Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall). Michael Wagner J.
empört und blieb stehen.
„Quatsch, nein. Aber die haben die größere Erfahrung. Möchtest du dich mit unseren Salafisten hier anlegen? Möchtest du bei den Rauschebärten ermitteln? Viel Spaß! Lass die das mal schön machen. Ich bin dankbar, dass ich mit denen nichts zu haben muss.“
„Aber die haben doch Scheuklappen. Was, wenn die jetzt nur in eine Richtung denken? Nur in eine Richtung ermitteln und Spuren übersehen, die vielleicht wichtig sind?“, protestierte Klauk und hielt sich die Hände seitlich an den Kopf.
„Nur weil es Idioten sind, heißt es doch nicht, dass sie unfähig sind, Sebi.“
„Aha. Und wenn doch?“, meinte Klauk, dessen Wut langsam abebbte.
„Dann vermasseln sie das und nicht wir. Bist du ehrlich scharf auf eine Terrorermittlung? Ich nicht, ganz ehrlich!“
Klauk atmete tief durch.
„Ich auch nicht. Ich will wissen, wer Hell und Franziska das angetan hat. Sonst nichts!“
„Da sind wir ja schon zwei. Lass uns ins Präsidium fahren und dort auf einen Anruf von Hells Sohn warten. Dann schauen wir weiter. Vielleicht hat uns Oberstaatsanwältin Hansen etwas Erhellendes zu berichten. Komm wieder runter, Sebi“, sagte er Wendt und legte ihm den Arm auf die Schulter.
„Ich habe nur eine Scheißangst um den Chef“, gab Klauk zu, blickte mit traurigen Augen zu Wendt herüber. „Ich auch, Sebi. Ich auch.“
*
Bonn, Universitätskliniken
Christoph Hell saß wie auf heißen Kohlen, rein bildlich gesprochen. Als er mitbekommen hatte, dass er alleine auf dem Flur vor der Intensivstation stand, überlegte er, was er jetzt alles zu erledigen hatte. Sofort fiel ihm etwas siedendheiß ein: Bond. Der Hund seines Vaters. Sie hatten ihn sicherlich daheimgelassen und das arme Tier war jetzt schon seit Stunden alleine zu Hause. Bond war ein sehr genügsamer Hund, aber wie jeder Vierbeiner hatte er mehrmals am Tag seine Bedürfnisse. Christoph Hell beeilte sich, zu seinem Auto zu laufen, das er weit draußen auf dem Parkplatz der Kliniken abgestellt hatte. Zwanzig Minuten später schloss er die Tür zum Haus seines Vaters auf, Bond eilte ihm schon in der Diele entgegen. Schnurstracks rannte der Malinois-Rüde an ihm vorbei, über die kleine Holzbrücke im Vorgarten und verschwand nach links hinter dem Carport in Richtung Straße. Eine halbe Minute später kam er zurück und ließ sich erst einmal kräftig von Christoph kraulen. Der kniete sich neben das Tier, umfasste dessen Hals und vergrub seinen Mund in Bonds dichtem Fell.
„Wir müssen jetzt ganz doll beten, dass es Herrchen und Frauchen bald wieder besser geht, hörst du?“, presste er hervor. Ohne dass er etwas dagegen tun konnte, rollten ihm heiße Tränen über die Wangen.
*
Bonn, Präsidium
Gegen 17:30 Uhr war das Team komplett im Besprechungsraum des K11 versammelt. Lea Rosin und Christina Meinhold saßen mit betroffenen Mienen am Tisch. Oberstaatsanwältin Brigitta Hansen und Staatsanwalt Pavel Retzar waren ebenfalls anwesend. Es herrschte ein bedrücktes Schweigen, weil man noch keine Neuigkeit aus der Bonner Klinik erhalten hatte. Die vom LKA befohlene Tatenlosigkeit ließ die Gedanken der vier Teammitglieder um den Gesundheitszustand ihres Chefs kreisen. Wendt versuchte, sich abzulenken. „Haben wir die Liste mit den Namen der Opfer?“
„Du willst trotzdem ermitteln?“, fragte Klauk.
„Ich will nicht ermitteln, ich will wissen, wer die Toten sind. Diese Tatenlosigkeit geht mir aufs Gemüt. Außerdem hätte ich gerne den Namen des Boutique-Besitzers, vor dessen Laden die Bombe hochging.“
„Ein paar Informationen. Das kann uns auch das LKA nicht verbieten, oder Frau Hansen?“, hakte Rosin nach.
Brigitta Hansen stand mit dem Rücken zum Fenster. „Solange wir keine offizielle Ermittlung anleiern, können wir in unserem Dezernat tun, was wir wollen. Wir dürfen nur den Kollegen vom LKA nicht auf die Füße treten.“
Sofort setzten sich Klauk, Rosin und Meinhold an ihre Rechner. „Ich übernehme die Opferliste“, informierte Meinhold ihre Kollegen.
„Und ich klopfe die Boutique-Besitzerin ab. Ihr Name ist Luana Oliveira, das klingt für mich südamerikanisch“, teilte Rosin mit, deren Finger schon über die Tastatur flogen.
„Warum nicht, wir sind doch eine internationale Stadt, Lea!“
„Was machen wir beiden?“, fragte Klauk.
„Ich würde vorschlagen, wir schauen, wo in der Nähe Überwachungskameras montiert sind. Was denkst du?“, fragte Wendt mit einem Seitenblick auf Retzar und Hansen. Die Staatsanwälte sahen sich fragend an.
„Wir haben nichts gehört von Ihrem Gespräch“, sagte Hansen und gab Retzar einen Wink. „Kommen Sie, wir haben sicher etwas zu tun und können unsere Kollegen hier in Ruhe arbeiten lassen.“ Retzar nickte. „Wenn Sie etwas über den Gesundheitszustand unseres Kollegen erfahren, bitte melden Sie sich sofort.“
Schweigend verließen sie das Büro des K11.
„Selten, dass die zwei einmal einer Meinung sind. Nehmen wir es so hin“, sagte Wendt und nahm den Hörer in die Hand.
„Wen rufst du an?“, fragte Klauk.
„Matze, wen sonst. Wenn einer inkognito und unter dem Schirm des LKA ermitteln kann, dann ist es doch unser kleiner Hacker, oder?“
„Richtig! Wer sonst“, stimmte ihm Klauk zu. So etwas wie ein kleines Lächeln flog über sein Gesicht. Das war sicherlich das Beste, was sie in dieser Situation tun konnten. Wenn sie sich nicht von Dausend und Grütters erwischen ließen. Immerhin war es schon bezeichnend, wenn die Bonner Staatsanwaltschaft wegschaute. Dennoch mussten sie vorsichtig sein.
*
Bonn, Innenstadt
Joussa Khamsine bog gerade aus der Georgstraße in die Michaelstraße ab. In Gedanken war er bei dem Sprengstoffanschlag in der Innenstadt. Wer hatte diese Bombe gezündet? Gab es außer ihrer Gruppe in Bonn noch eine weitere Gemeinschaft, die die Ungläubigen strafen wollte? Er fühlte sich unsicher. Es kamen ständig neue Glaubensbrüder hinzu, nicht zuletzt, seitdem die Grenzen aus Osteuropa geöffnet waren. Aber nicht alle verfolgten dieselben Ziele wie ihre Gruppe. Ihre Planungen waren bereits sehr weit, doch jetzt konnten sie noch nicht zuschlagen. Joussa sah sich um, denn ständig musste er auf der Hut sein vor den Fahndern des Staatsschutzes und den Beamten des LKA. Ihre Gruppe stand unter Beobachtung. Das war auch ein Grund, weshalb sie mit ihren Planungen noch nicht so weit waren wie gewünscht. Jederzeit mussten sie damit rechnen, dass die Moschee überwacht wurde, die Handys bespitzelt und ihre Telefonate abgehört wurden. Daher war größte Vorsicht geboten. Im Moment jedoch fühlte er sich sicher. Niemand folgte ihm. Langsam schlenderte er die Straße entlang. In einer halben Stunde würden sie sich treffen. Youssef, ihr Anführer und Vordenker, hatte sie zu einer Unterredung zusammengerufen. Vielleicht wusste er schon mehr über diejenigen, die den Anschlag verübt hatten. Über die, die ihnen zuvor gekommen waren. Viel zu spät bemerkte er, wie sich von hinten ein großer abgedunkelter Van näherte. Ehe er sich versah, wurde die Tür aufgerissen, zwei Männer packten ihn und zogen ihn mit kraftvollem Griff in das Fahrzeug. Man presste ihn auf die Sitzbank, fesselte seine Hände mit einem Kabelbinder. Einer der Männer warf ihm seinen Fez auf den Schoß, den er bei dem Handgemenge verloren hatte. Diese Kopfbedeckung war so etwas wie sein Markenzeichen. Die Seitentür fuhr mit einem Krachen zu und der Van schoss nach vorne. Joussa musste achtgeben, nicht zu straucheln, mit gefesselten Händen konnte er sich nicht festhalten. Nachdem er sich gefangen hatte, bemerkte er eine weitere Person in dem Van. Ihm gegenüber saß ein Mann in Uniform, der ihn mit zusammengekniffenen Augen fixierte.
„Guten Tag, Sie sind Joussa Khamsine?“, fragte der Uniformierte mit einer bellenden Stimme, doch Joussa antwortete nicht sofort. Ohne Zweifel befand er sich in der Hand der Polizei. Doch dieses Vorgehen war er nicht gewohnt. Sonst kamen sie vorbei und stellten höfliche Fragen. Dies hier sah aber eher nach