachendidaktik werden nun vorgestellt, die zum einen aus unterschiedlichen Fachkulturen und Teilbereichen der Disziplin stammen, zum anderen einige Funktionen und Arbeitsweisen solcher Forschung verdeutlichen und die sich schließlich durch ihre Bezugnahme auf affine Wissenschaftsdisziplinen zumindest teilweise unterscheiden.
1 „Das Verstehen literarischer Texte“: Literaturwissenschaft und Rezeptionsästhetik
Ein prägnantes Beispiel theoretischer Forschung liefern die Arbeiten Lothar Bredellas, die zur Konstitution der Literaturdidaktik als noch junger, eigenständiger Teildisziplin der Fremdsprachendidaktik beitrugen (Bredella 1976, 1980, 2002, 2004). Bredella erörtert die Bedeutung literarischer Texte für das Lernen von Fremdsprachen aus der Perspektive des Verstehensprozesses, den er vor allem in kritischer Auseinandersetzung mit den literaturtheoretischen Positionen des New Criticism entfaltet. Nicht die textimmanente Interpretation des für sich selbst sprechenden Kunstwerks, sondern die Sinnbildung durch Lesen und Deuten rücken in den Vordergrund. Bezugspunkte sind die philosophische Hermeneutik (Gadamer) und die literaturwissenschaftliche RezeptionsästhetikRezeptionsästhetik der Konstanzer Schule (Iser, Jauß). Mit der expliziten Fokussierung auf den Vorgang der Rezeption zeigt Bredella, dass literarische Texte eine authentische Kommunikationssituation im Klassenzimmer schaffen helfen, weil sie Lernende zu Deutungen und Stellungnahmen herausfordern. Indem Bredella dem Vorverständnis, den subjektiven Wahrnehmungen und Reaktionen der Lernenden im Rezeptionsvorgang ein eigenes Gewicht gegenüber dem Text zuweist, eröffnet er ein Feld für pädagogisch bedeutungsvolles Handeln, für Lernerorientierung. Gleichzeitig betont er jedoch die besondere Gestalt des literarischen Textes. Aus diesem Grund weist er subjektivistische Rezeptionsmodelle, die die Zeichenhaftigkeit und formale Gestalt des Textes ausblenden und seine besondere Qualität damit entwerten, entschieden zurück (Bredella 2002). Bredella versteht deshalb auch den Verstehensprozess als dialogisch, als Interaktion zwischen Leser und Text, die unter den institutionellen Bedingungen von Lehren und Lernen immer sozialer Natur ist und die Lehrkraft als Dialogpartner einschließt.
Aus der Fokussierung auf den Verstehensprozess leitet Bredella zwei zentrale Aufgaben für die Literaturdidaktik ab. Zum einen geht es um die Auswahl herausfordernder und bedeutungsvoller literarischer Texte für den unterrichtlichen Diskurs, zum anderen um die Entwicklung und Erprobung angemessener Verfahren, die die Leser-Text-Interaktion im Klassenzimmer ermöglichen. Beiden Aufgaben stellt sich Bredella in seinen Arbeiten, indem er zahlreiche literarische Texte im Hinblick auf ihr Interaktionspotenzial exemplarisch deutet und unterrichtsnahe Handlungsoptionen skizziert.
2 „Das Spiel der Texte und Kulturen“: Kultur- und Textwissenschaft
Text- und diskurstheoretische Überlegungen, insbesondere eine Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Intertextualität, führen Hallet zur Modellierung des fremdsprachlichen Klassenzimmers als „hybriden“ Raum (Hallet 2002: 48), in dem „Texte und Diskurse aus verschiedenen kulturellen Sphären in ein wechselseitiges Zusammenspiel treten“ (ebd. 54). Fremdsprachenunterricht wird als eine eigenkulturelle Diskurssphäre markiert, als kultureller Handlungsraum, in dem vielfältige kulturelle Stimmen wahrnehmbar werden können, die den Lernenden Gelegenheit bieten, eigene Überzeugungen und Wahrnehmungsmuster zu erkennen, zu hinterfragen und möglicherweise zu modifizieren. Dialogische Aushandlungsprozesse unter Nutzung der Fremdsprache sind wesentliches Merkmal der unterrichtlichen Diskurssphäre, Lernende werden als (inter)kulturelle Aktanten (ebd. 34) und diskursive Mitspieler begriffen. Hallet erörtert das didaktische Potenzial von Intertextualität in doppelter Weise. Zum einen thematisiert er die Zusammenstellung von Materialien als Textensembles, zum anderen das intertextuelle Arbeiten und die Rolle lerneraktivierender Verfahren. Beide Perspektiven führen ihn zu einer Neubewertung von MaterialentwicklungMaterialentwicklung im weiteren Sinne und somit zu einer Neubestimmung der Aufgaben der Textdidaktik.
Hallet konkretisiert sein Modell und dessen Implikationen für die Materialentwicklung auf der einen und die Strukturierung des Lern- und Begegnungsraums auf der anderen Seite durch verschiedene Unterrichtsmodelle und Unterrichtsreihen, die das Zusammenspiel von literarischen Schlüsseltexten als Teil komplexerer Textensembles und den diskursiven Zugriffen im Klassenzimmer weiter differenzieren. Die Möglichkeiten der Kontextualisierung literarischer Texte durch andere Textsorten sowie das Potential gattungstypologischen Arbeitens mit einer klaren Orientierung auf thematisch relevante Diskurse werden unterrichtsnah mit Beispielen erörtert.
3 „Persönlichkeitsentwicklung und Fremdsprachenerwerb“: Landeskundedidaktik
Gisela Baumgratz-Gangls Forschungsarbeit (1990) ist in den engagierten bildungspolitischen Diskussionen der 70er und 80er Jahren situiert, die auf die Expansion des europäischen Binnenmarktes folgte und der damit gegebenen größeren Mobilität seiner Bürger. Sie nimmt Bezug auf eine ganze Reihe deutsch-französischer Bildungsprojekte. Letztere galten sowohl der Entwicklung von Unterrichtskonzepten für den Französischunterricht der Sekundarstufe I und II, der Lehrerfortbildung durch erlebte Landeskunde und vor allem der Förderung deutsch-französischer Austauschaktivitäten, die von Korrespondenzprojekten über Studienfahrten bis hin zum Schüleraustausch reichten. Baumgratz-Gangl entwickelt einen theoriegeleiteten Zugriff auf diese Erfahrungen, ohne sie allerdings empirisch auszuwerten. Ausgehend von der Annahme, dass der schulische Fremdsprachenunterricht einen „wichtigen Beitrag zur Verbesserung transnationaler und internationaler Kommunikation leisten“ kann, „wenn es gelingt, die Schüler für andere Menschen, ihre Gefühle, Gewohnheiten, Wünsche und Lebensbedingungen zu interessieren“ (ebd. 28), erörtert Baumgratz-Gangl Ergebnisse der Sozialisationsforschung, insbesondere psychosoziale Faktoren der Subjektkonstitution, um zu bestimmen, welche Persönlichkeitsentwicklung bei Schülerinnen und Schülern gefördert werden muss, damit sie befähigt werden, sowohl die Herausforderungen transkultureller Mobilität (etwa Erfahrungen der Fremdheit und Entfremdung) zu meistern als auch die Chancen zum Lernen von und mit anderen selbstbewusst zu ergreifen. Der Tätigkeitstheorie von Galperin folgend skizziert Baumgratz-Gangl Dimensionen einer relationalen Sprach- und Landeskundedidaktik, die nicht primär das Ziel verfolgt, Wissen zu vermitteln, sondern auf die „Qualifizierung der Persönlichkeit für den zwischenmenschlichen Umgang mit Angehörigen der anderen Gesellschaft und Kultur, bzw. anderer Gesellschaften und Kulturen“ (ebd.