Outback Todesriff. Manuela Martini
Kopf und lallte: „Mann, du weißt doch, dass so was `en Haufen Kohle kostet! Und Opale haben wir ja nicht, stimmt’s, Andy?“
Andy lachte unbehaglich mit. „Nein, keine Opale.“
„Da hörst du es. Keinen einzigen verfickten Opal! Wir müssen uns andere Weiber suchen. An der Küste, da gibt’s richtig scharfe Bräute!“
„Wieso bist du dann noch hier?“, fragte Andy. Brady verzog das Gesicht.
„Ach, natürlich sind die süß, rennen doch jeden Tag an den Strand. Kannte mal eine, die hatte vielleicht Titten.“ Er beschrieb mit den Armen einen weit ausladenden Bogen. „Und erst die Beine.“ Brady lachte und Mike fiel in sein Lachen mit ein.
„Sag schon, warum bist du nicht dort?“, beharrte Andy.
„Wo soll ich denn da wohnen, he? Hier hab ich ´n Haus, ´n Job und ´n ruhiges Leben. Und ab und zu mal was mit der Schnecke aus dem Videoshop. Und was glaubst du, was so eine von der Küste für Ansprüche hat! Die seh ich mir lieber von weitem an!“ Dann fügte er noch hinzu: „Bis ich mal genug Kohle hab, dann hau ich hier vielleicht ab, geh an die Küste und kauf mir `n Boot. So `ne lange Yacht. Dann laufen mir die Weiber nur so nach!“ Er brüllte wieder vor Lachen. „Mike, Bier ist alle!“
Sein Bruder stand auf, um Nachschub aus dem Haus zu holen. Und Brady sah Andy an.
„Weißt du, Mike und ich sind froh, dass du unser Freund bist. Es ist nicht leicht, Freunde zu finden.“ Brady kaute an einem Stück Fleisch. „Man muss Vertrauen zueinander haben. Mike und ich haben Vertrauen zueinander, weil wir Brüder sind. Okay, es gibt auch Brüder, die haben kein Vertrauen zueinander, aber wir haben es. Wir machen alles zusammen. Manche denken, wir sind Zwillinge. Das stimmt nicht. Mike ist ein Jahr später geboren als ich.“ Er puhlte eine Fleischfaser zwischen den Zähnen hervor. „Und weißt du, das beste Gefühl im Leben ist? Wenn man sich auf jemanden verlassen kann. Dann kannst du jemandem vertrauen. In jeder Situation, weißt du? Dann lässt er dich nicht im Stich, fällt dir nicht in den Rücken, egal, was ist. Verstehst du, was ich meine?“ Brady war ganz nah an Andy gerückt und verlangte eine Antwort. Andy fühlte sich plötzlich unwohl. Brady legte eine Hand auf seine Schulter. Schwer und breit. „Verstehest du, was ich meine?“
Andy nickte hastig. Brady war betrunken, und Betrunkene waren unberechenbar. „Klar, schon!“, antwortete er. „Aber ...“
„Was aber?“, fragte Brady heiser und die Hand auf Andys Schulter wurde schwerer.
„Ich meine ... ich meine ... wenn ... es nicht richtig ist ... was der andere tut ...“
„Siehst du, genau das ist es, was ich gerade gesagt habe. Man vertraut darauf, dass der andere das Richtige tut. Er wird schon seine Gründe dafür haben. Du wirst es schon noch kennen lernen, dieses Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können, egal, was man tut.“ Brady klopfte ihm auf die Schulter.
„Egal, was man tut?“, wiederholte Andy nicht ganz überzeugt.
„Egal, was man tut“, sagte Brady nickend und nahm endlich seine Hand von Andys Schulter.
Shane
Am Samstag bestellte sich Shane zum Frühstück Eier mit Speck, Toast, Kaffee und Orangensaft, weil er glaubte, einen langen Tag vor sich zu haben. Nach dem Meeting in Charleville mit Detective Russell und Kollegen wollte er zum Pferderennen.
„Du verspielst dein ganzes verdammtes Gehalt“, hielt ihm Jack immer wieder vor. Aber Shane erklärte ihm, dass er sich ja sonst nichts gönnte. Urlaub hatte er seit der Scheidung nicht mehr gemacht, er fuhr einen Dienstwagen, sein Apartment zahlte er bis zu seinem sechzigsten Lebensjahr in kleinen Raten ab, und die Unterhaltszahlungen für Pamela hielten sich in Grenzen. Also, warum sollte er sparen und sich den einzigen Spaß nicht gönnen?
Schon um acht Uhr morgens flimmerte der schwarze Asphalt der Straße. Das verfluchte Auto, das ihm Paddy besorgt hatte, besaß noch nicht mal einen CD-Player. Er schaltete das Radio ein, Jeffs Outback-Sender, etwas anderes schien man hier sowieso nicht empfangen zu können. Auch wenn er die Countrymusik nicht mochte – es war immerhin besser, als während der einstündigen Fahrt bis Charleville nur das Brummen des Motors zu hören. Gleichmäßig surrte der Wagen dahin. Ab und zu kam Shane ein anderes Fahrzeug entgegen. Mal ein Truck mit Rindern, mal ein Milchauto oder ein Lieferwagen, hin und wieder ein Nissan Patrol oder ein Toyota Landcruiser.
Er dachte, wenn er auf der einundsiebzig einfach weiterführe, wäre er morgen in Sydney, am Ozean. Am Wochenende fuhr er öfter an die Gold Coast, spielte ein bisschen im Casino in Surfers Paradise und traf sich mit Louis, einem Ex-Cop, den sie vor drei Jahren zum Krüppel geschossen hatten und der seine hohe Versicherungssumme in ein Apartment in Broadbeach investiert hatte. Nachdem er nur noch an Krücken gehen konnte, hatte ihn seine Frau verlassen. Seitdem saß er allein in seinem Dreihundertfünfzigtausend – Dollar – Apartment und ersoff sein Hirn. Manchmal, in seinen selbstkritischen Stunden, sah Shane sich selbst wie Louis – als einsamen Alkoholiker in einem verwahrlosten Apartment.
Sogar durch die Scheibe konnte er spüren, wie die sengende Sonne die Rinde der Bäume beizte, und die allerletzten Tropfen Feuchtigkeit aus den Blättern presste. Er entdeckte ein paar große, graue Kängurus, die rasch wieder hinter den Büschen und Termitenhügeln verschwanden. Er musste plötzlich an die Delfine denken, die er und Kim so gern beobachtet hatten, wenn sie das Wochenende an der Küste verbrachten. Kim liebte Delfine, und manchmal, wenn sie nahe genug am Strand entlangzogen, beeilte sie sich, ins Wasser zu kommen und schwamm ihnen entgegen. Das alles war schon so lange vorbei, dass es kaum noch zu ihm gehörte.
Draußen war Mulga-Land. Silbergraue Büsche auf roter Erde. Mulga bedeckt zwanzig Prozent des australischen Kontinents, das hatte ihm schon sein Vater erklärt, der ihn, Shane, lieber als Naturforscher gesehen hätte. Gerade glaubte Shane, wieder ein Känguru zu sehen, als er sah, dass es ein Mensch war. Er trat auf die Bremse.
Der Mann mit den schwarzen Haaren und einer braunen Hose stapfte mit einer Tüte in der Hand barfuß über die heiße, rote Erde. Shane drosselte weiter die Geschwindigkeit. Aber der Mann schien keine Hilfe zu brauchen, er nahm noch nicht einmal Notiz von dem Auto. Schließlich drehte Shane die Musik lauter und gab wieder Gas. Ein Schwarm rosa-weißer Galah-Papageien flog von der Straße auf, viel zu spät für die Geschwindigkeit des Wagens. Reflexartig zog Shane den Kopf ein, als zwei der auffliegenden Vögel gegen die Windschutzscheibe zu klatschen drohten. Doch sie hatten Glück, sie entkamen dem Tod im letzten Augenblick.
Andy
Der Schrei gellte bis in seinen Schlaf. Er stürzte auf die Veranda und sah in der Morgendämmerung, wie Mike mit nacktem Oberkörper und Boxershorts aus dem Haus rannte. Er hatte eine schwarzglänzende Pistole in der Hand, zielte, drückte ab, ein Knall – jetzt erkannte Andy die braune, sich windende Schlange. Mike feuerte wieder und der Schlangenkörper wurde hochgeschleudert und fiel dann schlaff zu Boden. Mike schrie und ballerte eine Kugel nach der anderen auf die längst tote Schlange. Dann griff er mit der bloßen Hand die zerfetzte Schlange und schlug sie immer und immer wieder auf einen Ast, bis sie in Stücke fiel. Als Mike sich umdrehte blickte Andy in dessen weitaufgerissene Augen. Aus seinem Mund lief Speichel.
„Ich hab sie tot gemacht. War ´ne Brownie. Ich wär tot gewesen, wenn die mich gebissen hätte!“
„Das hast du gut gemacht“, hörte Andy eine sanfte Stimme hinter sich. Brady stand in der Verandatür. „Komm jetzt wieder rein.“
Als Mike ins Haus trat meinte Brady: „Setz dich auf die Veranda. Ich mach uns Frühstück.“
„Ich hab sie totmachen müssen.“ Mikes Gesicht war auf einmal blass geworden.
„Ja, natürlich hast du sie töten müssen. Das war gut. Jetzt setz dich dahin und ruh dich aus.“ Brady schob seinen Bruder auf die Veranda in einen Schaukelstuhl. „Pass auf ihn auf“, sagte er zu Andy, „ich geh in die Küche.“
Andy ließ sich in den Schaukelstuhl fallen und beobachtete Mike, der ihm starr gegenüber saß. Es war noch früh am Morgen, die Sonne