Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall). Michael Wagner J.

Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall) - Michael Wagner J.


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fragte Wendt bestürzt.

      „Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, sorry. Sie sind kein Angehöriger. Ich habe schon gegen meine strikten Anweisungen gehandelt“, sagte sie und legte sofort auf. Wendt ließ die Hand mit dem Telefon sinken. „Was ist das denn für eine verfluchte Scheiße?“, fluchte er und warf das Telefon mit einem Schwung auf die Couch. Plötzlich bemerkte er jemanden neben sich, spürte eine sanfte Berührung an der Schulter. „Was ist denn Schatz? Ist etwas passiert?“, fragte Julia, seine Freundin. Wendt sah sie verstört an. „Der Bombenanschlag in Bonn … der Chef und Franziska Leck sind unter den Opfern. Beide sind schwer verletzt, liegen im OP. Die Frau von der Rezeption meinte, es stünde für sie besser als für ihn. Mensch, wenn denen was passiert!“, sagte er flüsternd, fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf.

      „Fährst du hin? Wissen die Kollegen Bescheid?“

      „Ich muss erst seinen Sohn Christoph informieren, dann die Kollegen“, antwortete er bewegt. Ließ die Hand über das Gesicht gleiten. „Irgendwann musste es uns ja hier treffen. Diese Scheiß-Salafisten … ich könnte das Pack in der Luft zerreißen!“

      „Steht denn schon fest, dass es ein islamistisch motivierter Anschlag war?“, fragte Julia Deutsch.

      „Wer denn sonst? Eine Einkaufspassage, eine Bombe, viele Opfer“, sagte Wendt irritiert. Sein Blick lag fragend auf dem Gesicht seiner zierlichen Partnerin.

      „Solange es kein Bekennerschreiben oder was Ähnliches gibt, kann man alles in Betracht ziehen, Jan. Sicher hast du recht, wenn du sofort an Salafisten denkst. Ist momentan das Nächstliegende, wenn irgendwo eine Bombe hochgeht“, versuchte Julia eine Erklärung.

      „Stimmt, ich bin total geschockt, Julia. Entschuldige bitte“, sagte er und umarmte sie.

      „Kümmere dich um die Kollegen und um Hells Sohn, ich sage die Verabredung für heute Abend ab“, sagte Julia und sah ihn mitfühlend an. Wendt stützte sich auf der Couch ab, um das Telefon aufzunehmen. Von der Einsatzzentrale erfuhr er, dass Christoph Hell erst am Abend Dienst hatte. Aufgewühlt wählte er danach die Nummer von Oliver Hells Sohn.

      *

       Bonn, Innenstadt

      Die Spezialisten vom Kampfmittelräumdienst verließen den Ort des Bombenanschlags. Ihnen folgten die Tatortermittler der Bonner KTU. Ihnen bot sich ein erschütterndes Bild. Die Schaufensterfassade der Boutique, vor der die Sprengsätze explodierten, war total zerstört. Auch die Fenster der benachbarten Geschäfte waren geborsten, das Pflaster war weiträumig aufgerissen. Die Scherben waren wie Geschosse umhergeflogen und hatten zahlreiche Menschen verletzt. Als Zeugen der Tragödie lagen blutige Kleidungsstücke, Einkaufstüten und andere Habseligkeiten der Opfer in der kleinen Straße ‚Dreieck‘ verteilt. Schweigend arbeiteten die Tatortermittler in ihren weißen Overalls, als Wendt und Klauk eintrafen. Betroffen sahen sich die beiden an.

      „Mensch, kein Wunder, dass es so viele Opfer gibt, das hier ist die engste Stelle in der Gasse“, meinte Klauk und sah sich nach einem bekannten Gesicht unter den KTUlern um. Er erkannte Constanze Nimmermann, die direkt vor dem völlig zerstörten Eingang einer Boutique kniete. Die Scherben der großen Fensterscheiben häuften sich auf dem aufgerissenen Pflaster, ein Teil davon war in den Verkaufsraum geschleudert worden. Die filigranen Aluminiumprofile, die zuvor die Scheiben gehalten hatten, ragten hilflos in alle Richtungen.

      „Hallo Conny, ist denn hier alles sicher?“, fragte er skeptisch und schaute an der Fassade des Hauses hinauf. Die Wucht der Explosion hatte die tragenden runden Betonsäulen, auf denen das Obergeschoss ruhte, zur Hälfte zerstört, das Stahlgerippe der Armierung ragte hervor. Die junge Frau erhob sich und nickte. Über ihr Gesicht flog ein kleines Lächeln, als sie ihn bemerkte, doch dann wurde sie wieder ernst.

      „Hallo Sebi, habt ihr schon gehört? Hell und seine Frau sollen unter den Opfern sein. Wisst ihr schon was?“, wollte sie wissen.

      „Sie sind im Krankenhaus, werden operiert. Nein, wir wissen noch nicht viel mehr. Jan-Phillip hat Hells Sohn angerufen, der ist sofort in die Klinik gefahren und informiert uns, wenn er etwas weiß.“

      „Hoffentlich geht es ihnen gut“, sagte sie besorgt.

      „Und hier? Habt ihr schon Spuren sichern können?“

      Sie stieß die Luft aus. „Siehst ja das Chaos. Die Spezialisten vom Bombenräumkommando gehen von zwei Sprengsätzen aus, die genau hier platziert gewesen sein müssen.“ Sie zeigte auf das aufgerissene Pflaster zu ihren Füßen. „Jemand hat wohl berichtet, dass hier zwei Blumenkübel gestanden haben sollen. Noch habe ich aber nichts davon gefunden.“

      „Würde ja passen. Man platziert die Sprengsätze darin und kann in aller Seelenruhe abwarten, bis die Straße richtig voll ist … und peng! Drecksschweine!“, stieß Klauk verärgert aus.

      „Was ja bedeuten würde, dass es jemand in der Nähe gab, der die Dinger ferngezündet hat“, mischte sich Wendt in das Gespräch ein. „Habt ihr schon was gefunden, das darauf schließen lässt?“

      Nimmermann schüttelte den Kopf. „Das dauert noch Stunden, bis wir hier fertig sind. Ich vermute, dass wir die ganze Nacht durcharbeiten werden. Falls es noch Reste der Sprengsätze oder der Zündvorrichtung gibt, dann können die hier überall sein“, gab sie bekümmert als Antwort. „Du denkst auch, dass jemand so kaltblütig gewesen ist, in der Nähe zu stehen und auf den Auslöser zu drücken?“, fragte Klauk seinen Kollegen. Wendt nickte mit verkniffenem Gesicht. „Da es kein Rucksackbomber war, ist das die nächstliegende Möglichkeit.“

      Klauks Gesichtsausdruck verriet seine düsteren Gedanken, dennoch arbeitete sein Gehirn bereits auf Hochtouren.

      „Vielleicht gibt es ja Touristen oder Passanten, die das Ganze gefilmt haben. Wir müssen eine entsprechende Meldung an die Presse und das Radio geben. Mit ganz viel Glück ist auf einem Video der Attentäter zu sehen … wenn einer tatsächlich hier war.“

      „Mach das, Sebi“, pflichtete ihm Wendt bei. Mit einem Mal sah er über die Schulter seines Kollegen hinweg und verzog seinen Mund. „Wir bekommen Besuch. Wenn das nicht die lieben Kollegen vom Staatsschutz sind.“

      *

       Bonn, Venusbergkliniken

      Christoph Hell erinnerte sich daran, wie er zuletzt seinen Vater im Krankenhaus besucht hatte. Das war Jahre her, fast hätte er denken können, dass es in einem anderen Leben gewesen ist. Seitdem war in seinem Leben viel passiert, er war seit ein paar Monaten als junger Polizist bei der Bonner Polizei. Als er das letzte Mal auf einem Flur saß und um das Leben seines Vaters bangte, war ihr Verhältnis nicht so berauschend, nein, eher grottenschlecht. Damals hatte er ein Drogenproblem, warf seinem Vater vor, sich nicht genug um ihn zu kümmern. Er hatte sogar versucht, das Haus seines Vaters anzuzünden. Doch in letzter Konsequenz hatte er dazu nicht den Mut gehabt. Was auf lange Sicht eine gute Entscheidung gewesen war. Er machte einen weiteren Entzug, kam wieder auf die Beine und irgendwann reifte in ihm der Entschluss, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Polizist zu werden. Nachdem er die Ausbildung auf der Polizeischule absolviert hatte, führte ihn seine erste Station nach Bonn. Dort kannte er sich aus. Böse Zungen unter seinen Kollegen warfen ihm allerdings vor, dass er sich unter die Obhut seines Vaters flüchtete. Das tat Christoph Hell nicht. Ganz im Gegenteil, er wollte sein eigenes Ding machen, ohne die Fürsorge seines erfolgreichen Vaters klarkommen.

      Doch jetzt saß er auf dem Flur der Intensivstation der Venusbergklinik und rieb nervös seine Handflächen aneinander ohne es zu bemerken. Sein Vater und dessen Partnerin Dr. Franziska Leck wurden noch immer operiert. Was ihnen genau zugestoßen war, wusste er nicht. Man hatte ihm nur mitgeteilt, dass beide schwere Verletzungen davongetragen hatten. Er überlegte, was man wohl bei einer Explosion erleiden konnte. Er hatte als junger Polizist keine Ahnung von Explosionsverletzungen, doch seine Phantasie schlug wilde Kapriolen. Als sich die große Tür mit der Aufschrift ‚Intensivstation‘ öffnete, sprang er sofort auf. Ein OP-Team kam auf ihn zu. Einer der Ärzte, ein müde aussehender grauhaariger Mittvierziger kam sofort auf ihn zu. „Ich darf Ihnen


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