Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов
(lokale) Theorien über Lernprozesse und Designelemente zu generieren.
Praxisorientierung: Der Startpunkt eines DR-Projektes kann entweder eine theoretisch begründete Annahme oder eine konkrete, von den Akteur*innen der schulischen Praxis wahrgenommene Problemlage sein. In beiden Fällen zielt DR auf der Basis eines theoretischen Konzepts auf die (Weiter-)Entwicklung von Lehr- und Lernarrangements in der Unterrichtspraxis und die Generierung bzw. Weiterentwicklung eines theoretischen Beitrags. Dieser muss sich in der Praxis bewährt haben (ökologische ValiditätValiditätökologische).
IterativitätIterativität und Zyklusgebundenheit: Die Design-Konzeption, die Design-Erprobung und die retrospektive Analyse sowie Reflexion erfolgen in iterativen Zyklen.
Prospektivität und Reflexivität: Dem auf theoretischer Grundlage entwickelten Design liegen Annahmen über den Einfluss des Designs auf den Lernprozess zugrunde. Mit der Analyse und Reflexion der Design-Erprobung werden retrospektiv Abweichungen zwischen den Annahmen und den tatsächlich beobachteten Lernprozessen erkannt; diese können zur Optimierung des Designs beitragen.
In Bezug auf die kontroverse Diskussion um Theorie und Praxis in der Fremdsprachendidaktik ist als besonders wichtiges Merkmal von DR hervorzuheben, dass der Forschungsansatz nicht von der Praxis losgelöst ist, sondern die enge Verzahnung von Theorie und Praxis zum tragenden Merkmal der Methodologie deklariert. Das Ziel ist es, unterrichtspraktische Designlösungen für real existierende Herausforderungen zu schaffen, diese Lösungen einer sorgfältigen Analyse, Reflexion und Überarbeitung zu unterziehen und wesentliche Beiträge zur Lerntheorie zu leisten. Theorie und Praxis werden nicht als getrennte und sequentiell zu bearbeitende Entitäten betrachtet. Vielmehr wird die Umsetzung des Designs in der Praxis als unabdingbar für Theorieentwicklung im Bereich des Lehrens und Lernens gesehen (Lehmann-Wermser/Konrad 2016).
Der iterative Verlauf einer Design Research-Studie nach dem Bremer Modell (Peters/Roviró 2017), das explizit auch eine fremdsprachendidaktische Ausrichtung von DR beschreibt, verläuft in wiedererkennbaren Strukturen (s. Abb. 1): Der dem iterativen Design-Zyklus vorgelagerte Design-Kontext wird definiert als eine Herausforderung in der Unterrichtspraxis, die auf theoretischer Grundlage bestimmt wird, oder als eine aus der unterrichtlichen Praxis beschriebene Problemstellung. Der Design-Kontext definiert also den Lehr-Lern-Kontext und beschreibt diesen unter Heranziehung theoretischer Grundlagen und fachdidaktischer Theorien. Auf dieser Basis erfolgt der Einstieg in den iterativen ProzessProzessiterativer durch die Bestimmung des Design-Gegenstands. Die fortlaufende Strukturierung und Spezifizierung des Design-Gegenstandes enthält alle für die Entwicklung des Lehr-Lern-Arrangements wichtigen Merkmale, die unter Rückbezug auf Theorien ebenso festgelegt werden, wie die Zielsetzung der Studie.
Den nächsten Schritt bildet die Design-Konzeption. Basierend auf dem Design-Kontext und der Spezifizierung des Design-Gegenstands werden Hypothesen zur Wirkung von Design-Elementen auf den Lernprozess formuliert und Design-Prinzipien entwickelt. Diese sind Teil der Theorie zu Lehr-Lernprozessen und bilden wichtige Orientierungen für das entwickelte Design (vgl. Prediger et al. 2012: 454), weisen aber über das spezifische Design hinaus. Die Design-Prinzipien im Sinne von Erkenntnis- und Handlungsprinzipien bilden den Ausgangspunkt für die Übertragbarkeit des Designs auf andere unterrichtliche Siuationen (lokale Theorie). Im ersten Zyklus werden sie meist aus der Theorie abgeleitet, mit fortschreitendem Forschungsprozess werden sie aus den Ergebnissen der Analyse und Reflexion der Design-Erprobung spezifiziert. In weiteren Zyklen erfolgt die schrittweise Optimierung und Ausdifferenzierung des Lehr-Lern-Arrangements. Im letzten Schritt des Zyklus wird die Umsetzung des Designs in Form eines Lehr-Lern-Arrangements vollzogen. Das Design und dessen Umsetzung werden analysiert und reflektiert. Die Ergebnisse dieses Prozesses sind die Grundlage für das erneute Durchlaufen des Zyklus, so lange, bis eine mehr oder wenige gesättigte Datenlage eintritt und die Design-Prinzipien in immer wieder anderen Lernsituationen funktionieren. Auf dieser Grundlage können dann ein Referenzdesign und eine lokale Theorie (Design-TheorieDesign-Theorie) beschrieben werden, die als Modell in der Praxis umsetzbar sind.
Bremer Modell zum Design Research-Prozess, Bearbeitung Andreas Grünewald
Design Research in der Fremdsprachendidaktik
DR wurde im deutschsprachigen Raum vor allem in der Mathematikdidaktik bekannt. Der DR-Ansatz erfährt eine kontinuierliche Weiterentwicklung beispielsweise in der Fremdsprachendidaktik (Grünewald et al. 2014a, 2014b, 2019; Gödecke 2020). Anleitungen und Beispiele zur Umsetzung der Design Research-Methodologie in der Fremdsprachendidaktik finden sich beispielsweise in Peters/Roviró (2017), Bakker (2018) und McKenney/Reeves (2019).
Als Anwendungsbeispiel wird im Folgenden die DR-Studie von Gödecke (2020, Referenzarbeit, s. Kap. 7) skizziert. Der Design-Kontext dieser Studie bezieht sich auf die Praxisphasen der Fremdsprachenlehrkräfteausbildung, in dessen Rahmen Studierende eigenständig Fachunterricht planen, umsetzen und reflektieren. Da Studierende aufgrund mangelnder Erfahrung oftmals nicht wissen, was und wie sie reflektieren können, entwickelte Gödecke (2020) im Rahmen ihrer DR-Studie ein e-Portfoliokonzept (= Design-Gegenstand), das Französisch- und Spanischstudierende dazu anleitet, fachspezifische Reflexionsprozesse systematisch zu vollziehen. Das e-Portfolio wurde umgesetzt, empirisch untersucht (= Design-Erprobung) sowie zyklisch weiterentwickelt. In seiner finalen Version (= Referenzdesign) besteht es aus Aufgaben, die fachdidaktisches Wissen und Können in Bereichen wie Differenzierung, Diagnose oder Spracherwerb fördern und in Prozesse der Unterrichtsplanung, -umsetzung und -reflexion eingebunden sind. Darauf aufbauend formuliert Gödecke (ebd.) gemäß des DR-Ansatzes auf der Forschungsebene eine lokale Theorie zu gegenstandsspezifischen Lernprozessen (= Reflexionsprozessen); der theoretische Beitrag der Studie besteht demnach in der Definition fachspezifischer Reflexionskompetenz und der Entwicklung eines dazugehörigen Reflexionsmodells (= lokale Theorie). Die Studie zeigt exemplarisch, dass DR als methodologischer Rahmen offen ist für unterschiedliche Forschungsverfahren und vielfätige methodische Arrangements.
4.2.5 Fazit
Die jeweils hohe Anzahl an Studien, die methodisch auf die hier vorgestellten komplexen Forschungsdesigns zurückgreifen, deutet darauf hin, dass es sich hierbei um für fremdsprachendidaktische Forschung besonders attraktive methodologische bzw. methodische Rahmungen handelt. Dies könnte mit bestimmten Spezifika fremdsprachendidaktischer Forschung (s. Kap. 2) zusammenhängen: So ist es mit FallstudieFallstudien besonders gut möglich, die Komplexität fremdsprachlicher Lehr-/Lernprozesse zu berücksichtigen. Auch scheint dieses Design der Tatsache entgegenzukommen, dass fremdsprachendidaktische Qualifikationsarbeiten i.d.R. als Einzelprojekt geplant und durchgeführt werden. In Fallstudien werden zumeist mehrere Fälle (Subjekte, Lerngruppen, institutionelle Kontexte) vorgestellt, so dass auf diese Weise nicht nur die Vielschichtigkeit, sondern auch die Vielperspektivität fremdsprachendidaktischer Realitäten abgebildet werden kann.
Das FSTForschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) als Ansatz zur Erforschung der Binnensicht von Subjekten spiegelt zum einen die hohe Bedeutung, die den Akteur*innen fremdsprachlicher Lehr-/Lernprozesse als Subjekten bzw. Individuen in der fremdsprachendidaktischen Forschung zukommt. Zum anderen ermöglicht das Forschungsprogramm wie der Ansatz der Fallstudien, die Komplexität und Unterschiedlichkeit subjektiver Vorstellungen sichtbar zu machen. Die enge Variante des FST erlaubt darüber hinaus, das Handeln der untersuchten Personen in den Blick zu nehmen, und bietet damit eine – wenn auch nicht unumstrittene – Möglichkeit Theorie und Praxis zu verbinden.
Dies ist ebenfalls das Anliegen der AktionsforschungAktionsforschung, wobei dieser Ansatz bewusst über das Verstehen von Praxis hinausgeht und explizit auf ihre (forschende) Veränderung abzielt. Dies geschieht ebenfalls in Form von Fallstudien, wobei den im Lehr-/Lernprozess handelnden Akteur*innen eine Schlüsselrolle zukommt. Häufig geht es um das Beobachten, Erfassen und Verändern methodischer Entscheidungen des unterrichtlichen Handelns. Zudem wird in diesem Ansatz – wie auch im Educational Design Research – das zentrale Anliegen jeglicher fremdsprachendidaktischer Forschung, direkt oder indirekt auf eine Verbesserung des Fremdsprachenlernens hinzuwirken,