Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall). Michael Wagner J.
sie mit der amerikanischen Schauspielerin Cate Blanchett. Von dieser Schönheit war nicht mehr viel übrig. Sie spürte, wie ihr Kreislauf zusammenbrach, die weißen Kacheln begannen sich vor ihren Augen zu drehen. Franziska schaffte es, mit der linken Hand nach der Notfallschnur zu greifen, bevor sie zusammensackte.
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Bonn, Innenstadt
Die Sonne war schon fast untergegangen, als Peter Haus zum Handy griff und eine Nummer aus dem Kurzwahlspeicher wählte. Nach dreimaligem Freizeichen hob jemand ab. „Na, alles klar bei dir?“, fragte der Angerufene vertraut.
„Ja, alles bestens. Kommst du vorbei?“
„Na klar, sicher. Sag mir doch noch mal deine Adresse.“
Haus nannte sie ihm.
„Okay, in einer Viertelstunde. Komm runter an die Straße!“
Peter Haus hatte ein Geschäft angeleiert. Bei einem Mann, der aus dem Auto heraus Drogen verkaufte, vornehmlich Koks. Er rief ihn ein paarmal im Jahr an, immer dann, wenn er Lust auf einen Kick hatte. Wenn er einen langen Drehtag vor sich hatte oder wenn er einen langen Drehtermin abgeschlossen hatte oder wenn er sich einfach aufputschen wollte. Gelegenheiten gab es in seinem Beruf als Kameramann genügend. Mit Anfang vierzig erledigte sich nicht mehr alles wie von selbst, wie noch Jahre zuvor. Dazu brauchte man Hilfe. Dazu brauchte er Koks. Früher als erwartet rollte eine große deutsche Limousine durch die Straße, näherte sich im Schritttempo. Hielt vor Haus an und der stieg eilig auf der Beifahrerseite ein.
„Hey, bist pünktlich“, sagte er ein wenig verlegen.
„Gehört zum Geschäft“, antwortete der Fahrer, ein Mann in seinem Alter, nur ein wenig beleibter als er. Er gab jetzt Gas, weil er nicht auffallen wollte.
„Der gleiche Kurs?“, fragte Haus.
„Wie immer“, antwortete der Dicke. Seine Augen hielt er auf die Straße und vor allem auf die Bürgersteige links und rechts gerichtet.
„Die Bullen kontrollieren im Moment viel“, erklärte er seinem Kunden gegenüber die Vorsicht. Steckte schnell den ihm hingehaltenen 50-Euro-Schein weg, während Haus das Röhrchen mit dem Koks in seiner Tasche verschwinden ließ. Keine zwei Minuten nachdem er eingestiegen war, hatten sie das Geschäft abgewickelt. Der Fahrer stoppte den Wagen in einer Seitenstraße und Haus stieg aus.
„Noch einen schönen Abend wünsche ich dir“, sagte der Dealer und fuhr davon. In Haus‘ Jacketttasche steckte ein Röhrchen mit Koks. Ein halbes Gramm für 50 Euro. Er hätte auch ein ganzes Gramm bekommen können, das war der übliche Kurs. Aber er hatte die Erfahrung gemacht, dass ein halbes Gramm weniger verschnitten war. So hatte er mehr Spaß.
Haus war ein typischer Partykokser. Er zog sich das weiße Gold durch die Nase, wenn er einen draufmachen wollte, einmal mehr als die übliche Party vor sich hatte und wenn er es auf Sex angelegt hatte. Er machte sich durch den Kauf strafbar, was er natürlich wusste. Dabei sah er sich nicht einmal als schlechten Menschen an. Koks war in der breiten Mitte der Gesellschaft angekommen und dort auch anerkannt. Jedenfalls unter vorgehaltener Hand. Haus war ein Mittelklasse-Mann. Er fuhr ein Mittelklasse-Auto, wohnte in einer Mittelklasse-Wohngegend und er kaufte sein Gemüse und seinen fair gehandelten Kaffee mit gutem Gewissen im Bio-Markt, hatte einen Vertrag mit einem Ökostrom-Anbieter abgeschlossen. Ambivalente Verbraucher. Mit seinem Koks-Kauf unterstützte er die Drogengeschäfte südamerikanischer Kartelle, während er stolz darauf war, seinen Kaffee ebenfalls von dort zu beziehen und damit die armen Kaffeebauern zu unterstützen. Wie so viele in seinem Mittelklasse-Niveau. Haus ging zufrieden heim und stellte sich unter die Dusche. Das Röhrchen mit dem halben Gramm pulverförmigem Glück wartete auf seinem Wohnzimmertisch auf seinen Einsatz.
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Bonn, Johanniter-Krankenhaus
Wenige Minuten, nachdem Wendt und Klauk an der Rezeption des Johanniter-Krankenhauses nach einem kurzen Gespräch mit Luana Oliveira gefragt hatten, durften sie das Zimmer der 36-jährigen betreten. Sie fanden sie dort nicht alleine vor, an ihrem Bett saß eine blonde junge Frau. Die drehte sich sofort um, schaute Wendt an, als hätte sie eine andere Person erwartet. Oliveira saß beinahe aufrecht auf ihrem Bett, die dünne Decke bis an die Taille gezogen. Auf ihren Kopf trug sie einen weißen Turban, der so tief heruntergezogen war, dass er über ihre Augen reichte. Wendt bemerkte ihren südamerikanisch dunklen Teint, sah die schmale Nase und die prallen, fein geschwungenen Lippen der Frau. Unter dem Verband quoll dichtes dunkles Haar hervor. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, hatte sie ihren Kopf in Richtung der beiden Männer gewandt. Die Blonde sah sie unentwegt an.
„Frau Oliveira, mein Name ist Jan-Phillip Wendt von der Kriminalpolizei Bonn, bei mir ist mein Kollege Sebastian Klauk. Fühlen Sie sich in der Lage, uns ein paar Fragen zum heutigen Bombenanschlag auf Ihren Laden zu beantworten?“, fragte Wendt zögernd. Sofort bewegte sich der Turban wild hin und her.
„Mein Laden war nicht das Ziel dieses Anschlags, da irren Sie sich, Herr Kommissar“, antwortete Oliveira ohne einen erkennbaren Akzent in ihrer Stimme, die fest und sicher klang. Wendt vermutete, dass sich ihre Augenbrauen skeptisch nach oben zogen. Das hätte jedenfalls zu dem spöttischen Ausdruck gepasst, der sich um ihren Mund ausbreitete.
„Es tut uns sehr leid, dass Ihre Angestellte ihr Leben verloren hat, unser Beileid“, sagte Klauk und machte einen Schritt auf das Bett zu. Sofort stand die Blonde auf und stellte sich ihm in den Weg. Die Geste war unmissverständlich.
„Sie haben gehört, was Luana gesagt hat. Lassen Sie uns jetzt bitte alleine, wir müssen Claudias Beerdigung planen“, zischte sie. Wendt ließ sich von dem Gehabe nicht irritieren. „Darf ich erfahren, wer Sie sind?“
„Eine Freundin“, erhielt Wendt als schnippische Antwort. „Bea, lass sie bitte. Die tun doch nur ihre Arbeit. Wir wollen doch auch wissen, wer hinter dem Sprengstoffanschlag steckt“, sagte Luana vom Bett aus und tastete hilflos nach der Hand der Frau, zu der sie offenbar ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Bea sah zu Luana Oliveira hinüber und beeilte sich, ihre Hand zu ergreifen, setzte sich wieder neben ihr Bett.
„Ihren Namen hätte ich gerne gewusst“, hakte Wendt nach.
„Beate Frings“, antwortete sie schnell und ohne ihn dabei anzuschauen.
„Danke, Frau Frings. Würden Sie uns und Frau Oliveira bitte einen Moment lang alleine lassen?“
„Nein, warum sollte ich das tun?“, erwiderte sie scharf und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Bitte verlassen Sie jetzt den Raum“, forderte Klauk sie unmissverständlich auf. Langsam hatten sie die Nase voll von dieser aufmüpfigen Freundin Bea.
Sie blieb demonstrativ sitzen. „Brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungs-Dingsbums?“, fragte sie patzig und strich hektisch über Oliveiras Hand.
„Nein, den benötigen wir nicht“, antwortete Wendt hörbar genervt. Bea ließ es drauf ankommen, doch dann spürte sie, wie Luana ihre Hand drückte. „Ist schon gut, Bea. Du kommst sofort wieder rein, wenn die Herren gegangen sind. Dann planen wir weiter“, sagte sie. Wendt meinte eine kleine Nuance, einen kleinen verräterischen Tonfall in Oliveiras Stimme vernommen zu haben, doch dann stand Beate Frings auf. Sie schien ihn mit ihrem Blick durchbohren zu wollen, dann wandte sie sich ab und kurz drauf klickte die Tür hinter ihnen. Wendt atmete auf.
„Frau Oliveira, wir haben herausgefunden, dass Sie und Ihr Bruder aus der brasilianischen Stadt Porto Velho stammen und dass Ihr Bruder bei der Drogenfahndung arbeitet. Stimmt das?“, fragte Klauk, der neben ihr Bett getreten war. Sie zögerte mit der Antwort, wandte den Kopf zum Fenster hin. Draußen war es dunkel, aber das konnte sie unter ihrem Kopfverband nicht sehen.
„Ja, das stimmt, wir stammen aus Porto Velho“, antwortete sie langsam, als läge diese Tatsache wie eine schwere Last auf ihren Schultern.
„Und Ihr Bruder ist Drogenfahnder?“
Sie nickte. „Kann es sein, dass diese Bombe eine Warnung eines Drogenkartells gewesen ist?“, fragte jetzt Wendt. Ihr Kopf zuckte