Kullmann unter Tage. Elke Schwab

Kullmann unter Tage - Elke Schwab


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heraus: »Oder der Einbrecher hat Diebesgut gefunden, das eigentlich nicht in Peter Demplers Haus gehört.«

      Remmark kratzte sich an seinem Haarkranz und murrte: »Ich habe ihm gesagt, er soll den Einbruch melden. Aber dazu kam es nicht mehr, da war er schon tot. Mehr kann ich Ihnen nicht dazu sagen.« Er drehte sich um und fragte die Kameraden: »Weiß jemand von euch, was in Pitts Haus gestohlen wurde?«

      Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort. Das gab Schnur zumindest die Gewissheit, dass alle von dem Einbruch wussten. Aber genauso erkannte er, dass er hier nicht weiterkam. Er ahnte, dass diese Männer sich bereits abgesprochen hatten, was sie der Polizei sagen wollten und was nicht.

      *

      Kaum waren sie im dritten Stock der Kriminalpolizeiinspektion angekommen, eilte ihnen Erik entgegen und berichtete: »Ich habe mit dem Hausarzt gesprochen. Peter Dempler war nach seinen Angaben wirklich kerngesund. Er kam regelmäßig zur Nachuntersuchung und es hat nie Befunde gegeben.«

      Schnur nickte.

      »Und was habt ihr über die Einbrüche herausgefunden?«

      »Einbrüche ist ein bisschen viel gesagt«, meinte Erik. »Wir haben alles durchgecheckt und nur von einem einzigen Einbruch im Dorf im Warndt erfahren.«

      »Wann war das und bei wem?«

      Erik las von seinem Notizblock ab: »Uwe Bendrup! Im Jahr 2006. Uwe Bendrup war Bergmann.«

      »War?«

      »Er ist im gleichen Jahr tödlich verunglückt.«

      Schnur rieb sich über das Kinn, während er mit großen Schritten durch den Flur hastete und sein Büro ansteuerte. Dabei rief er: »Das ist nicht das, was ich erwartet habe.«

      »Was hast du denn erwartet?«

      »Irgendetwas, das uns einen Hinweis darauf gibt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einbruch bei Peter Dempler und seinem gewaltsamen Tod gibt. Etwas, das uns die Gewissheit gibt, dass hier kein Unfall vorliegt.«

      »Ich glaube, da kann ich weiterhelfen«, ertönte es plötzlich hinter ihnen.

      Schnur drehte sich um. Im Türrahmen seines Büros sah er Anton Grewe. Seine Haare waren zerzaust, als wäre er in einem heftigen Sturm geraten. Sein Gesicht so blass, dass Schnur schon einen Kreislaufkollaps befürchten musste.

      »Und wie?«

      »Ich habe gerade die Akte gelesen«, begann Grewe zögerlich. »Dort steht, dass die Frage geklärt werden muss, ob es noch andere Zugänge zum Schacht gibt außer den Schachttüren.«

      »Und?«

      »Der Schacht ist durchgehend gemauert. Außerdem ist er gut gesichert, weil die Körbe dort mit großer Geschwindigkeit bewegt werden. Deshalb gibt es keinen Schlupfwinkel, durch den man unbemerkt in den Schacht klettern kann. Jedes Mal, wenn die Schachttür geöffnet wird, bekommt der Maschinist ein Signal. Das dient der Sicherheit, dass er den Korb nicht fährt, während sich möglicherweise jemand im Schacht aufhält.«

      »Von dem Signal haben wir bereits gehört«, sagte Schnur.

      Grewe nickte und meinte dazu: »Es steht in der Akte, dass kein Signal gegeben wurde. Also ist der Mann nicht auf gewöhnlichem Weg dorthin gelangt.«

      »Aber, wie ist er dorthin gelangt?« Schnur wurde ungeduldig.

      »Es gibt nur die Möglichkeit, die Sicherung an der Schachttür zu überlisten.«

      »Du kennst diese Möglichkeit?«

      Alle starrten gespannt auf Grewe. Die Erkenntnis, dass dieser elegante und feingliedrige Mann mal als Bergmann unter Tage gearbeitet hatte, war schon auf großes Staunen gestoßen. Welche Überraschung würde er ihnen jetzt enthüllen?

      »Ja.« Jetzt leuchtete sein Gesicht puterrot. »Ich weiß, wie man diese Türen öffnen kann, ohne den Alarm auszulösen.«

      »Und wie?«

      »Am oberen Ende befindet sich ein Kontaktschalter. Sobald die Tür aufgeht, wird der Kontakt unterbrochen und der Alarm ausgelöst. Man muss einfach nur die Sicherung für kurze Zeit abschalten, die Tür öffnen, wieder schließen und hinterher schaltet man die Sicherung wieder ein.«

      Schnur stieß einen Pfiff aus. »Das spricht für eine akribische Planung dieser Tat. Ich muss die Spusis nochmal runter schicken, damit sie diese Sicherung nach Fingerabdrücken untersuchen.«

      »Das wäre endlich ein konkreter Hinweis«, stellte Erik euphorisch fest.

      »Wirklich konkret wird es erst, wenn wir das Ergebnis unseres Gerichtsmediziners haben«, widersprach Schnur.

      *

      Die Fahrt über die stark befahrene Autobahn Richtung Homburg zog sich endlos in die Länge. Nieselregen benetzte die Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer quietschten leise. Das Radio plärrte Werbung für alle möglichen Artikel von Babynahrung bis zum Stromanbieter, während Ann-Kathrin bei geöffnetem Fenster rauchte und versuchte, die Luft im engen Innenraum dabei nicht zu verpesten.

      »Kannst du mir mal erklären, warum ausgerechnet wir beide zu einer Autopsie fahren müssen, bei der uns das Schlimmste erwartet?«, fragte die Staatsanwältin nach einer Weile. »Als Dienststellenleiter musst du doch in der Lage sein, solche Aufgaben an andere weiterzugeben. Das weißt du doch? Oder hat dir das noch keiner gesagt?«

      Schnur überholte einen LKW, bevor er antwortete: »Ich will mit dir reden.«

      »Hätten wir das nicht auch in einem gemütlichen Café nach Dienstschluss machen können?«

      »Nein.«

      Ann-Kathrin ließ den Zigarettenstummel fallen und schloss die Fensterscheibe. Fragend schaute sie Schnur an, der anfügte: »Ich werde heute Abend nach Dienstschluss nach Hause fahren. Zu meiner Frau.«

      »Ach! Willst du mir erzählen, dass du deine Ehe retten willst?«

      »Genau das.« Schnur spürte, wie er ins Schwitzen kam. Er hatte sich dieses Gespräch leichter vorgestellt. »Wir sind fast dreißig Jahre verheiratet. Das wirft man nicht einfach so weg.«

      »Das wusstest du aber schon, als wir uns kennengelernt haben.«

      Schnur sagte nichts dazu.

      »Erklär mir doch bitte deinen Sinneswandel«, forderte die Staatsanwältin auf. »Ich habe nämlich das Gefühl, dass mir etwas entgangen ist.«

      »Dir ist nichts entgangen.« Schnur wand sich, musste sich weiter auf das Autofahren konzentrieren. »Meine Frau hat herausbekommen, was ich treibe.«

      »Was ist daran falsch? Sie kann es doch ruhig wissen.«

      »Eben nicht!«

      »Wenn du meinst, dass ich deine Launen einfach so hinnehme, hast du dich getäuscht. Ich bin kein Spielball, den man wegwirft, wenn man genug davon hat.«

      Schnur spürte, wie seine Hände am Lenkrad feucht wurden.

      »Das hat doch mit Wegwerfen nichts zu tun.«

      »Was ist passiert, dass du plötzlich auf Ehemann machen willst?«

      »Nicht plötzlich«, wehrte sich Schnur. »Es ist nur so, dass meine Frau mich vor ein Ultimatum stellt.«

      »Besser geht es doch nicht.«

      Schnur schaute zerknirscht auf die Autobahn, während er versuchte, die richtigen Worte zu finden: »Ich kenne meine Frau schon seit der Schulzeit. Ich will sie nicht verlieren.«

      »Und was ist mit mir? Was hast du für mich vorgesehen?«

      Nervös rieb sich Schnur über sein Kinn. Erst jetzt erkannte er, dass er wirklich nicht wusste, was er wollte.

      »Überleg dir gut, was du tust«, kam es drohend von Ann-Kathrin. »Ich werde mich nicht einfach so abservieren lassen. Für solche Spielchen hast du dir mit mir die falsche Frau ausgesucht.«

      *


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