Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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      Auch rief der Zeitungsverkäufer Stiegson ihm ein „Guten Tag!“ zu und der Tätowierer Pavel winkte, als er sein Geschäft aufschloss.

      Die Gesellschaft kannte er gut.

      Zachs Wohnhaus war ein Dreigeschosser, welcher sich von außen nicht von seinen Nachbarbauten unterschied: rissige Außenwand, stellenweise abgefallener Putz, teils gesprungene Fenster, die notdürftig mit Klebeband repariert worden waren. Bei den Rahmen blätterte die Farbe ab und an die kaputten Dachziegel wollte er gar nicht erst denken – er wohnte eh im Erdgeschoss, dort war es „bloß“ sehr fußkalt, weswegen er so gut wie nie seine schützenden Stiefel auszog.

      Der Flur deprimierte allgemein mit dunkelgrünen Farben. Er stieg die zwei knarrenden Holzstufen hoch, um seine Tür auf-, oh, er hatte mal wieder vergessen, zuzuschließen.

      Und wenn schon, bei ihm gab es nichts zu klauen.

      Der Wohnraum stand eher leer, gerade mal in einer Ecke beim Ofen hatte er eine lose Matratze zum Schlafen hingelegt und das bisschen, was er an Kleidung besaß, ruhte in einer großen Pappkiste.

      Dagegen war die Küche voll mit einem Tisch, einem Stuhl, einer Spüle, einem Wasserkocher und einer wackeligen Klappbox voller Geschirr, in der es nicht ein zusammenpassendes Paar gab. Die natürliche Kälte mache einen Kühlschrank sinnlos und im Notfall ließ sich der Heizofen als Kochutensil zweckentfremden.

      Zu Beginn hatte er vorgehabt, sein Leben ordentlich auf das Nötigste einzurichten, jedoch wurde daraus wirklich nur das Allernötigste. Mit der Zeit hatte er sich an das Leben auf Sparflamme gewöhnt und brauchte auch nicht mehr.

      Patrick und Ines würden ausrasten, wenn sie das sehen würden. Für die musste ja alles immer perfekt und schön sein, neu und modern. Aber seine lieben Adoptiveltern wussten nicht einmal, wo er steckte, und das war gut so.

      Zach ließ sich, wie er war, auf die Matratze fallen. Sein Rücken brachte ihn wiedermal fast um. Beinahe täglich trainierte er seine Muskeln, doch gegen die Schmerzen half aller Sport nichts.

       Wirklich frustrierend.

       Tja, wie eigentlich mein ganzes Dasein.

       Ach, besser nicht daran denken.

      Zur Seite drehend, beschloss er, den Tag wie die meisten Hafenbewohner zu verschlafen und schloss die Augen, in der kargen Hoffnung ohne Störung die Stunden verstreichen lassen zu können.

      Seine Nachbarn weckten ihn am späten Nachmittag. Auf die übliche Weise.

      Er lärmte, sie weinte, irgendetwas flog krachend gegen die Wand.

      Es gab Tage, an denen spielte Zach mit den Gedanken, sein Messer zu nehmen, die Treppe hochzusteigen, an der dortigen Wohnungstür zu klopfen und die erstbeste Person -

      Doch das war reines Wunschdenken, er konnte ja niemanden, der unschuldig war, abstechen – nicht einmal, wenn ihm von diesem Arschloch der letzte Nerv geraubt wurde.

      „Haltet gefälligst die Fresse!“, brüllte er laut durch das Haus und bei den dünnen Wänden würde er sicher Gehör finden.

      Bald war wieder etwas Ruhe eingekehrt, wenn auch das dumpfe Blabla noch störte.

      Vor ein paar Monaten, als das Paar frisch eingezogen war, versuchte der Kerl von oben mal, ihm klarzumachen, dass er sich gefälligst aus ihrem Streit rauszuhalten hatte. Zachs „freundliche“ Antwort darauf war deutlich gewesen: Wenn er seiner hassgeliebten Frau die Witwenrente gönnte, könnte er ihn auf der Stelle abstechen.

      Seitdem war alles so weit gut.

      Zach stand auf – sein Rücken hatte sich etwas beruhigt – und machte in der Küche Wasser heiß für einen starken Kaffee. Als „Frühstück“ gab es ein paar Scheiben Toastbrot, die er fast immer parat hatte, und in die schwarze Brühe tunkte, damit er an deren Trockenheit nicht erstickte.

      Nach einigen Dehnungsübungen und Liegestützen, ging Zach wieder auf die Straße. Diesmal vergaß er das Zuschließen nicht.

      Bei den unzähligen Kneipen, die sich allein im Hafengebiet befanden, konnte die Stadt von einem regelrechten Amüsierviertel sprechen. Betrunken brauchte man nur wenige Schritte zu laufen und schon stürzte der Gast von einem Tresen zum anderen. Selbst dem Eisengrind wäre das zu knapp.

      Für das Flair der Kaschemmen gab es mehrere Varianten.

      War jemand auf Spaß und einen lustigen Abend aus, besuchte er die Mottobars. Die reichten von Flowerpower über Südsee, Hardrock oder Western bis hin zu einer großmütterlichen Kaffeekränzchen-Atmosphäre. Das Grauenvollste, was Zach bis dato erlebt hatte, war der Pink-Pony-Schuppen, in dem rosa Spitzendecken und niedliche Kätzchenbilder zur Ausstattung gehörten. Wer den Laden aufsuchte, gehörte seiner Meinung nach erschossen.

      Wer die Nacht über nur bei billigem Bier und depressiver Stimmung vor sich hinsumpfen wollte, der ging in die Spelunke beim dritten Pier. Wer die Liebe suchte, bekam sie im Puff bei Dock Eins. Für eine Schlägerei war der Club bei der Fünf immer ausgelegt – der Besitzer investierte gar nicht mehr in neue Möbel oder Ähnliches, da ging sowieso alles zu Bruch.

      Doch wenn man die Nacht arbeiten musste, um Geld in den Taschen zu haben, besuchte man die Glücksspielhallen und Fischerkneipen, wo Matrosen und Fabrikarbeiter ihren Sold auf den Kopf stellten, starker Schnaps Gemüter erhitzte und im Schatten der Thekenlampen so mancher Raub oder Mord geplant wurde.

      Eben zu so einer Art von Bar zog es Zach.

      Durch die hintersten Gassenwinkel musste er gehen, die schimmligsten, nassesten Keller aufsuchen, um an das Geld der Seemänner zu kommen. Natürlich waren das keine sicheren Wege und so mancher Taschendieb versuchte sich an leichter Beute. Eine Waffe war Pflicht.

      Aber heute war es nicht nur das gewohnte Pack, das durch den Hafen zog.

      Gerade drängte Zach vorsichtig seinen hochgewachsenen Körper durch einen schmalen Riss im Maschendrahtzaun, um den abgelegenen Innenhof einer Schänke zu erreichen, als er eine schäbige Lache hörte.

      In einem dunklen Hausdurchgang erspähte er eine kleine Gruppe von Jugendlichen. Sie trugen Schildmützen, lockere Jogginghosen und fett gefütterte Steppjacken mit Fellkragen – Stadtbewohner, wie ihre Kleidung ihm verriet.

      Es kam vor, dass Kids aus der Innenstadt hier rausfuhren, um Dinge zu tun, die sonst verboten waren. Vielleicht für Drogen oder weil sie ihre Hörner abstoßen wollten – wozu auch immer, Zach aber hasste diese Sorte Menschen. Vor allem, wenn sie so lachten.

      Aus Schadenfreude.

      Die Jungs standen im Kreis um etwas herum, das sie offensichtlich mobbten.

      In Zach regte sich der altbekannte Drang, die Unschuldigen zu beschützen, und er kam ab von seinem Weg. Erst würde er helfen, dann lockte die Arbeit.

      Die Bälger lachten erneut und er roch Benzin ...

      Schon stand das Etwas in der Mitte in Flammen. Die Gruppe sprang auseinander und eine kleine Feuerkugel wälzte sich schreiend und kreischend zu ihren Füßen im Dreck, um den tödlichen Brand zu ersticken. Vergeblich.

      Ein winziges Leben wurde aus Spaß vernichtet.

      „Ihr Bastarde!“, brüllte Zach sofort laut auf und bevor die Quäler reagieren konnten, schlug er dem ersten die Schneidezähne aus. Einem zweiten Bengel rammte er das Knie in den Magen und ein dritter wurde am Kragen gepackt, durch die Luft geschleudert und über den Schotter gezogen.

      Verängstigt durch die plötzliche Gewalt, nahmen die übrigen Burschen schnell Reißaus. Die würden es bestimmt nie wieder wagen, ein Tier zu foltern.

      Einen Flüchtigen bekam Zach noch zu packen und flink zog er sein Messer aus der Gürtelscheide, um es diesem Poser an die Kehle zu halten. Der wohlgenährte Knabe zitterte unter seinem Griff.

      „Dachtest du etwa, hier ist jede Scheiße erlaubt, Fettsack? Was soll das, eh?“, fauchte Zach ihn derb an und nickte in Richtung des kleinen


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