Outback Todesriff. Manuela Martini

Outback Todesriff - Manuela Martini


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Andy

      Andy rauchte einen Joint. Bradys Hinterkopf sah aus wie ein haariger Luftballon. Da musste er lachen. Mike drehte sich um, auch ein haariger Ballon mit einer nackten Seite und einer Nase! Andy lachte und trank Bier aus der Dose. „Schon mal in Charleville gewesen, Andy?“ Bradys Frage von heute Morgen schwirrte ihm durchs Hirn. Das musste ein paar Stunden her sein. Er fühlte sich unheimlich gut, da auf dem Rücksitz, unterwegs mit Freunden. Als er die Augen schloss, war er plötzlich im Camp. Wind wehte. Er saß oben im Führerhaus des Baggers und rammte die Schaufel immer wieder in die Erde. Die Baggerschaufel war ein gefräßiger Drache, der über die aufgegrabenen Löcher kreiste, plötzlich auf den harten Boden wie auf Beute hinabstieß und in die Erde biss. Oder er war ein ehemaliger Raumschiffkommandant, der auf einen fremden Planeten verbannt wurde und mit anderen Gefangenen schuften und Uran abbauen musste. Natürlich wurde er der Anführer der Rebellen, die ein Raumschiff kaperten und ins Weltall flohen. Manchmal aber stellte er sich auch vor, dass er auf einen rot glimmenden Kristall stieß, der das ewige Licht der Menschen wäre.

      „Ist das nicht ´n netter Laden? So klein und so abgelegen?“, hörte er Brady sagen. Andy rappelte sich auf und sah aus dem Seitenfenster. War das Charleville?

      Zuerst nahm Andy an, dass sie einkaufen wollten, doch als Brady den Wagen am Bottle Shop vorbei und in die nächste Seitenstraße steuerte, fragte er sich, was sie hier wollten. Und als Brady unter dem Sitz eine schwarze Strickmütze hervorzog, wünschte er sich, er wäre nicht mitgekommen.

      „Bin gleich wieder da.“ Brady drehte sich zu Andy um und zwinkerte ihm zu. „Oder willst du gehen?“, fragte er und hielt plötzlich die kleine, schwarz glänzende Pistole in der Hand, mit der Mike noch am Morgen auf die Schlange geschossen hatte. Andy schüttelte den Kopf. Wie viele Joints hatte er geraucht? Wie viele Bier getrunken? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Warum auch, eigentlich war es egal. Alles scheißegal. Durch den Schleier seiner Wimpern sah er Brady aussteigen. Mike rutschte hinters Steuer und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Irgendwann wurde die Beifahrertür aufgerissen.

      „He, alles klar. Los, fahr los, langsam.“ Brady drehte sich nach hinten um und zog unter seinem Pulli zwei Anderthalb-Liter-Flaschen Bundaberg Rum hervor.

      „Und zum Wetten?“, fragte Mike. Brady grinste, griff in die Hosentasche und wedelte mit einem Bündel Geldnoten.

       Shane

      Shane stellte den Wagen auf dem fast voll besetzten Parkplatz vor dem Warrego Racing Course ab. Schon von weitem erkannte er zwischen den Menschengruppen den hochgewachsenen Jeff Peterson.

      „Hallo, Shane, hätte nicht gedacht, dass Sie zum Pferderennen kommen!“, rief Jeff als er Shane entdeckte.

      „Haben Sie geglaubt, ich könnte was Besseres vorhaben?“

      „Ehrlich gesagt, ja.“ Jeff zündete sich eine Marlboro an. „Und, was sagen Sie zu unserer Allwetter-Pferderennbahn? Wir sind mächtig stolz darauf. So was finden Sie in der ganzen Gegend nicht. Sie sollten am siebzehnten Juli, am Matilda Highway Race Day da sein. Da ist hier was los, kann ich Ihnen sagen!“

      „Na, wenn sich die Ermittlungen weiterhin in dem Tempo dahinschleppen, werde ich den Cup sicher nicht verpassen“, sagte er und fürchtete, dass es tatsächlich so kommen könnte.

      „Haha! Ich hab übrigens im Outback-Radio über den Fall berichtet und um nähere Hinweise gebeten. Bis jetzt hat allerdings bei mir noch keiner angerufen. Morgen werde ich es noch mal bringen.“

      „Danke.“

      „Aber jetzt zum Wetten. Ich nehm mal an, Sie sind nicht einfach so gekommen?“

      „Nein. Ehrlich gesagt, haben mich Pferde an sich auch noch nie so wirklich interessiert. Wer ist denn hier der Favorit?“

      „Oh, kommen Sie, schauen wir uns die Pferdchen mal näher an.“ Hinter dem Zaun führten die Betreuer die Pferde auf und ab.

      „Was halten Sie von der Nummer drei?“, fragte Shane und zeigte auf einen schwarzen Hengst.

      „Hm, wird von Tim trainiert“, meinte Jeff und lehnte sich gegen den Zaun. „Tim ist `n alter Hase, hat immer zwei, drei Pferde laufen, mischt immer ein bisschen mit, aber nie ganz vorn.“

      „Die Vier sieht ganz gut aus“, meinte Shane und betrachtete das braune, schnaubende Pferd.

      „Misty Might, ja, könnte man wagen. Die Wetten stehen eins zu acht.“

      Shane setzte vierzig Dollar auf Sieg von Misty Might.

      „Wenn Sie gewinnen, müssen Sie mich auf ein Bier einladen“, bemerkte Jeff. Shane lachte, dann blickte er sich um.

      „Kennen Sie die meisten Leute hier?“

      „Klar, wenn man wie ich schon Jahre hier lebt, bleibt das nicht aus. Der da drüben ist übrigens Billy Hendersons Vater Ian. Sie wissen schon: Der Mann, dem das Land mit dem Parkplatz gehört. Er ist Vorsitzender der Historical Society.“ Schon war Jeff zu dem stattlichen älteren Herrn Anfang siebzig getreten, der einen hohen, steifen Akubra und ein gebügeltes weißes Hemd über einer grauen Hose trug.

      „Tag, Ian!“

      „Tag, Jeff, wie läuft’s?“, erwiderte Ian Hendersons. Ein hagerer, schlaksiger Mann, in dessen faltigem Gesicht eine energische Nase hervorstach.

      „Prima! Das ist übrigens Detective Shane O’Connor aus Brisbane.“

      Shane streckte ihm die Hand entgegen, die Henderson überraschend lasch drückte.

      „Mein Sohn Billy hat ja schon Ihre Bekanntschaft gemacht.“ Ian Henderson sah ihn argwöhnisch an.

      „Ja, dann kann man mir ja sicher bald verraten, wer der Tote ist und wer ihn umgebracht hat“, entgegnete Shane.

      „Tja ... Das hat alles nichts mit uns zu tun. Was meinst du, Jeff?“

      „Dafür würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen, Ian.“

      „Wie auch immer, ich muss mal rüber zu den Jockeys. Nett, Sie kennen gelernt zu haben, Shane.“ Ian tippte mit einem Finger an seinen Hutrand und verschwand mit weit ausgreifenden Schritten in der Menge.

      „Ian hatte hier eine große Metzgerei. Henderson & Son Butchery, war ziemlich bekannt hier. Als die Preise für Rinder gefallen sind, hat er verkauft. Das ist schon viele Jahre her. Hat ´n Haus an der Küste, aber ich glaube, er hält sich mehr hier als dort auf. War ein guter Freund von Alfred Morgan, einem großen Farmer in der Gegend. Der ist vor ein paar Jahren gestorben. Sein Sohn John hat die Farm übernommen. Donald, der andere Sohn, ist Politiker in Brisbane.“ Jeff reckte den Hals. „John ist manchmal hier auf der Rennbahn. Wenn er sich mal ´ne Pause gönnt. Ist ´n richtiges Arbeitstier. Es gehört schon allerhand dazu, eine Farm am Laufen zuhalten. Meine Mutter wollte immer eine Farm, aber mein Vater meinte, das sei nichts für ihn. Stellen Sie sich vor, Sie haben sieben Jahre lang Dürre und ein Rind nach dem anderen stirbt ohne dass Sie etwas dagegen tun können. Und mit Schafen können Sie heute kein Geld mehr machen. Einige Leute hier sind deswegen schon ganz schön in die Knie gegangen.“

      Der Startschuss knallte.

      „Dieser Typ da oben, das ist der Einzige, der kein Fernglas braucht. Der hat so gute Augen, dass er jedes Pferd aus der Entfernung erkennen kann. Dabei ist er schon über sechzig!“ Jeff zeigte auf den Kommentator oben im Turm.

      „Und Southern Cross vor Shadow Prince!“ Die Stimme des Kommentators begann sich zu überschlagen. „Dann Misty Might vor Bold County, All or Nothing vor Bourbon Rose, Misty Might kommt von innen, jetzt vor Shadow PrinceSouthern Cross vor Misty Might, All or Nothing vor Shadow Prince, Bold County auf Platz drei, gefolgt von All or Nothing. Shadow Prince fällt weiter zurück.“ Die Pferde stoben an ihnen vorbei, die bunt gekleideten Jockeys standen in den Steigbügeln. „Misty Might jetzt vorn, Misty Might, Bold County, All or Nothing geht außen vorbei, holt auf ... Misty Might, Misty


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