Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall). Michael Wagner J.

Oliver Hell - Dämonen (Oliver Hells elfter Fall) - Michael Wagner J.


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die Kartelle so arbeiten, wenn sie jemanden einschüchtern wollen.“

      „Was wissen Sie denn von den brasilianischen Kartellen?“, fuhr sie Wendt an. „Waren Sie schon einmal in Brasilien? In den letzten Jahren? Einschüchterung, alles Blödsinn. Die erledigen ihre Widersacher sofort. Dieses Einschüchterungs-Szenario ist ein klischeehaftes Film-Märchen. Sie wissen doch gar nicht, wie es mittlerweile in Südamerika zugeht. Wenn mein Bruder denen im Weg wäre, dann wäre er längst tot. Aber er lebt. Meine Freundin und Mitarbeiterin Claudia ist tot. Ermordet von irgendwelchen salafistischen Spinnern, die hier in Deutschland ihren verfickten Gottesstaat aufbauen wollen. Dort sollten Sie suchen, nicht in Brasilien!“

      Aus ihren Worten war die pure Verzweiflung herauszuhören. Die Trauer um Claudia Trenzen war echt. Ebenso ihre Entrüstung über Wendts Äußerung. „Entschuldigung, das haben wir so nicht gewusst“, sagte er leise, obwohl ihm ihr Aufbrausen fast etwas zu emotional war.

      „Wir ermitteln in alle möglichen Richtungen ...“ Klauk wollte ihr erklären, wieso sie diesen Ansatz gewählt hatten, doch sie ließ ihn gar nicht ausreden.

      „Dieser Ansatz ist falsch, haben Sie verstanden? Vielleicht schauen Sie sich mal eine der populären amerikanischen Serien an, ‚Breaking Bad‘ oder ‚Narcos‘, das verändert vielleicht Ihre Sichtweise drastisch.“

      Sie sprach beinahe wie eine Kollegin. Das brachte Klauk auf eine Idee. „Haben Sie Kontakt zu Ihrem Bruder?“

      „Ja, das habe ich. Wir telefonieren wöchentlich“, gab sie sofort zu. Sicher, weil sie ahnte, dass sie es sowieso überprüfen würden. Also musste sie nicht lügen und sie weiter auf sich aufmerksam machen. Das vermutete auch Klauk.

      „Redet ihr Bruder mit Ihnen über seine Arbeit?“

      Sie stieß ärgerlich die Luft aus. „Lieber Herr Klauk, es kann ja sein, dass Sie keine hohe Meinung von uns Brasilianern haben. Aber diese Frage beleidigt eher Ihre Intelligenz. Mein Bruder ist Polizist, sprechen Sie mit Ihrer Schwester über Ihre Einsätze, vor allem, wenn sie hochbrisant sein können?“

      Treffer. Klauk fasste sich an die Nase und rieb seinen Nasenrücken. Oliveira konnte das nicht sehen. Dennoch fühlte sie sich ihm jetzt überlegen. „Was? Keine Nachfrage? Es ist vielleicht eher so, dass Sie hier in Deutschland keine richtigen Gangster-Syndikate haben und deshalb solche unbedarften Fragen stellen? Ich sehe es Ihnen nach, Herr Klauk!“

      Klauk suchte sofort Wendts Blick. Der gab ihm mit einem Nicken hin zur Tür ein Zeichen. Es war besser zu gehen. Oliveira würde ihnen nichts verraten, selbst wenn sie etwas wusste.

      *

       Bonn, Venusbergkliniken

      „Es gibt doch hier in Bonn ganz hervorragende plastische Chirurgen“, versuchte die Ärztin ihre Kollegin zu beruhigen. Franziska Leck lag auf ihrem Krankenbett, ihr Kreislauf war wieder in normale Bahnen zurückgekehrt. Doch ihre Gemütslage nicht. Sie hatte einen Kreislaufzusammenbruch erlitten.

      „Was wollen Sie mir damit sagen? Dass mein Gesicht irgendwann wieder so aussieht wie zuvor?“, stieß Franziska hervor. Tiefe Verzweiflung schwang mit.

      „Wir haben ständig Patienten, die solche Verletzungen erlitten haben. Die Heilungschancen stehen sehr gut.“

      Franziska dachte unwillkürlich an einen Fall, in dem ein Mann seiner ehemaligen Partnerin das Gesicht zerschnitten hatte, weil sie ihn verlassen hatte. Diese Frau war für ihr weiteres Leben gezeichnet. Sie musste damals für die Staatsanwaltschaft ein psychiatrisches Gutachten erstellen, das die Schwere ihrer erlittenen Traumata schilderte. Die junge Frau, damals 25 Jahre alt, war akut suizidal gefährdet. Ihre im Gesicht erlittenen Verletzungen waren zwar viel schwerer, aber selbst nach einem halben Jahr sah man die Narben sehr deutlich, trotz plastischer Chirurgie. Franziska rieb sich mit dem Daumen über ihren Handrücken, ohne es zu bemerken.

      „Ich bezweifle jemals wieder in einen Spiegel schauen zu können, ohne an dieses Ereignis erinnert zu werden“, sagte Franziska bekümmert, „mein Haar wird nachwachsen, aber meine Seele wächst nicht nach. Meine Haut wird sich wieder schließen, da habe ich keinen Zweifel, aber schließen sich die inneren Wunden?“

      „Ich weiß aus Ihrer Krankenakte, dass Sie selbst Psychologin sind. Wie wäre es, wenn Sie einen Kollegen aufsuchen?“, schlug ihr die Ärztin vor. Deren mitfühlenden Gesichtsausdruck konnte Franziska im Moment überhaupt nicht ertragen. Dennoch zwang sie sich ein Lächeln zu zeigen, das ihr Schmerzen verursachte. „Lieb von Ihnen, das wird es sein, was ich ganz sicher tun muss“, antwortete sie.

      „Haben Sie Neuigkeiten von meinem Partner Oliver Hell?“, fragte sie, als sich die Ärztin bereits zum Gehen abgewandt hatte.

      „Er liegt noch auf der Intensivstation, die Operationen sind gut verlaufen. Soll ich ihm mitteilen lassen, dass Sie aufgewacht sind? Er hat sich schon nach Ihrem Befinden erkundigt.“

      Franziska schüttelte mit dem Kopf. Ganz ehrlich. So fühlte sie im Moment. Warum war das so? Sie sah den Zweifel in den Augen der Ärztin aufkeimen, daher beeilte sie sich zu sagen: „Ich möchte nicht, dass er sich aufregt, wenn er von meinem Zustand erfährt.“

      Nach langer Zeit passierte es ihr tatsächlich, dass jemand ihre Ausrede durchschaute. Die Ärztin ließ ein mildes Lächeln auf ihrem Mund erscheinen.

      „Wie Sie wollen, Frau Kollegin.“

      Franziska fühlte sich ertappt. Schamröte stieg ihr ins Gesicht. Nachdem die Medizinerkollegin das Krankenzimmer verlassen hatte, drehte sie sich auf ihrem Kissen herum. Heiße Tränen rollten über ihre Wangen.

       Oliver, was ist mit uns nur passiert?

      *

       Bonn, Präsidium

      Brigitta Hansen hatte als Bonner Oberstaatsanwältin die Pressekonferenz noch für den späten Abend anberaumt. Die Bundesstaatsanwaltschaft gab eine Erklärung zur Übernahme der Ermittlungen wegen des Anschlags vom 23. Juli 2016 ab. Auf dem Podium saßen die Vertreter der einzelnen Behörden, namentlich Dausend und Grütters, sowie auch Lanev und Bacak. Mitten unter ihnen saß auch Hansen. Trotz der späten Stunde platzte das Auditorium im Bonner Präsidium an der Königswinterer Straße aus allen Nähten. Nachdem im Zuhörerraum Ruhe eingekehrt war, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF, die Privatsender, sowie auch die Nachrichtensender NTV und N24 ihre Kameras aufgebaut hatten, begann Lanev mit seiner Rede.

      „Meine Damen und Herren, die Bundesanwaltschaft hat heute am 23. Juli 2016 um 12:30 Uhr die Ermittlungen wegen des Anschlages übernommen und an die Beamten vom Staatsschutz in Düsseldorf und Bonn übergeben. Ebenfalls beteiligt ist der Verfassungsschutz Bonn. Die Bundesanwaltschaft geht beim Bonner Anschlag von islamistischem Terror aus. Heute Mittag, gegen 11:30 Uhr, wurde ein Sprengstoffanschlag in der Straße ‚Dreieck‘ unweit des Bonner Münsterplatz verübt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich viele Personen bei ihren Wochenendeinkäufen. Gegen 11:30 detonierten zwei Sprengsätze. Die Sprengsätze waren in Blumenkübeln vor einer Modeboutique abgelegt.“

      Er machte eine kleine Pause und richtete seinen Blick kurz auf die Journalisten, dann sprach er weiter.

      „Leider haben wir vier Tote und zwölf zum Teil sehr schwer verletzte Personen zu beklagen. Durch die Detonation wurden die Boutique und viele angrenzende Geschäfte schwer beschädigt. Eine der Toten ist eine Angestellte dieser Boutique. Die meisten Opfer erlitten durch zersplitternde Fensterscheiben und umherfliegende Trümmerteile erhebliche Verletzungen. Um schon ihren Fragen entgegenzukommen: Die Sprengsätze waren nicht mit Metallstiften bestückt. Die Sprengsätze hatten eine Sprengwirkung von mehr als 100 Metern. Die Frage nach dem Zündmechanismus und der Art des verwendeten Sprengstoffes ist derzeit Gegenstand der kriminaltechnischen Untersuchungen.“ Wieder machte er eine kleine Pause, trank einen Schluck Wasser. Hansen unterband einige Zwischenfragen mit dem Hinweis auf die Möglichkeit nach der Presseerklärung. Lanev nickte ihr dankend zu.

      „Aufgrund der Tatmodalitäten ist von einem terroristischen Hintergrund des Anschlags auszugehen.


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