Baphomets Jünger. Julia Fromme

Baphomets Jünger - Julia Fromme


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bin ich es gewesen, der alle hierhergebracht hat.“

      „Rudger“, verteidigte sich Matilda. „Ich wollte dich nicht kränken mit meiner Sorge. Irgendwie werden wir es schon schaffen. Das Wichtigste für mich ist doch, dass du am Leben bist. Aber Anselm hat mich heute am frühen Morgen gefragt, ob ich jemanden wüsste, der ihn nach Zschillen bringen kann. Ich fragte ihn, warum? Doch er sagte nur, er möchte Mönch bleiben und in den Deutschherrenorden eintreten. Ich versprach ihm, mit Vater Wito zu sprechen, da dieser aus Zschillen zu uns gekommen ist. Doch habe ich jetzt erst Zeit gefunden und Anselm gleich mitgenommen.“

      Resigniert ließ Rudger die Schultern nach unten sinken. Er nickte langsam mit dem Kopf. Er war traurig und fragte sich, warum Anselm ihm seinen Entschluss nicht selbst mitgeteilt hatte.

      „Nun, wenn ihr alles besprochen habt, können wir uns ja jetzt auf den Rückweg machen. Es schneit immer heftiger, und auch wenn es nur ein kurzes Stück ist. Der Pfad führt am Mühlgraben vorbei und ich habe wahrlich keine Lust, in das eisige Wasser zu geraten, nur weil der Weg nicht mehr zu erkennen ist.“ Dann schaute er Anselm mit ausdruckslosem Gesicht an. „Wann willst du aufbrechen, Anselm?“, fragte er tonlos.

      „Ich werde erst abwarten, wie die Antwort aus Zschillen ausfällt. Und jetzt im Winter, wo die Straßen schlecht passierbar sind, könnte das einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Ein zaghaftes, entschuldigendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

      „Dann ist ja alles gesagt“, meinte Rudger und wandte sich zum Gehen. „Kommt Ihr, Mutter“, bedeutete er, ohne sich umzuwenden. Ob Anselm ihm folgte oder hier bei Pater Wito blieb, war ihm im Moment herzlich egal.

      Doch Anselm entschied sich, mit zum Gutshof zurückzugehen. Der Pater besaß noch weniger Vorräte als der Gutsherr selbst, denn er war von der Gnade der Bauern hier abhängig, die im Gegenzug für seine Seelsorge für seinen Unterhalt zu sorgen hatten.

      Den Heimweg legten sie schweigend zurück. Es dauerte nur wenige Minuten und sie erreichten den Gutshof. Der Torwächter schloss ihnen die kleine Tür auf und wünschte ihnen eine gute Nacht. Er würde hier noch ein paar Stunden ausharren, bevor ein Kamerad kam, um ihn abzulösen. Die Zeiten waren im Moment relativ friedlich. Kriegshandlungen gab es hier schon seit langer Zeit nicht mehr und es war deshalb recht unwahrscheinlich, dass jemand das Anwesen überfallen würde. Doch auf Grund der Tatsache, dass es keine Zugbrücke gab, ließ Ulrich das Tor Tag und Nacht bewachen.

      Vor der Tür nahmen sie ihre Umhänge ab und schüttelten sie aus. Sie würden sie über Nacht in der Halle zum Trocknen ausbreiten müssen.

      Ulrich erwartete sie bereits und seine Miene drückte seinen Unmut darüber aus, dass Matilda nach dem Dunkelwerden den Hof verlassen hatte. Schon wollte er sie deshalb zur Rede stellen, da fiel ihm die starre Miene seines Sohnes auf. Verwundert schaute er ihn fragend an. Rudgers Freunde saßen zusammen mit den vier Waffenknechten von Ywen an der Tafel in der Nähe des Kamins. Um die Kälte aus der Halle fernzuhalten, hatte Ulrich zwei Holzkohlebecken im Raum aufstellen lassen. Der beißende Rauch zog sich in Schwaden an die Decke, wo er wabernd zum Stillstand kam. Rudger, der beileibe nicht verwöhnt war in der Wahl seiner Wohnstätten, tränten die Augen.

      „Wollt Ihr uns alle umbringen, Vater?“, schnauzte er. „Der Dunst hier drin haut den stärksten Mann um.“

      „Nun übertreibe mal nicht“, konterte Ulrich. „Sag mir lieber, was dich so verärgert, dass du ein Gesicht machst, als wäre der Satan hinter uns her.“

      „Vielleicht ist der Antichrist ja wirklich unter uns“, antwortete Rudger bissig und schaute in Anselms Richtung.

      „Jetzt überspannst du aber den Bogen“, sagte Endres, der bislang noch kein Wort gesagt hatte, tadelnd. Ihm erschien der Entschluss Anselms ja auch etwas überstürzt. Aber der Junge war kein Krieger. Was sollte er auch anderes tun, als wieder in ein Kloster zu gehen? Und eigentlich war sein uneigennütziger Entschluss, der Familie Ulrichs nicht weiter zur Last zu fallen, doch recht lobenswert. Nun ja, Rudger war halt etwas empfindlich, weil ihn Anselm nicht vorher um seine Meinung gefragt hatte. Aber das rechtfertigte nicht seine schlechte Laune. „Du tust unserem jungen Bruder mit solcherlei Gerede zutiefst unrecht.“ Damit ließ er seinen Freund einfach stehen.

      „Du versündigst dich, Rudger“, mahnte ihn auch seine Mutter. „Was ist nur in dich gefahren?“ Nachdenklich ließ sie ihren Blick auf ihrem Sohn ruhen. Rudger schaute trotzig wie ein Knabe zu Boden. „Komm Anselm“, fuhr sie an den Mönch gewandt fort. „Setz dich zu uns ans Feuer. Gerlis wird uns einen gewürzten Wein bringen, damit wir uns aufwärmen können. Es war recht kalt draußen.“ Sie winkte der Magd zu, die mit einer Handarbeit am Ende des Tisches saß.

      Matilda war eine gütige Herrin. Und auch Ulrich behandelte seine Knechte und Waffenträger gut und gerecht. Die Menschen dankten es ihnen und erledigten bereitwillig ihre Arbeiten. Ywen war kein reiches Gut. Die Erträge auf den kargen, schieferdurchwachsenen Böden waren gering. Die freien Bauern, die die Felder in Erbpacht bearbeiteten, lieferten den zehnten Teil ihrer Ernte an den Gutsherrn ab, der ihnen im Gegenzug dazu Schutz und im Kriegsfall Unterschlupf gewährte. Aber es war oft nicht genug und auch die Familie des Lehnsherrn musste hin und wieder den Gürtel enger schnallen.

      Missmutig ließ sich Rudger auf einem Schemel in der Nähe des Feuers nieder und starrte in die Flammen. Er wusste selbst, dass er Anselm unrecht getan hatte. Doch kam er sich hier wie ein Bittsteller vor, der anderen auf der Tasche lag. Vielleicht hatte der Mönch ja recht. Der Gedanke, es ihm gleich zu tun und nach Zschillen zu gehen, um dem Deutschherrenorden beizutreten, gefiel ihm zusehends. Er würde sich wohl bei seinem jungen Freund entschuldigen müssen.

      Nach einer Weile gesellte sich Valten zu ihm. “Glaub mir, mein Freund. Auch mir legt sich das alles hier aufs Gemüt“, begann er. „Ich vermisse unser Training im Kreis der Brüder, einen ordentlichen Schlagabtausch, und immer die Bereitschaft dazu, zu einem richtigen Kampf gegen die Ungläubigen geholt zu werden. Ja, Rudger. All das vermisse ich.“ Er sah seinen Freund eindringlich an. „Aber beschimpfe ich deshalb meine Freunde?“, fragte er. Seine Stimme hatte einen scharfen Ton angenommen. „Anselm ist mir meistens auf die Nerven gegangen. Aber dir ist er ein echter Freund. Das hat er nicht verdient. Du bist nur sauer, dass er selbst mal eine Entscheidung getroffen hat, ohne dich vorher um Rat zu fragen. Denk mal drüber nach.“ Valten erhob sich. Er ließ seine Hand schwer auf Rudgers Schulter sinken und drückte kurz zu. Dann ging er zurück zu den anderen, zu denen sich auch der junge Mönch gesellt hatte.

      Rudger verspürte einen Knoten im Magen, Übelkeit stieg in ihm auf. Er atmete tief durch. Was hatte er nur angerichtet? Wieso verhielt er sich so? Keiner dieser Menschen hier war ihm jemals unfreundlich gegenübergetreten. Aber die Tatsache, untätig herumsitzen zu müssen, machte ihn ungeduldig. Nach einer Weile erhob er sich von seinem Schemel und ging langsam auf die Gruppe seiner Freunde zu. Vor Anselm blieb er stehen. „Was kann ich tun, damit du mir vergibst?“, fragte er mit etwas heiserer Stimme.

      Der Mönch erhob sich sichtlich gerührt. Er wollte alles – nur nicht mit seinem besten Freund im Streit liegen. Dennoch, Rudger hatte ihm sehr unrecht getan. Auch wenn er selbst zugeben musste, dass seine Geheimniskrämerei dem Freund gegenüber eine Kränkung gewesen war.

      „Wir haben wohl beide nicht unseren besten Tag gehabt, Rudger“, sagte er mit Bedauern in der Stimme. „Ich hätte es dir sagen sollen, dass ich nach Zschillen will. Deine Mutter wusste es. Aber irgendwie hatte ich Angst, dass du mich nicht weggehen lassen würdest.“

      „Und was sagst du dazu, wenn wir zusammen hingehen?“, meinte Rudger unvermittelt. Anselm schaute überrascht auf.

      „Wann hast du dir das ausgedacht?“, fragten Endres und Valten zugleich. Jorge starrte seinen Freund nur wortlos an.

      „Nein, Freunde“, verteidigte sich Rudger. „Ich habe nichts vor euch verheimlicht.“ Ein kurzer Seitenblick auf Anselm ließ diesen schuldbewusst nach unten zu Boden schauen. „Der Gedanke kam mir gerade eben. Vielleicht hat Anselm recht. Wir haben hier nichts zu tun, sind nur unnötige Esser. Mein Vater braucht uns eigentlich nicht. Was spricht denn dagegen, in den Deutschen Orden einzutreten? Den Templerorden wird es nicht mehr lange geben, seien wir doch mal ehrlich.


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