Oliver Hell Todeshauch. Michael Wagner J.

Oliver Hell Todeshauch - Michael Wagner J.


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      »Danke für die Anteilnahme!«

      »Gerne«, säuselte sie zurück.

      Immerhin etwas, dachte Hell. Ein wenig Normalität schleicht sich doch wieder ein. Sie reagiert wieder auf ihre alte Art und Weise. Professionell und ein wenig schnippisch.

      »Alles klar«, sagte Hell und räumte das Feld.

       *

      »Ich habe Sebi angerufen«, erklärte Lea als Hell zu ihr ans Polizeifahrzeug trat. Die Putzhilfe wurde gerade auf einer Liege in den Rettungswagen geschoben.

      »Sie hat einen Schock erlitten, die Arme. Ach ja, Sebi ... der will erst das Ergebnis des Disziplinarverfahrens abwarten, bevor er wieder zum Dienst erscheint. Sorry, aber so ist es«, seufzte Lea. Hell hörte auf, das Bonbon auszuwickeln, das er noch in seiner Jacketttasche gefunden hatte.

      »Der Spinner! Wir sind nur zu zweit und der Herr lässt sich bitten!«, platzte er heraus.

      »Das stimmt schon, aber vielleicht kann ihn Oberstaatsanwältin Hansen da etwas beschleunigen?«

      »Ich werde sie anrufen. Aber wir müssen uns erst um den Fall kümmern. Findest du bitte alles über die Angehörigen heraus? Ich versuche, etwas über den Beruf des Mannes herauszufinden. Eine solche Villa besitzt man nicht von ungefähr!«

      Hell drehte sich um, blieb dann aber stehen und hob die Hand. »Wenn du jetzt dort hineingehst, bleibe mal in der Diele stehen und lasse es auf dich wirken. Dann sagst du mir bitte später, was du empfunden hast.«

      Es dauerte zwei Sekunden, bis es bei Rosin klick gemacht hatte, dann nickte sie und lächelte Hell hinterher. Was hat er denn jetzt damit wieder im Sinn, fragte sie sich.

       *

      Auf der Fahrt ins Präsidium schwirrten zwei Gedanken durch seinen Kopf. Der erste hatte mit Donatus Monzel zu tun. Wer tötet einen wohlhabenden Rentner mit einem gezielten Kopfschuss? Wer tötet überhaupt einen Rentner? Die sollten doch mit einem Herzinfarkt im Bett sterben oder in einem Swimmingpool auf Mallorca oder den Kanaren. Aber nicht erschossen werden in einer Bonner Villengegend. Wie immer würde dieser Fall wieder mächtig Staub aufwirbeln. Daher war es wichtig, sich so schnell wie möglich ein Bild von dem Toten zu machen. Im Präsidium würde er den Namen des Mannes googeln, um etwas über ihn zu erfahren. Dann ergab sich hoffentlich bald eine Spur und eine Richtung, in die sie ermitteln konnten.

      Sein anderer Gedanke galt Sebastian Klauk. Als kompaktes Duo konnten Lea und er gleich einpacken. Zu zweit in einem Mordfall zu ermitteln, war so aussichtsreich wie mit verbundenen Augen einen Hasen zu jagen. Das ging gar nicht und deswegen würde er im Präsidium sofort Brigitta Hansen informieren. Die Oberstaatsanwältin sollte ihre Beziehungen spielen lassen, um Klauk zurück in den aktiven Dienst zu holen. So schnell wie möglich.

       *

      Lea Rosin hatte schon eine Weile im Flur der Monzelschen Villa gestanden und die Stimmung auf sich wirken lassen. So wie Hell es von ihr verlangt hatte. Eine Zeitkapsel. Das war ihr erster Gedanke. Als diese Möbel hergestellt worden waren, war Lea noch nicht auf der Welt, selbst ihre Eltern waren damals noch Teenager. Sie drehte sich erneut um die eigene Achse, wie der Zeiger auf einem Zifferblatt. Es blieb dabei. Eine Zeitkapsel. Was war deren Inhalt? So stelle ich mir den Eingang zu einem Internat vor, einem englischen Internat. Ein Internat mit einer langjährigen Tradition, wo in einer Absolventen-Galerie die erfolgreichsten ‚Abgänger‘ aufgeführt waren. Diejenigen, die Politiker oder Anwälte oder erfolgreich in der Wirtschaft geworden waren. Sie ertappte sich dabei, verstohlen nach einer solchen Galerie zu suchen, fand natürlich keine. Kurz bevor sie in ihrer Fantasie aus einer der Türen, die von dem Flur in drei Richtungen abgingen, die ersten Schüler, in ein wichtiges Gespräch vertieft, treten sah, holte sie sich in die Realität zurück. Stattdessen ging sie mit einem Lächeln auf den Lippen auf die Tür zu, hinter der sie Stimmen vernahm. Vertraute Stimmen, keine von flaumgesichtigen Pennälern.

      »Wenn das nicht Julian und Elmar sind«, platzte es aus ihr heraus, doch dann hielt sie sich sofort beschämt die Hand vor den Mund. Der Blick, den ihr Dr. Beisiegel zuwarf, sprach Bände. »Entschuldigung«, drückte sie heraus, »ich wollte nicht pietätlos sein.«

      Kirsch drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger und Rosin gab ihm zu verstehen, dass sie sich am anderen Ende des Wohnzimmers treffen sollten. Dort war allem Anschein nach ein Wintergarten angebaut.

      »Hallo Julian, habt ihr schon etwas über den Beruf des Mannes in Erfahrung gebracht?«, flüsterte sie und ihr Blick fiel auf die üppigen Grünpflanzen in dem Wintergarten. »Hmh«, antwortete Kirsch und deutete mit einem Nicken an, ihm zu folgen, »ich denke, ich habe da etwas für dich.«

      Fünfzehn Sekunden später machte Lea Rosin große Augen. Da war sie, die Ahnengalerie. Jedenfalls etwas, das in diese Richtung ging. Über einem riesigen Sideboard hingen unzählige gerahmte Fotos. Auf den meisten davon waren Jungen abgebildet, die vor einem monumentalen Eingangsportal standen. Auf einer Treppe aufgereiht, wie auf einem Klassenfoto. Mittig auf der unteren Einfassung saß jeweils ein Messingschild gleicher Größe. Rosin beugte sich über das Sideboard, um die Schrift zu entziffern. ‚Jahrgang 1977‘ stand auf dem ersten Schild, ‚Jahrgang 1978‘ auf dem daneben. Auf jedem dieser Fotos stand hinter den Kindern immer dieselbe Person.

      »Ist das der Tote?«, fragte Rosin. Kirsch deutete auf ein Foto, das weiter rechts in der Galerie hing und zwei Personen zeigte. Eine der beiden Personen kam Rosin bekannt vor, konnte sich aber an dessen Namen nicht erinnern.

      »Das ist der damalige Innenminister Werner Maihofer, der zu Besuch in diesem Kinderheim war«, erläuterte Kirsch.

      »Kinderheim?«, fragte Rosin erstaunt, »kein Internat?«

      Kirsch schüttelte den Kopf und zeigte auf ein Foto, das direkt daneben hing. Auf dem kleinen Messingschildchen stand der Name des Kinderheims: ‚Albertus-Magnus-Haus‘.

      »Also ist unser Toter ein bekannter Mann und er war der Leiter dieses Kinderheims?«

      »So scheint es zu sein«, sagte Kirsch und deutete auf ein weiteres Foto. Dieses zeigte den Leiter des Heims mit einem der Kinder, dem er väterlich die Hand auf die Schulter legte.

      »Ein ehemaliger Leiter eines Kinderheims wird in seiner Wohnung ermordet. Habe da nur ich eine unheilige Assoziation in Richtung Pädophilie und später Rache?«, fragte Rosin und Kirsch zuckte nur mit den Schultern.

      »Ich hoffe nicht«, antwortete er dann doch und ließ Rosin vor der Galerie stehen. Rosin seufzte vor sich hin. Irgendwann musste es ja mal so weit sein und ihr ein Fall mit pädophilem Hintergrund begegnen. Dann rief sie sich zur Ordnung. Eine Hand, die auf der Schulter eines Jungen lag, gab noch keine eindeutige Richtung vor. Soweit sie das bis jetzt beurteilen konnte, hatte der Tote sein Leben den Waisen gewidmet. Es war schon schlimm, dass man sofort einen solchen Hintergrund ins Kalkül zog.

      Schäm dich, Lea!

      Sie seufzte erneut und zog ihr Handy aus der Tasche.

      »Hallo, hier ist Lea. Der Tote war der Leiter eines Waisenhauses in Bonn, und dass sogar ziemlich lange«, plauderte sie los als Hell sich meldete.

      Eine halbe Stunde später verließ Lea Rosin den Tatort. Sie hatte noch einen mündlichen Bericht von Stephanie Beisiegel im Gepäck, die mit ihr zusammen das Haus verließ. Der Tote wies neben der Schussverletzung keine weiteren Verletzungen auf. Er war nicht bewegt worden, die Totenflecken waren stark ausgeprägt. Der Tod war sofort eingetreten, und zwar gegen Mitternacht. Nichts war sonst noch gefunden worden, was die anstehenden Ermittlungen erleichtert hätte.

      Julian Kirsch hatte sie noch in das Arbeitszimmer des Toten geführt. Sofort wurde ihr klar warum. Dort hatte jemand etwas gesucht und offenbar auch sehr schnell gefunden. Dieses Zimmer besaß denselben Charme wie der Eingangsbereich und das Wohnzimmer. Alt, bewohnt, aber nicht muffig und verwohnt. Der Schreibtisch war ordentlich aufgeräumt. Ihr am nächsten stand etwas, das sie nicht kannte. Sie ging darauf zu und betrachtete den Gegenstand. Er war aus Eichenholz - woraus auch sonst


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