Baphomets Jünger. Julia Fromme

Baphomets Jünger - Julia Fromme


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verlegen. „Klar, ein Erbe habe ich nicht zu erwarten. Aber es gibt immer irgendwelche Herren, die fähige Kämpfer brauchen. Ich glaube, da stehen meine Chancen gar nicht so schlecht.“

      Endres und Jorge nickten zustimmend. Denn in ihrem Innersten hatten auch sie mit dem Ordensleben abgeschlossen.

      „Du ebenfalls, Jorge?“, fragte Rudger erstaunt. „Es war doch dein ganzer Lebensinhalt, ein Ritter Christi zu sein.“

      „Das dachte ich auch, Rudger. „Ich bin mir noch nicht sicher, was ich tun werde und wohin ich gehe. Wer weiß, was das Schicksal bestimmt.“

      „Endres?“ Rudger schaute seinen Freund eindringlich an. Endres zuckte nur mit den Schultern. Dann schweifte sein Blick heimlich zu Heske, die mit ihrer Mutter vorm Kamin saß. Rudger war das Interesse, das sein Freund an seiner Schwester zeigte, nicht entgangen, und ihn beschlich das Gefühl, zu wissen, warum Endres sich nicht durchringen konnte, mit ihnen wegzugehen.

      „Nun gut, wir müssen das ja nicht heute Abend klären. Aber ich denke, mein Entschluss steht fest. Ich werde mit Anselm nach Zschillen gehen.“

      Ulrich, der zu den jungen Rittern getreten war, schaute seinen Sohn nachdenklich an. „Bist du sicher, dass du das wirklich willst. Oder ist es nur eine Trotzreaktion auf alles, was vorgefallen ist?“

      Rudger schüttelte den Kopf. „Nein Vater, ich bin mir meiner Sache eigentlich sehr sicher. Es müsste schon etwas sehr Unvorhergesehenes passieren, um mich von meinem Entschluss abzubringen.“ Er lächelte kurz. „Aber hier in Ywen ... Nichts für ungut, Vater, aber was soll sich hier schon groß ereignen. Eines Tages wird Arnald den Hof übernehmen. Wenn er sich überhaupt dafür interessiert. Im Moment scheint ihm das Lotterleben mit Heinrich von Schellenberg mehr zuzusagen, als dir hier zur Hand zu gehen.“ Rudger verzog schmerzlich das Gesicht. „Doch du hast auch noch Michel. Der wird schneller erwachsen werden, als du denkst.“

      „Siehst du, Rudger“, antwortete sein Vater, und tiefe Traurigkeit zeigte sich auf seinem Gesicht. „Deinem älteren Bruder ist es doch eigentlich egal, was aus uns hier wird. Sonst wäre er hier und würde sich um das Wohl der Menschen in Ywen sorgen.“

      Verzweifelt starrte Rudger Ulrich an, doch dieser wusste, dass der Unmut seines Sohnes nicht ihm, sondern dem älteren Bruder galt.

      „Und deshalb soll ich hierbleiben Vater?“, fragte er ungläubig. „Das geht nicht. Arnald ist dein Erbe, für mich ist hier kein Platz. Ich habe schon vor langer Zeit meine Bestimmung gefunden, als ihr mich zur Ausbildung nach Frankenhausen gegeben habt. Ich war noch ein Knabe, fernab der Heimat. Glaubt mir, Vater, damals fühlte ich mich von meiner Familie verraten.“ Rudgers Vater öffnete den Mund, um Einspruch zu erheben. „Nein, lasst mich ausreden, Vater. Heute sehe ich das anders. Ihr selbst seid niemals von hier weggegangen. Großvater hat Euch nie irgendwo in der Fremde zum Ritter ausbilden lassen. Ich verstehe es, dass Euer ganzer Stolz darin liegt, einen Templer als Sohn zu haben. Auch wenn Ihr das Schwert trefflich zu handhaben wisst“, setzte er versöhnlich lächelnd hinzu. „Und nachdem für mich gesorgt war“ fuhr er fort, „habt Ihr Arnald nach Schellenberg zu Heinrich geschickt, damit er wenigstens die Knappenausbildung erhält, die Euch versagt blieb. Nur Heinrichs Vermittlung hat er es zu verdanken, dass Markgraf Friedrich ihn zum Ritter geschlagen hat. Es gab keine Schlacht, kein Gefecht, wo er sich besonders auszeichnen konnte.“ Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. „Das wurmt ihn mächtig, und deshalb treibt er sich mit Hencke und seinen Spießgesellen herum. Der Schellenberger ist sein Vorbild, der ist wild und verwegen, alles das, was Arnald nie sein wird. Nur, dass er sich da mit Sicherheit den falschen ausgesucht hat, dem er nacheifern sollte.“

      Ulrich nickte zustimmend, doch konnte er seine tiefe Enttäuschung über den ältesten Sohn nicht verbergen.

      „Ihr habt noch Michel, Vater“, wiederholte er. „Vielleicht ist mein kleiner Bruder der rechte Erbe.“

      „Die Zeit wird es weisen“, sagte Ulrich nur. „Doch komm, Rudger, lass uns zu den anderen gehen. In wenigen Tagen ist Weihnachten. Wollen wir mit deiner Mutter besprechen, was sie für wichtige Aufgaben für uns hat.“

      Rudgers Freunde hatten die beiden in ihrem Zwiegespräch alleingelassen und sich bereits mit den anderen um den Tisch versammelt. In der Mitte standen Schüsseln mit dickem Hirsebrei und gekochten Äpfeln und eine Platte mit geröstetem Fleisch.

      „Dafür, dass uns ein harter Winter bevorsteht, habt Ihr aber ganz schön aufgetafelt, Mutter“, meint Rudger mehr im Scherz und ließ seinen Blick über den Tisch schweifen.

      „Iss, mein Sohn, solange du noch Gelegenheit dazu hast. Wer weiß, was uns die nächsten Monate bringen.“ Damit widmete sie sich ihrem Mal. Doch entging Rudger nicht der besorgte Ausdruck in ihren Augen.

      Kapitel 8

       Ywen

       6. Januar 1309

      Die Sonne sandte ihre Strahlen von einem wolkenlosen Himmel und tauchte die schneebedeckte Landschaft in ein Meer von glitzernden Juwelen.

      Rudgers Pferd schnaubte leise. Der brave Norvid hatte seinen Herrn schon durch so manches Schlachtgetümmel getragen und zählte jetzt über sechzehn Jahre. Auf seine alten Tage war der schwarze, feurige Hengst jedoch ruhiger und bedächtiger geworden. Ross und Reiter bildeten eine regelrechte Einheit, und mit Wohlwollen betrachtete Heske ihren stolzen Bruder.

      Hoch aufgerichtet saß Rudger im Sattel. Sein Blick schien in die Ferne auf die Gebirgszüge des Dunkelwaldes, der von den Einheimischen Erzgebirge genannt wurde, gerichtet. Um die Schultern hatte er seinen dunklen, wollenen Mantel gelegt, der ihm bis zu den Waden reichte. Seine Füße steckten in kurzen ledernen Stiefeln, die mit breiten Riemen bis zu den Knien hoch geschnürt waren. Auf seinem Kopf saß ein keckes Barett, unter dem seine dunkelblonden Locken hervorquollen. Doch jeglicher Anflug von Weichheit verflüchtigte sich beim Anblick seines Gesichtes. Seine schön geschnittenen Züge, deren Makellosigkeit von einer kleinen Narbe auf seiner Wange durchbrochen wurde, zeigten Härte, und der Blick seiner moosgrünen Augen war herausfordernd und unnachgiebig. Ihn umgab eine trügerische Unnahbarkeit, die Fremde zunächst auf Distanz zu ihm gehen ließ. Dass er in seinem Inneren eigentlich ein netter Kerl war, wussten sie ja nicht. Sein Leben auf den Schlachtfeldern der Christenheit hatte ihn unbeugsam werden lassen. Und wenn er, wie jetzt, tief in Gedanken versunken war, kam diese Seite seines Ichs zum Vorschein.

      „Rudger?“ Anselm hatte seinen Freund schon eine ganze Weile beobachtet. Er wechselte mit Heske einen kurzen Blick. Sie zuckte mit den Schultern. Sie konnte sich auch nicht erklären, was ihren Bruder so abwesend wirken ließ.

      Das Verhältnis zwischen Rudger und Anselm war zwar immer noch etwas angespannt. Aber der junge Mönch hatte seinem Freund schon längst verziehen. Denn waren sie nicht alle enttäuscht von den Ereignissen der letzten Monate? Der Papst hatte sich nun endgültig auf die Seite Philipps von Frankreich gestellt, und auch der deutsche König schien nicht mehr abgeneigt, die Templer zu verfolgen oder zumindest die Kirche nicht daran zu hindern. Auch, wenn der Kirchenbann gegen Burchard noch Bestand hatte, so hielt sich keiner daran, den Erzbischof zu meiden. Einzig Albrecht von Anhalt, der Halberstädter Bischof, stand noch zu seinem Wort, und mit ihm einige Landesfürsten des Reiches. Allerdings spielten die Auseinandersetzungen um die Templer hier im äußersten Osten des Landes keine große Rolle.

      „Rudger!“, rief Anselm erneut. Der Ritter zuckte leicht zusammen. Dann atmete er tief durch und kleine Wölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht. Er schaute Anselm fragend an.

      „Schau, da hinten. Ein Trupp Reiter scheint sich zu nähern.“

      Rudger sah in die angezeigte Richtung. Sein Vater war mit Heske und den drei anderen Templern den Ankommenden schon ein Stück entgegengeritten und er ahnte, wer es war.

      „Komm, Anselm. Folgen wir ihnen. Es sind die Schellenberger. Heinrich hat sich mit meinem Vater zur Jagd zu Hochneujahr verabredet. Das machen sie schon, seit ich denken kann. Die anderen werden Hencke, Clement und mein Bruder sein. Und die Jagdknechte des Schellenbergers.“


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