Outback Todesriff. Manuela Martini
geteert haben.“
„Klar, erinnere ich mich an die. Einer war ziemlich knackig.“ Sie lachte kehlig.
„Waren die beiden an dem Abend hier?“
„Herrje ...“ Sie schien sich Mühe zugeben, sich zu erinnern. Schließlich schüttelte sie den Kopf „Also, nein, beim besten Willen ... ich hab ´n furchtbares Kurzzeitgedächtnis.“ Sie beugte sich ein wenig über die Theke und fügte in vertraulichem Ton hinzu: „Und Rugby hat mich noch nie interessiert. Das sind doch alles Fleischklöße. Ich hab lieber die Schlankeren.“ Sie lachte wieder und Shane lachte mit und fragte gleich:
„Das Stück Land, das Billy Henderson gekauft hat – darauf haben tatsächlich die Aborigines Anspruch erhoben?“
Sie nahm einen Lappen und begann das Spülbecken zu polieren, zapfte dann ihm und sich ein weiteres Bier.
„Niemand hat mehr davon geredet, bis die Leiche dort gefunden wurde. Da kommt doch alles wieder hoch.“ Sie trank und leckte sich den Schaum von den Lippen.
„Was meinen Sie damit?“
„Na, das mit der Vergangenheit und so. Aber ich sag Ihnen, dieses ganze Gerede von der Reconciliation, der sogenannten Versöhnung zwischen uns und den Schwarzen, das bringt doch alles nur böses Blut! Man sollte endlich mal einen Strich unter alles ziehen.“ Sie kam hinter der Theke hervor, um einen Tisch abzuräumen. „Wissen Sie“, sie stapelte die Teller übereinander, „´ne richtige Aussühnung kann’ s ja nie geben. Die kommen mit unserem Leben nicht zurecht - und wir nicht mit ihrem.“ Sie nahm vom Nebentisch den Aschenbecher mit und ging hinter den Tresen. „Ich will mit denen nix zu schaffen haben. Hab mal ´ne Schlägerei erlebt, da hat es beinah einen Toten gegeben. Und das war mein Freund. Nur weil so ein dreckiger, versoffener Blackfellow ausgerastet ist und ihm ´ne Flasche auf dem Kopf zertrümmert hat! Mein Freund musste genäht werden, und ´ne Gehirnerschütterung hatte er auch – das versoffene Schwein haben sie nach ein paar Tagen Kittchen wieder laufen lassen. So geht das doch immer. Die sollte man alle in Reservate in die Wüste schicken ...“
Nun kann sie wohl doch nicht mehr ihre Zunge im Zaum halten, dachte Shane. Sie sah kurz nach rechts und links, um sich zu vergewissern, dass außer Shane niemand zuhören konnte, dabei waren sie seit einer halben Stunde allein.
Sie flüsterte: „Ich glaub ja, dass das ein Toter von denen ist.“
„Warum?“, fragte Shane erstaunt.
Wieder sah sie sich um. „Na, die haben den Platz verhext, damit er uns Unglück bringen soll. Er heißt bei denen Danger Platz.“ Sie machte eine ausladende Geste über den leeren Raum. „Sehen Sie sich doch um, wenn irgendwo `ne Goldmine gefunden oder was gefördert wird, das Geld bringt, haben plötzlich ausgerechnet da ihre Ahnen geträumt!“ Bei den letzten Worten verdrehte sie genervt die Augen. „Wundert mich nicht, dass da manch einem von uns der Geduldsfaden reißt!“
„Wem?“
Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, sagte aber dann: „Man bemüht sich ja erst mal. Schließlich sind wir ja Christen – aber auch wir sind nur Menschen. Ich sag Ihnen jetzt was, Shane.“ Ihre Augen waren glasig. „Shane, ich mag sie. Wirklich. Sie sind so anders als die Kerle hier.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einem anzüglichen Grinsen. „Aber versprechen Sie mir, dass Sie nicht sagen, dass ich Ihnen was ...“
„Sie können sich drauf verlassen“, fiel er ins Wort.
„Wirklich?“ Sie sah ihm dabei tief in die Augen.
„Wirklich.“ Er nickte.
„Gut ... dann erzähl ich es jetzt.“ Sie räusperte sich und holte Luft, „ also ... vor einem halben Jahr oder so kam hier eine Aborigine an, eine Halbaborigine, Malerin. Es heißt, dass ihre Mutter von einem Weißen aus der Gegend vergewaltigt worden ist - die Malerin also das Ergebnis einer Vergewaltigung war.“ Sie trank von ihrem Bier und legte dann die Hand auf seinen Unterarm. Er überlegte, ob er sich jetzt verabschieden und aus dem Staub machen sollte, schließlich wusste er schon von der Malerin, als der Griff ihrer Hand fester wurde. Shane tätschelte sie und schob sie dann von seinem Arm.
„Und von wem sollte ihre Mutter vergewaltigt worden sein?“ Für einen Moment schien Kate abzuwägen, wie viel sie ihm noch anvertrauen durfte, oder ob sie vielleicht einen Preis dafür herausschlagen durfte. Dann aber redete sie doch weiter.
„Vom alten Morgan, heißt es. John Morgans Vater Alfred.“
„Wer sagt das?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Man munkelt es.“
„Wer?“
„Man munkelt es, mehr weiß ich nicht.“ Sie kicherte plötzlich. „Und jetzt muss ich mal für kleine Mädchen.“ Sie schob sich an der Theke vorbei zur Tür, hinter der ein langer Gang zu den Toiletten führte.
„Behauptet das vielleicht dieser Journalist, mit dem Betty Williams gekommen ist und der ein Buch über sie schreiben wollte?“, rief er Kate noch nach. „Wo ist er eigentlich?“
Sie drehte sich noch einmal um. „Abgehauen, mit so `ner Schlampe. Wie die Männer das eben so machen.“ Sie zog die Tür auf. „Und sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten, wegen dieses Kerls ... Und jetzt Pipi!“ Die Tür schlug hinter ihr zu.
Er rief Jeff an. „Frank Copeland hieß der Journalist. Copeland, wie der Begründer unseres Radiokanals, hab ich mir deshalb gemerkt. Shane, tut mir leid, aber ich bin auf Sendung. Muss Schluss machen!“
Frank Copeland – dachte Shane – bist du der unbekannte Tote?
Am nächsten Morgen saß Paddy schon am Schreibtisch. Er steckte gerade etwas in den Mund und leckte die Finger ab, als Shane hereinkam. Kauend reichte Paddy ihm ein Fax herüber. Shane überflog die Nachricht, dass Detective Russell mit gebrochener Schulter im Krankenhaus in Charleville lag. Er war von der Leiter gefallen, als er eine Lampe aufhängen wollte. Shane knüllte die Nachricht zusammen und warf sie in den Mülleimer.
Als das Telefon klingelte, nahm Paddy ab und maulte: „Ich komm mir schon vor wie Ihre Sekretärin“, und gab Shane den Hörer. Es war Al Marlowe. Auf seinen Anruf hatte Shane gewartet.
„Also, nachdem du mich gestern Nacht zur ungelegensten Zeit noch angerufen hast, hab ich Folgendes für dich herausbekommen“, fing er an. „Gegen Frank Copeland läuft ein Verfahren wegen Veruntreuung. Angezeigt wurde er von Lorraine Reynolds, einer Galeristin in Brisbane. Sie hat ihm einen Vorschuss für ein Buch gezahlt, und er ist damit abgehauen.“ Al musste husten. „Shane“, fuhr er fort, „was hat er mit dem Toten zu tun?“
„Keine Ahnung, Al, vielleicht gar nichts.“
„Hör zu, ich schicke jemanden zu der Galeristin, und du siehst zu, was die Leute in Coocoo ... - Dingsda über Frank Copeland wissen.“
„Mach ich, Al.“
„Guter Junge“, sagte Al und legte auf.
Shane stand auf und goss sich Kaffee ein. Endlich schien sich eine Spur zu zeigen, doch sie konnte sich ebenso gut als Irrweg erweisen, das hatte er allzu oft schon erlebt. Dann kam endlich eine E-Mail. Betreff Frank Copeland. Shane ließ den Kaffee stehen und fing an zu lesen.
Frank Copeland, geboren am 4. April 1966, Journalist, geschieden, kam vor einem Jahr aus London nach Australien, wohnte in einer Pension „The Place“ in Brisbane. Er arbeitete als freier Journalist für Magazine und Tageszeitungen.
Seine Autoversicherung, eine Haftpflichtversicherung und seine Mobilfunkrechnung lässt er abbuchen. Das Kennzeichen seines Wagens, eines beigen Holden Kombi: VBY 749. Die letzte Abbuchung vom Kreditkartenkonto war auf den 8. August datiert, liegt also zwei Monate zurück. Die Rechnung kam von einer Tankstelle in St. George. Auf sein Konto gingen regelmäßige Überweisungen ein, die offenbar von einer Vermietung stammten. Über das Mobiltelefon wurde zuletzt im März eine Nummer in Brisbane angerufen. Von März bis September hat Frank Copeland also sein Telefon nicht benutzt.