Oliver Hell Todeshauch. Michael Wagner J.
mehr im Pool. Durch seine Intrigen hatte er sich so aufs Abstellgleis gestellt, dass er froh sein konnte, wenn er noch eine Anstellung als Sicherheitskraft fand. Keine Staatsanwaltschaft in ganz Deutschland würde ihm noch vertrauen. Schachmatt.
Hell nahm seinen Kaffee in die linke Hand und wischte mit der Rechten den Nachnamen des Opfers weg. Dann betrachtete er dessen Vornamen.
»Was ist das für ein seltsamer Heiliger, der sich nachts in seinem Wohnzimmer erschießen lässt?«
Mit einem Lächeln betrachtete Lea Rosin ihren Chef.
»Wer weiß, vielleicht war er krank oder er hielt es für gerechtfertigt, wenn man ihn erschießt. Wenn es wirklich ein Fall von später Rache wegen sexueller Übergriffe war?«, dachte Lea laut nach.
»Nein, Lea, dann hätte er seine Pantoffel nicht verloren. Er wollte fliehen, aber der Mörder war schneller. Aber checke bitte vorsichtshalber seine Krankenakten. Mit dem Ergebnis der Obduktion haben wir dann ein Bild seines Gesundheitszustandes.«
Lea seufzte und wechselte das Thema.
»Haben wir schon herausgefunden, ob er Verwandte hat?«
Hell ließ sich im Sessel zurücksinken und fragte sich, ob es ebensolche Menschen waren wie der Tote. Er schüttelte den Kopf. Du weißt noch gar nichts über den Mann und fängst schon an, Mutmaßungen zu stellen. Eilig sprang er wieder auf und schrieb mit dem Marker zwei Worte auf die Glasscheibe. Verwandte? Gesundheit? Jeweils mit einem Fragezeichen.
»Ich kümmere mich um Punkt eins, du dich um Punkt zwei.« Er legte den Marker zurück in die Glasschale und musterte Lea Rosin mit einem Blick, der so etwas wie ein verbissenes Lächeln war.
*
»Würden Sie uns ein paar Fragen beantworten?«, sagte Lea Rosin und zückte zum x-ten Mal an diesem sonnigen Nachmittag ihren Dienstausweis. Bei Familie Plöttner, vor deren Haustür sie nun standen, erkundigten sie sich zum vierten Mal in der unmittelbaren Nachbarschaft der Monzelschen Villa. Mehr direkte Nachbarn gab es auch nicht, außer einem, dessen Haus schräg gegenüber der alten Villa lag. Klinkenputzen.
»Fragen?«, wiederholte der Mann an der Tür. Er drehte sich um und rief nach seiner Frau. »Kommst du mal bitte. Hier ist die Polizei und hat Fragen!«
Dann schaute er von Rosin zu Hell und wieder zurück, bis sein Blick zwischen den beiden ins Leere ging. Er schien erst wieder zum Leben zu erwachen, als seine Frau ihn zur Seite drängte und die beiden Beamten mit dem gleichen skeptischen Gesichtsausdruck anstarrte wie zuvor ihr Mann.
»Guten Tag, wir sind hier, um ein paar Auskünfte über ihren Nachbarn Donatus Monzel einzuholen«, erläuterte Rosin in ihrem gewinnenden Tonfall.
Sofort veränderte sich der Gesichtsausdruck der Frau.
»Monzel? Der Stinkstiefel? Hat ihn endlich der Teufel geholt? Das geschieht ihm recht!«
Die Frau trug eine alte verschlissene Schürze mit einem nicht sonderlich fantasievollen Blümchenmuster, das aber farblich hervorragend zu ihrem rosa Teint passte.
»Sie habe ihren Nachbarn nicht gemocht? Gab es Streit mit ihm?«, fragte Rosin weiterhin sehr höflich.
»Nein, es gab keinen Streit. Den mag hier nur keiner. Was ist denn mit ihm passiert?«, fragte die Frau und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab.
»Ihr Nachbar ist tot. Das sollte Ihnen erst einmal reichen«, mischte sich Hell in das Gespräch ein.
»Um den ist es nicht schade«, stieß die Alte hervor und erntete dafür einen Seitenhieb ihres Mannes.
»Was denn? Ich habe doch recht«, wehrte sie sich gegen die Kritik ihres Mannes.
Hell wunderte sich, dass er überhaupt zu einer solchen Kritik an seiner Frau imstande war.
»Ihnen ist schon klar, dass Sie sich mit diesen Worten als erstklassige Tatverdächtige präsentieren, Frau Plöttner?«
Hell hatte seine Stimme erhoben und seine Worte verfehlten ihren Zwecke nicht.
»Tatverdächtige? Ich? Sind Sie verrückt?«
Die rosa Gesichtsfarbe wich einem sehr bleichen Weiß. Sie trat mit offenstehendem Mund einen Schritt zurück und trat ihrem Mann dabei auf den Fuß. Der offene Mund brachte ein strahlend weißes Gebiss zum Vorschein. Irgendwo muss das Geld ja investiert werden, dachte Hell. Wenn schon nicht in ordentlicher Kleidung.
»Nein, ich bin nicht verrückt. Ihr Nachbar ist letzte Nacht in seinem Haus erschossen worden und wir wollen jetzt von Ihnen beiden wissen, ob Ihnen zwischen 23 Uhr und 2 Uhr nachts etwas Verdächtiges aufgefallen ist!«
Die beiden Alten rissen die Augen auf. Jetzt hatte Hell ihre volle Aufmerksamkeit.
»Erschossen?«, fragte Frau Plöttner mit erstickter Stimme und fasste sich an den Hals. Sie hatte vor ihrem Mann die Beherrschung wiedergefunden. Hell und Rosin nickten zur Bestätigung. Herr Plöttner schüttelte den Kopf, während seine Frau nachzudenken schien. »Hast du etwas gehört, Karl-Heinz?«, fragte sie schließlich. Plöttner wiederholte das Kopfschütteln.
»Nein, Herr Kommissar, wir haben nichts gehört«, antwortete sie für sich und ihren Mann gleich mit, der mit dem Kopfschütteln nicht aufhörte.
»Das hat er nun doch nicht verdient«, stieß er zwischen spitzen Lippen hervor und hörte endlich mit dem Kopfschütteln auf.
Das sich die beiden Alten plötzlich nicht mehr wohl fühlten in ihrer Haut, kam Hell ganz recht. Daher wunderte ihn ihre nächste Frage überhaupt nicht.
»Waren das Einbrecher?«
»Wir stehen am Anfang der Ermittlungen und dürfen daher nichts ausschließen«, antwortete Hell und er wusste genau, dass die beiden in den nächsten Nächten einen sehr unruhigen Schlaf haben würden.
»Eine Frage habe ich noch«, sagte Lea und warf Hell einen listigen Seitenblick zu, »Sie kennen sich doch sicher gut in der Nachbarschaft aus. Welcher Ihrer Nachbarn ist denn ein Nachtschwärmer? Wissen Sie, meine Oma, die weiß ganz genau, wer wann den Fernseher ausschaltet. Wer von den Nachbarn könnte denn zusammen mit meiner Oma nachts am Fenster sitzen?«
Leas Frage war geschickt gestellt, hatte aber auch einen Haken. Einerseits würden die Plöttners zugeben, selber auf die Nachbarschaft ein Auge zu halten, andererseits konnten sie so den schwarzen Peter an die Nachbarn weitergeben.
Die beiden warfen sich fragende Blicke zu, bis Frau Plöttner schließlich auf das Haus schräg gegenüber zeigte. »Dort, die sind noch die Jüngsten hier in der Straße und die Kinder sind oft nachts unterwegs.« Sie sagte das mit einem bedauernden Unterton.
»Wie heißt diese Familie?«
»Steiner«, kam es bei beiden wie aus der Pistole geschossen.
Sie sahen sich erstaunt an und diesmal nickten beide.
»Vielen Dank und wir bitten noch einmal um Entschuldigung«, säuselte Lea wieder höflich.
»Das macht doch nichts, kleines Fräulein«, sagte Frau Plöttner und Lea verzog ihren Mund, sobald sie sich zum Gehen gewandt hatten.
»Kleines Fräulein«, äffte sie Frau Plöttner nach, »meine Oma würde mit denen noch nicht einmal an der Mülltonne reden.«
Hell grinste.
»Wenn dort bei den Steiners auch niemand etwas gehört hat, müssen wir davon ausgehen, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzt hat«, erläuterte Hell, als sie durch den Garten zurück zur Straße gingen.
»Profis benutzen einen Schalldämpfer«, sagte Rosin und öffnete das Gartentörchen.
»Dann wurde er von einem Profi ermordet«, antwortete Hell und trat hinaus auf den Gehweg.
»Welcher Profi ermordet einen ehemaligen Leiter eines Kinderheimes?«
»Ein