Outback Todesriff. Manuela Martini

Outback Todesriff - Manuela Martini


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So was vergisst man sein Leben nicht. Ich wäre beinah draufgegangen. War mit John Morgan unterwegs, den kennen Sie noch nicht.“

      „Hab ihn heute kennengelernt. Sympathischer Typ.“ Shane sah ihn wieder vor sich, die blitzende Gürtelschnalle und das siegessichere Lachen – und seine Frau.

      „Genau der. Wir haben uns in ´ner Höhle von den Blackfellows verkrochen.“ Paddy lachte und war wohl ganz in der Erinnerung versunken. „Meine Mum hat Ängste ausgestanden, bis ich endlich wieder zu Hause war. Kniehoch lag der Hagel auf Erde.“

      Jetzt ist der richtige Moment, dachte Shane und sagte: „Paddy, was wird hier gespielt?“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Warum hat Billy Henderson so seltsam reagiert, als Sie die Morgans erwähnten?“

      „Hat er das?“ Die kleinen Augen starrten ihn an.

      „Was meinte er mit alten Geschichten? Wenn ich eins ganz sicher nicht vertragen kann, dann ist es das, wenn jemand ernsthaft glaubt, er könnte mich verarschen, Paddy!“

      „Aber ich weiß beim besten Willen nicht, was ...“

      „Billy Henderson und die Morgans, kommen Sie, Paddy, raus damit!“, fiel Shane ihm ins Wort.

      „Ach, das ist irgendeine alte Geschichte, wie Billy schon gesagt hat.“ Paddy winkte ab. „Außerdem hat das eher was mit Billys Vater Ian zu tun. Das muss Sie gar nicht interessieren.“

      „Was mich interessiert und was nicht, das entscheide ich immer noch selbst.“

      „Sie und Ihre Wortspiele!“, murrte Paddy und seufzte. „Ich weiß nicht, was da passiert ist. Irgendeine Frauengeschichte. Zwei Freunde verlieben sich in ein und dieselbe Frau und bekriegen sich seitdem. Wie im Film.“ Paddy fing an, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Aber so einfach ließ Shane ihn nicht davon kommen.

      „Also, der alte Ian Henderson und der alte Morgan haben sich in dieselbe Frau verliebt? Und wer war das?“

      „Ich weiß wirklich nicht, warum Sie sich da festbeißen wie ein Hund an einem Gummiring“, brummte Paddy.

      „Das ist das Einzige, was er hat, dieser Hund“, sagte Shane, „los, werfen Sie ihm schon ein Stück Fleisch hin, und er gibt Ruhe!“

      Paddy starrte Shane an als hätte er sich gerade tatsächlich in einen knurrenden Hund verwandelt.

      „Kommen Sie, Paddy, packen Sie aus.“

      „Ich weiß nichts, außerdem hab ich jetzt Feierabend“, sagte Paddy, nahm seinen Hut von der Ablage, brummte was von Mickey, steckte seine Waffe ein und ging. Wahrscheinlich war es Sentimentalität, gestand Shane sich ein, die ihn dazu brachte, noch einmal in die Akte von Betty Williams zu sehen. Malerin sei sie gewesen, erinnerte er sich. Die Fotos zeigten den mit T-Shirt und Shorts bekleideten Körper einer Frau in einer Badewanne, und blutig gefärbtes Wasser, das über den Wannenrand lief. Der Wasserhahn, so stand im Bericht, war nicht zugedreht gewesen. Das Wasser war über den Boden gelaufen und hatte sogar in der Küche gestanden. Wieso hatte sie das Wasser nicht abgedreht? Auf dem nächsten Foto waren die aufgeschnittenen Handgelenke zu erkennen. In der Spüle in der Küche, hatte sich laut Bericht eine Pfanne mit angebrannten Rühreiern befunden, auf der Ablage schmutziges Geschirr und der Abschiedsbrief, eine Schüssel mit Hackfleisch und ein zusammengeknülltes Geschirrhandtuch mit Hackfleischresten und Blutflecken. Im Protokoll stand, dass ihr Bruder Moodroo sie gefunden hatte. Shane hatte sich schon öfter vorgestellt, wie es gewesen wäre, wenn damals er anstelle der Putzfrau seine tote Schwester Christine gefunden hätte. Er sollte aufhören, sich mit diesem Selbstmord zu befassen.

       Andy

      Als er wieder nüchtern war, wurde ihm klar, dass er in etwas hingeraten war, in das er nicht hatte hineingeraten wollen. Zurück in Coocooloora ließ er sich am Café absetzen und sah dem Wagen von Brady und Mike nach, wie er mit brüllendem Auspuff über die Hauptstraße davonschoss. Andy brauchte Zeit zum Nachdenken.

      Er lief über die Straße und betrat Best’s Coffee Shop. Eine Neonröhre erhellte den großen Raum. Hier hatte man schon lange nicht mehr renoviert oder besser: hier hatte man noch nie renoviert, seitdem vor zwanzig Jahren das Café eröffnet worden war. Die Wände waren vergilbt und die Kunststoffschicht der Tische abgeplatzt. Die Speisekarte enthielt das Übliche und es roch wieder nach Bratfett.

      Hinter der Theke standen zwei Frauen, und Andy fiel ihre Ähnlichkeit auf. Wahrscheinlich waren es Mutter und Tochter. Drei der fünf Tische waren besetzt. Andy erkannte die Frau mit den Leggins und dem Kinderwagen wieder, die ihn vor ein paar Tagen beinahe umgefahren hätte. Ein jüngeres Pärchen sah wie hypnotisiert in den Fernseher über der Theke, während ihr Kind schokoladenverschmiert unter dem Tisch herumrobbte. Niemand schien von dem Überfall auf Miller’s Bottle Shop in Charleville Notiz genommen zu haben. Andy bestellte einen Kaffee und Fleischpastete, die in Plastik verpackt auf der Theke lag, setzte sich an einen Tisch in der Ecke und verbrannte sich am heißen Kaffee die Zunge.

      Die ältere der beiden Frauen hinter der Theke erinnerte ihn an seine Mutter. Als sein Vater kein Opal fand, schuftete sie in einem Imbiss. Wenn sie abends nach Hause kam, brachte sie meistens Hamburger mit. Er erinnerte sich an den Geruch seiner Mutter nach Bratfett. Ob sie wirklich inzwischen ein Bed & Breakfast hatte? Er hatte ihr Gesicht vergessen. Vielleicht würde er auch bald das Gesicht seines Vaters vergessen. Ob sein Vater auch ihn vergessen würde? Wie es ihm wohl jetzt ging? Sollte er nicht zurückfahren und nachsehen? Aber wie stünde er dann vor seinem Vater da?

      Von seinem Platz aus konnte er fast die ganze Straße sehen. Den Pub, den Videoshop. Nur den Lebensmittelladen konnte er nicht sehen, er war nur wenige Hauser nebenan. Was tat sie gerade? Warum hatte sie ihn geküsst?

      „Ist das nicht schrecklich?“, sagte die jüngere der beiden Frauen und räumte den Nebentisch ab. „Das da mit dem Killer!“ Sie zeigte zum Fernseher hoch. Fotos von vier Frauen erschienen auf dem Bildschirm. Sie senkte ihre Stimme.

      „Und wenn er unter uns ist?“

      Für Horrorgeschichten hatte sich Andy noch nie interessiert. Morgen, sagte er sich, würde er gehen.

      Als er aus dem Café kam, war die Sonne gerade untergegangen. Noch immer regnete es nicht. Vielleicht würde es auch überhaupt nicht regnen, weder heute noch morgen. Wenn jetzt ein Auto anhielt, würde er einfach einsteigen und mitfahren, egal, wohin.

      Doch die Stadt war wie ausgestorben.

       Shane

      „Heute ist aber nicht viel los!“, stellte Shane fest, als er die Tür zum Pub aufstieß und in einen leeren Raum blickte. Als Kate ihn bemerkte drehte sie die Musik leiser und zapfte ein Bier.

      „Ich hab’s manchmal gern laut. Besonders wenn nix los ist. Die sind alle drüben in Augathella, da machen sie einmal im Monat `n größeren Abend im Pub.“ Sie hatte getrunken.

      „Da verpass ich ja was!“, meinte Shane und griff zum Bier.

      „Ich glaub, darauf können Sie gern verzichten. Ist nicht so wie bei Ihnen in der Stadt. Clubs und was es da alles so gibt.“

      Shane lachte. „Seh ich aus, als ginge ich in Clubs?“

      Sie musterte ihn von oben bis unten und grinste dabei.

      „Sie können sich wahrscheinlich kaum vor Angeboten retten, hab ich Recht? Jetzt weiß ich auch, warum man sie hierhergeschickt hat. Damit Sie mal ruhig gestellt sind.“ Sie prustete los.

      Er lachte wieder und dachte, dass sie damit ins Schwarze getroffen hat.

      „Noch ein Bier?“

      „Nur wenn Sie eins mit mir trinken“, sagte er.

      Sie lächelte anzüglich und wechselte das leere gegen das volle Glas aus. Vielleicht bekam er so etwas aus ihr heraus.

      „Erinnern Sie sich an das Rugby-Spiel zwischen Broncos und ... jetzt hab ich die andere Mannschaft vergessen.


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