Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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leise, während er versuchte, die wichtigsten Dinge in seinem Kopf zu organisieren.

      Wo war er? Offensichtlich im Hafen, in einer bekannten Dachwohnung.

      Wer war bei ihm? Alicia, die er noch für die Nacht bezahlen musste. Dass sie ihren Job gut gemacht hatte, stand außer Frage.

      Was hatte er getan? Gearbeitet, definitiv.

      Der gestrige Abend war ertragreich gewesen und beim Kartenspiel hatte er viel verdient. Das Geld der Teenager vermehrte sich mit dem der Matrosen, dass hinterrücks gemunkelt wurde, es ginge mit dem Teufel zu.

      Was sollte er machen? Er war ein guter Spieler, der fast nie eine Partie verlor – außer, er wollte es so, war unkonzentriert oder vom Alkohol zu stark benebelt. Er riskierte den Einsatz nie zu hoch und wusste mit einer Art inneren Kompass, wann jemand bluffte oder wirklich ein starkes Blatt besaß. Sein Gefühl beriet ihm meist richtig zum Mitgehen, Aussteigen oder All In – fast so, als besäße Zach einen sechsten Sinn für das Pokern.

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      Hatte er Ärger gemacht? Dazu war es nicht gekommen. Die Seemänner waren nicht begeistert über ihren Verlust, aber sie suchten auch keinen großen Streit.

      Was wurde aus dem Geld? Er hatte es teils versoffen, wie immer. Und da von der Summe noch etwas abfiel und Alicia gerade mal anwesend war, klopfte er bei ihr an und wurde nicht enttäuscht.

      Sein Verhältnis zu Frauen stand unter einem ähnlichen Glücksstern wie sein Geschick beim Poker.

      Nicht zuletzt, weil er für sein Alter noch ziemlich unverbraucht oder gar gesagt hübsch aussah, gab es keine Hure, die ihn abgewiesen hätte, selbst wenn er nicht ihren Preis zahlen konnte. Seine Qualitäten standen in der Damenwelt des Hafens nicht zur Debatte. Früher wollte Zach einmal Buch führen über die Namen seine Liebschaften, doch als die Liste anfing, sich alphabetisch vorwärts wie rückwärts zu wiederholen, gab er das Unterfangen auf und nahm die Frauen, wie sie kamen.

      Die letzte Frage: Wo waren seine Klamotten? Im Raum verteilt.

      Seufzend wischte Zach sich über das Gesicht und rieb die müden Augen. Jetzt, wo alles wieder klarer wurde, musste er an Dinge denken, die ihn real beschäftigten, bevor seine Tiefseestimmung die Oberhand gewann, sonst würde er erneut in Tränen ausbrechen. Vor Alicia wollte er diese Schwäche ungern zeigen.

      Was sagte das Wetter?

      Das kleine Fenster seitlich vom Bett berichtete ihm, dass es noch dunkel draußen war. Leichter Schneegriesel fiel. Der Wind pfiff heulend über das Dach und außerhalb des warmen Bettes herrschte die Kälte.

      Ein normaler Mann hätte sich wieder hingelegt, die Frau in die Arme genommen, sie geküsst und zu einer weiteren Runde Zweisamkeit verführt – und Alicia hätte sicher nicht nein gesagt.

      Doch er war nicht normal.

      Zach stand zähneknirschend auf, suchte nach seiner Unterhose und der schwarzen Wildlederhose und zog beides an. Als er sein Unterhemd und den dunkelgrauen Pullover überzog, warf er einen genaueren Blick über die Stadt.

      Der frühe Tag dämmerte blau im Osten. Bald würde die Sonne aufgehen. Das Hafengebiet lag still und schlafend unter einer dünnen Schneeschicht, der Himmel war fast klar und die Sterne verblassten langsam. Knapp über dem Mond leuchtete der Morgenstern.

      Die Zeit schätzte Zach auf ungefähr fünf Uhr. Die Stunde null war lange um und die Geister der Dunkelheit zogen sich zurück. Er hob seinen Gürtel mit dem Messer vom Boden auf und legte es sicher an.

      Alicia drehte ihren kurvenreichen Körper im Schlaf.

      Er legte einige Scheine für sie auf die Kommode, klaute drei Zigaretten aus ihrer Schachtel und verließ so leise wie es ihm seine Stiefel erlaubten das Zimmer.

      Mit hochgeschlagenem Kragen trotzte er dem Frost der Nacht. Die Flocken verdichteten sich und die Wolken zogen den Himmel zu. Das gewohnte Wetterbild der Nordstadt.

      Der Weg nach Hause dauerte seine Zeit. Alicia wohnte nicht gerade in seiner Nähe, weswegen er sonst selten mit ihr anbändelte, egal, wie schön sie war.

      Zach stoppte. Seine Augen wurden groß.

      Vor ihm auf der Straße bewegte sich etwas. Ein Tier.

      Ein Hund. Ein Streuner auf Futtersuche.

      Rasch öffnete Zach seinen Mantel und zog das Messer. Den Griff hielt er fest, damit er seinen zitternden Fingern nicht entglitt.

      Der Hund trottete zottig und hager an ihm vorbei, mit hängendem Kopf und sicherem Abstand.

      Vielleicht hatte der verlauste Köter mehr Furcht vor ihm als Zach, dennoch war dem der Schrecken tief in die Knochen gefahren, dass er sogar seine Schmerzen vergaß. In seiner kindlichen Angst hatte er schon die Hörner wachsen sehen.

      Er schaute dem Streuner nach, bis dieser in der Dunkelheit verschwand. Ein ganz normaler alter Hund, der irgendwann an Hunger krepieren würde – nichts weiter.

      Durchatmend löste sich Zach von seiner Anspannung und steckte das Messer weg. Zog den Mantel zu.

      „Blödes Vieh“, murrte er halblaut, mit einem leichten Zittern in der Stimme, dem Hund nach und wandte sich ab, um seinen Weg fortzusetzen.

      „Verdammter Eisengrind“, fluchte er derber und trat zornig gegen eine Schneewehe, „lass mich endlich in Ruhe!“

      Seine Nachbarn weckten ihn. Erstaunlicherweise mit ... Liebe.

      Das rhythmische Gestöhne kannte er zwar, allerdings war er wenig begeistert, in die Rolle des ungewollten Voyeurs gepresst zu werden. Stille war ihm wesentlich angenehmer und er mochte diese albernen Anspornsprüche nicht.

      Schnaufend verdrehte Zach die Augen. Er brüllte mal nicht los. War ja nur menschlich und immer noch besser als ihre Streiterei.

      Er hätte es auch so haben können, aber nein. Lieber versuchte er allein vergeblich in seinem Loch von Zuhause etwas zu finden, was es nirgends in dieser Welt gab. Wenn jemand dieses Gesuchte beim Namen nennen könnte, wäre ihm besser geholfen gewesen. Es war halt eben bloß das Gefühl, dass etwas fehlte.

      Eine Leere im Herzen.

      Zach stand von der Matratze auf, warf seinen Mantel über und verließ das Haus.

      Für die Kneipentour war der Tag noch zu jung.

      Dabei fühlte er sich so alt, wie nach jeder durchzechten Nacht.

      Sein verquerter Schlafzyklus machte ihn müde und schlaff, unkonzentriert und leichtsinnig. Das Rückgrat schmerzte zwar nicht mehr in der Form wie noch am Morgen, doch spürte er die Verspannung – besonders hartnäckig im rechten Schulterblatt. Wegen der Migräne taumelte sein Gleichgewicht und Zach wankte wie trunken durch die Gassen.

      Bis zur Nacht musste er seinen Körper in den Griff bekommen, sonst wäre er leichte Beute für die Aasgeier des Hafens.

      Hungrig holte er für seinen Magen zwei schnelle Bockwürste mit Brötchen auf die Hand bei einem fahrenden Händler und ein Starkbier zum Wachwerden bei Roxane im Getränkedepot bei Dock Vier. Dort traf er einige bekannte Gesichter an.

      Die Dox-Brothers waren fünf immer zusammenhängende, bullig gebaute Kerle und Schläger für jede Gelegenheit. Die Werften heuerten sie gelegentlich für ihre Raufereien an. Er grüßte sie knapp mit einem Nicken und sie gaben es ebenso knapp zurück.

      Lili Kit-Cat galt als Saufnutte und hatte ellenlang Kredit bei Roxi – sie war quasi schon Inventar. Sie zu grüßen hatte keinen Sinn. Ihr schwammiges Gedächtnis würde eh nicht mehr wissen, wer er war.

      Walther war ein Halsabschneider, den Zach verachtete. Um des Friedens willen ignorierten sich beide.

      Wenn es doch zu einer Schlägerei käme, würden ihm dann die Dox helfen? Bestimmt nicht, er hatte nicht für sie gezahlt.

      In schlechten Zeiten merkte man doch angeblich, wer seine echten Freunde waren. Freunde in der Not, wo waren sie sein Leben lang


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