Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall). Michael Wagner J.

Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall) - Michael Wagner J.


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Sie, dass die Salafisten nicht wissen, dass sie beobachtet werden?“, fragte Rosin. „Doch das wissen sie. Doch sie wissen nicht von wem.“

      Jetzt mischte sich Brigitta Hansen in die Diskussion ein. „Wenn ich das alles zu einer Konklusion führen darf, fasse ich wie folgt zusammen: Die Kollegen hier halten die Füße still, und zwar so lange, bis Sie ihnen grünes Licht für ihre Mitarbeit geben. Ist das korrekt so?“

      Lanev und Bacak nickten ohne sich vorher angeschaut zu haben. „Bitte denken Sie nicht, dass wir Ihre Arbeit nicht zu schätzen wissen. Gerade das Team von Oliver Hell hat einen sehr guten Ruf. Aber wir können zum jetzigen Zeitpunkt die Ampel nur auf Rot stellen. Bitte haben Sie Verständnis dafür.“

      „Das haben wir“, antwortete Brigitta Hansen und hoffte, dass niemand von den Angesprochenen widersprechen würde. Mehr Mitarbeit war im Moment nicht zu erwarten. Ein allgemeines missmutiges Murmeln signalisierte so etwas wie Zustimmung.

      „Ich danke Ihnen, meine Herren für Ihre Offenheit und die Einführung ins Thema. Das war für uns alle sehr erhellend und wir wissen jetzt Ihre komplizierte Arbeit ein wenig mehr zu schätzen“, sagte Meinhold, die die ganze Zeit über geschwiegen hatte. So kannte man sie mittlerweile. War sie vor einigen Jahren noch ähnlich impulsiv wie Wendt, so hatte ihre Ausbildung zur Profilerin sie ruhiger und abwartender gemacht. Ihre Kollegen schenkten ihr dafür ein Lächeln.

      Lanev und Bacak erhoben sich und machten Anstalten zu gehen. Hansen stand auf und ging vor ihnen zur Glastür hinüber. „Ich begleite Sie noch zum Aufzug, wenn Sie erlauben“, schlug sie vor. Keiner widersprach ihrem Vorschlag.

      Als die drei Silhouetten hinter der Glasfront verschwunden waren, prustete Klauk laut los. „…wir wissen jetzt Ihre komplizierte Arbeit ein wenig mehr zu schätzen! Ich wusste gar nicht, dass du mittlerweile so diplomatisch sein kannst, Chrissi!“

      Meinhold verzog den Mund zu einem schelmischen Grinsen. „Was denn? Ich habe damit nur zum Ausdruck bringen wollen, dass sie eine schwere Bürde tragen. Zwischen den Zeilen kann man natürlich etwas anderes lesen … aber das würden nur böse Gesellen tun.“

      „Ich habe es so verstanden, dass sie sich nicht so aufspielen sollen“, sagte Rosin schmunzelnd. „Du bist ein böser Geselle, Lea!“

      Wendt gab den beiden Frauen ein Zeichen, näher an ihn heranzurücken. Dann sprach er betont leise, als hätten die Wände Ohren.

      „Scherz beiseite, Mädels. Sebi und ich waren eben bei Matze und wir haben eine Kamera gehackt, die den Explosionsort zeigt. Wir haben die Explosion gesehen, kurz zuvor Hell und Franziska Leck, wie sie sich dorthin bewegen. Ich kann euch sagen, das war echt übel. Aber das ist es nicht, was ich euch sagen will. Wir haben auf dem Video einen Mann vom Tatort weggehen sehen. Langsam und scheinbar unbeteiligt. Matze hat den Teil des Videos kopiert und will ihn vergrößern und bearbeiten. Wenn wir Glück haben, können wir jemanden erkennen.“

      Die beiden Frauen hingen an seinen Lippen, als wäre er Brad Pitt. Keine von beiden sagte etwas, nachdem er seine Erklärung beendet hatte. „Das sollten die beiden aber nicht erfahren“, entgegnete Rosin nach einer langen Pause.

      „Das sollte niemand wissen, auch nicht Hansen. Die reißt euch den Allerwertesten auf.“

      „Aber jetzt können wir die auf die Probe stellen. Wenn der Staatsschutz oder der Verfassungsschutz den Kerl auf dem Video kennt, wenn einer von denen ihm auf den Fersen war, dann haben wir unseren Attentäter!“, sagte Klauk begeistert.

      Meinhold sah ihn ernst an. „Und wenn der Ermittler unter den Opfern ist? Kennen wir die Namen von deren verdeckten Ermittlern?“, warf Meinhold ein. Sofort wich die kurz zuvor ausgebrochene Begeisterung einer ebenso großen Ernüchterung.

      „Scheiße, wir müssen sofort die Liste der Opfer überprüfen. Das wäre der Super-Gau, wenn der unter den Opfern wäre“, antwortete Klauk schmallippig und machte sich sofort an die Arbeit.

      „Hätten die uns das nicht verraten, wenn es so wäre?“

      „Würdest du das tun, Lea?“, fragte Meinhold und begab sich zurück an ihren Schreibtisch, wo die zum Teil unbearbeitete Liste mit den Namen der Verletzten und Toten lag. Sie reichte einige Blätter hinüber zu Klauk.

      Lea zuckte als Antwort nur mit den Schultern.

      *

       Bonn, Klinik

      Als Luana Oliveira erwachte, wusste sie nicht, wo sie sich befand. Sie lag in einem Bett, etwas hinderte sie am Sehen. Daher langte sie mit der rechten Hand an ihren Kopf und ertastete einen großflächigen Verband, spürte sofort ein Stechen in der linken Schulter. Vor Angst und Schmerz schrie sie auf.

      „Hallo Frau Oliveira, Sie dürfen sich nicht so schnell bewegen“, hörte sie jemanden sagen. Ganz nah bei ihr. Ihr Kopf fuhr herum in Richtung der Stimme.

      „Was? Wo bin ich? Wer sind Sie?“

      „Sie sind im Krankenhaus, mein Name ist Doktor Bertrand, ich bin ihre behandelnde Ärztin. Sie haben großes Glück gehabt, Frau Oliveira“, sagte eine andere Stimme. Glück? Was war passiert? Ihr Gehirn fühlte sich an wie in Watte gepackt. Plötzlich kam die Erinnerung zurück. Dieser fürchterliche Knall, berstende Scheiben, herumfliegende Splitter und ein erstickter Schrei. Mit der Erinnerung verbunden keimte eine schreckliche Vermutung in ihr auf.

      „Was ist mit Claudia? Ist sie unverletzt?“

      „Wer ist Claudia?“, fragte Doktor Bertrand.

      „Sie ist meine Angestellte … sie war vorne im Laden, als die Bombe hochging. Madre mia! Was ist denn passiert?“, entfuhr es ihr.

      Sie hörte, wie sich die beiden Stimmen gedämpft unterhielten, dann räusperte sich die Doktorin. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Frau Claudia Trenzen ihren Verletzungen erlegen ist.“

      Oliveiras Oberkörper begann zu zucken, dann brach sie in einen heftigen Weinkrampf aus. „Claudia, nein! Doch nicht Claudia! Sie hat doch niemandem etwas getan. Diese verfluchten Schweine!“

      „Sie müssen sich beruhigen, Frau Oliveira. Ihr Zustand erlaubt momentan keinen Stress. Sie haben eine große Schnittwunde am Oberkopf, die wir nähen mussten. Dazu kommen mehrere kleinere Schnittwunden auf der Stirn, die aber, ohne Narben zu hinterlassen, verheilen werden. Außerdem haben Sie aller Voraussicht nach ein Knalltrauma erlitten. Das ist normal bei Explosionsopfern; die angebrochenen Rippen werden wahrscheinlich das sein, was Sie am längsten beschäftigen wird, wenn man von der geprellten Schulter absieht.“

      Die Worte der Ärztin erreichten Luana Oliveira nicht. Ihr eigenes Schicksal war ihr verhältnismäßig egal. Sie war gebürtige Brasilianerin und nicht zimperlich. Die zierliche Frau hatte in ihrem Leben schon viele Menschen sterben sehen, kannte Gewalt und Elend. Davor war sie aus Brasilien geflohen. Vor allem vor den rivalisierenden Drogenkartellen, die mit unglaublicher Brutalität zuwege gingen. Sie kannte deren Art zu töten und sie kannte deren Warnungen. Wer sich gegen sie stellte, musste um sein Leben bangen. Die Polizei stand oft auf verlorenem Posten. Als Drogenfahnder hatte man keine hohe Lebenserwartung in dem Land. Auch als deren Angehöriger musste man ständig auf der Hut sein. Ihr Bruder war solch ein Drogenfahnder. Er war es gewesen, der darauf bestanden hatte, dass sie das Land in Richtung Europa verließ. Ihre guten Sprachkenntnisse zu Hilfe nahm, um sich hier in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Das hatte sie getan. Doch jede Woche telefonierte sie mehrmals mit ihrem Bruder. Beim letzten Gespräch hatte er ihr gesagt, dass sie kurz vor einem spektakulären Coup standen. Mehr durfte er ihr nicht verraten. War es ein Zufall, dass genau zu diesem Zeitpunkt ein Sprengsatz vor ihrem Geschäft explodierte? Für sie war es keine Frage. Dieser Anschlag war nicht von Salafisten verübt worden. Diese Explosion war eine Warnung an ihren Bruder. Machst du weiter, stirbst auch du!

      „Es tut mir sehr leid um ihre Angestellte, aber Sie müssen jetzt vor allem an sich denken. Die Polizei wird diejenigen finden, die für ihren Tod verantwortlich sind“, sagte die Ärztin, wollte sie damit aufmuntern. Oliveira schluchzte unvermindert weiter.

      


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