Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов
und Praxis in der Forschung untrennbar miteinander zu verbinden (zum Verhältnis von Theorie und Praxis s. auch Kap. 6.2). Beide Designs verfolgen das Ziel, die jeweiligen Aktionsfelder weiterzuentwicklen, wobei in der Aktionsforschung die Praxisperspektive überwiegt. In solchen Projekten erforschen, im Gegensatz zu DR-Studien, i.d.R. Lehrkräfte ihren eigenen Unterricht oder andere Akteur*innen ihr pädagogisches Handlungsfeld und werden dabei nicht zwangsläufig durch Wissenschaftler*innen unterstützt. Außerdem stehen in von Lehrer*innen initiierten Projekten der Aktionsforschung unterrichtspraktische Fragen im Mittelpunkt, während DR-Studien über die Entwicklung und Erprobung von Lehr-Lern-Arrangements und die Untersuchung von deren Wirkung auf den Lernprozess hinaus auch immer die Generierung eines Theoriebeitrags zum Ziel haben.
Grundgedanke bei der Aktionsforschung ist die Vorstellung von Lehrer*innen als reflektierende Praktiker*innen, die aktiv und systematisch ihren Unterricht erforschen und im Forschungsprozess verändern. Aktionsforschung kann in unterschiedlichen Kontexten angewandt werden: als Instrument der Aus- und Fortbildung (z.B. Benitt 2015; Bergfelder-Boos 2018), als Verfahren, um (selbstbestimmt) den eigenen Unterricht weiterzuentwickeln, als Verfahren zur Unterrichts- und Schulentwicklung (vgl. Weskamp 2003), als Schulbegleitforschungsprojekt für die Konkretisierung und Erprobung bildungspolitischer Innovationen (z.B. Abendroth-Timmer 2007; Bechtel 2016), als Instrument zur Implementation von Forschungsergebnissen in der Praxis (vgl. Feldmeier 2014: 257) sowie als Instrument zur Erprobung und ggf. Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis (z.B. Even 2003; Jäger 2011; Lamsfuß-Schenk 2008; Müller-Hartmann/Schocker/Pant 2013; Raith 2011; Schart 2008; Schreiber 2010). Normalerweise werden die Ergebnisse von Aktionsforschungsprojekten nur im letzten Fall veröffentlicht, die anderen stehen der Öffentlichkeit zumeist nicht zur Verfügung.
Die Aktionsforschung folgt auch in weiteren Aspekten nicht unbedingt den traditionellen Kriterien wissenschaftlicher Forschung bzw. definiert sie teilweise neu (vgl. Altrichter 1990; Altrichter/Feindt 2011: 214–215):
Die traditionelle Trennung von Forschung und Entwicklung wird in einem Prozess, in dem Forschung und Entwicklung einander bedingen, aufgehoben.
Ähnlich wie im FST (s. Abschnitt 2) werden Praktiker*innen als Akteur*innen des Forschungsprozesses angesehen.
Die Forschung ist als längerfristiger, zyklischer Prozess angelegt, innerhalb dessen – i.d.R. ausgehend von einem Praxisproblem z.B. im Unterricht, in der Lehrpersonenbildung oder in der Schulentwicklung – theoretische Annahmen zur Veränderung der Praxis im praktischen Handeln überprüft werden und nach erneuter Reflexion in revidierten Praxisvorschlägen bzw. Veränderungen der theoretischen Annahmen münden (vgl. auch die Darstellung in Burns 2010: 9).
AktionsforschungAktionsforschung versucht der Komplexität der Praxis durch den Einbezug möglichst unterschiedlicher Forschungsinstrumente (i.d.R. (Selbst-)Beobachtungen und Befragungen) und Perspektiven (im Fall von Unterrichtsveränderung neben beteiligten Lehrer*innen und ggf. universitären Forscher*innen z.B. Schüler*innen, Kolleg*innen, studentische Beobachter*innen) gerecht zu werden.
Viele Aktionsforschungsprojekte werden als Gemeinschaftsprojekte durchgeführt. Neben forschungspraktischen Gründen wird dies der Vorstellung von professionellem Lernen als sozialem Lernen gerecht.
Dadurch, dass Aktionsforschung in soziale Praktiken eingreift, kann sie nicht wertneutral sein.
Die traditionellen, am quantitativen Paradigma ausgerichteten Vorstellungen von ObjektivitätObjektivität, ReliabilitätReliabilität und ValiditätValidität werden neu definiert bzw. ersetzt durch Multiperspektivität, praktische Erprobung und ethische Kriterien, z.B. der Vereinbarkeit mit pädagogischen Zielen.
Aktionsforschung in der Fremdsprachendidaktik
Praktische Anleitungen zur Planung, Durchführung und Auswertung von Aktionsforschungsprojekten finden sich z.B. in Altrichter/Posch/Spahn (2018), auf den Fremdsprachenunterricht fokussierte Anleitungen und Beispiele in Burns (2010), Feldmeier (2014) und Wallace (1998).
Aktionsforschung zählt inzwischen zu einem in der Fremdsprachendidaktik anerkannten prototypischen Design. Auffällig ist, dass alle aufgeführten Arbeiten entweder von universitären Wissenschaftler*innen begleitet wurden oder das Aktionsforschungsprojekt Gegenstand der eigenen Qualifikationsschrift war. Insbesondere für Nachwuchswissenschaftler*innen, die parallel als Fremdsprachenlehrkräfte tätig sind, scheint es sich um ein attraktives Forschungsdesign zu handeln, mit dem sie die beiden beruflichen Felder verbinden können.
So stellte sich Jäger (2011) aufgrund der Beobachtung, dass sich viele Lehrkräfte mit der Entwicklung interkultureller Kompetenzen im Englischunterricht schwertun, die Frage, welche Aufgaben sich dazu besonders gut eignen und unter welchen Bedingungen sie ihr Potenzial am besten entfalten können. Dazu entwarf sie unter Rückgriff auf Forschungen und Erfahrungsberichte zum interkulturellen Lernen, zum aufgabenorientierten Ansatz, zur Literaturdidaktik und zur Dramenpädagogik einen theoretischen Rahmen für die Erstellung von Aufgaben. In ihrem Aktionsforschungsprojekt erprobte sie sodann die für den Jugendroman „Bend it like Beckham“ von ihr entwickelten Aufgaben in drei Realschulklassen, wobei sie im ersten Durchgang selbst unterrichtete und aufbauend auf den gemachten Erfahrungen aus diesem ersten sowie dem darauffolgenden Durchlauf die Aufgaben schließlich veränderte. Als Forschungsinstrumente setzte sie Forschungstagebuch, teilnehmende Beobachtung, Video- und Audioaufnahmen der Unterrichtsstunden, die schriftlichen Unterrichtsprodukte und retrospektive Leitfadeninterviews sowie Fragebögen ein (Jäger 2011: 180–189). In der engen Zusammenarbeit mit den beteiligten Lehrkräften, Schüler*innen und den (je nach Zyklus wechselnden) begleitenden Studierenden entstand eine Gemeinschaft von Forscher*innen, die den Prozess des Unterrichtens, der Datenerhebung und -auswertung gemeinsam durchführte bzw. beobachtete und dadurch eine Vielperspektivität sicherstellte, die sich in den dichten Beschreibungen und den detaillierten Analysen der einzelnen Unterrichtssequenzen niederschlägt.
4.2.4 Design Research oder Educational Design Research
Im englischsprachigen Kontext wird mit Blick auf Unterrichtsforschung von Educational Design Research oder Design Research in Education gesprochen. Damit wird eine Unterscheidung zu anderen designbezogenen Disziplinen wie Architektur, Informatik usw. angestrebt. In den allermeisten Publikationen wird aber für den Fall, dass der Kontext eindeutig ist, der Bezug zum educational context weggelassen. Daher ist im Folgenden von Design Research (DR) die Rede. Der im deutschsprachigen Raum häufig verwendete Begriff Design-Based-Research soll die Verflechtung der beiden Begriffe „design“ und „research“ veranschaulichen: Das Design wird forschungs- bzw. theoriebasiert entwickelt, die Forschung wiederum wird designbasiert durchgeführt.
Eine der ersten, die den Designbegriff in die Lehr-Lernforschung eingeführt hat, war Brown mit der Idee des „design experiments“ (Brown 1992), später wurde dann von „design studies“ oder „design research“ gesprochen (zur Geschichte des Designbegriffs vgl. Grünewald et al. 2014a, zur Historie des DR-Ansatzes vgl. Bakker 2019: 23–34.). Zugrunde lag das Bedürfnis nach einem Forschungsansatz, der Lernphänomene nicht in Labors, sondern in realen Unterrichtssituationen untersucht. Die Entwicklung eines Designs im DR-Ansatz kann z.B. der systematisch dokumentierten Entwicklung eines Lehr-/Lern-Arrangements entsprechen, bei der Materialien, Werkzeuge, Aufgaben, methodische Entscheidungen und alle anderen dazugehörigen Aktivitäten und Dokumente gegenstandsbezogen so zusammengestellt werden, dass das Ensemble geeignet ist, einen Lernprozess zu initiieren oder einer konkreten Herausforderung aus der Praxis zu begegnen. Schließlich finden sich zahlreiche weitere Bezeichnungen dieses Forschungsansatzes (z.B. fachdidaktische Entwicklungsforschung). Ihnen allen gemein sind die folgenden Chrakteristika (vgl. van den Akker/Gravemeijer/McKenney/Nieveen 2006; Cobb et al. 2003):
Interventionsorientierung: Design Research hat zum Ziel, unterrichtspraktische Fragestellungen unter realen Bedingungen weiterzuentwickeln, daher sind Interventionen im Forschungsfeld notwendig und wünschenswert.
Theorieorientierung: Nicht nur die Entwicklung des Designs erfolgt