Baphomets Jünger. Julia Fromme

Baphomets Jünger - Julia Fromme


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seinem Pferd die Sporen. Er selbst war trotz seines geistlichen Standes ein hervorragender Reiter, war mit Pferden praktisch aufgewachsen. Sein Vater besaß ein Gestüt, dass unter anderem auch die Templer in Wichmannsdorf mit Tieren versorgt hatte. Seine Schecke gehörte dazu und er schätzte sich glücklich, dass er immer dieses Ross hatte reiten dürfen. Bei ihrem Weggang aus Wichmannsdorf führte Rudger auch etliche Pferde mit nach Mücheln. Und so war es ihnen gelungen, einige der kostbaren Tiere vor dem Zugriff der Magdeburger zu retten. Bei ihrer Flucht vom Ordenshof nach Beyernaumburg hatten Rudger und seine Gefährten alle Pferde mitgenommen. Ein Pferd war ein kostbares Gut, zumal eines, das einen Ritter in einer Schlacht tragen konnte. Und so kam es, dass Rudger und seine vier Gefährten ein starkes Ross besaßen, das sie nach Ywen gebracht hatte.

      „Gott zum Gruße, Ulrich“, empfing Heinrich seinen Nachbarn. Die Schellenberger waren einst im Auftrag Kaiser Barbarossas als mächtige Ministeriale hierhergekommen. Sie besaßen etliche Dörfer und ausgedehnte Ländereien, die sich bis zur böhmischen Grenze hinzogen. Ein Teil ihres Besitzes grenzte an die Gemarkung von Ywen.

      „Ist es nicht ein herrlicher Tag zum Jagen? Meine Treiber waren auch schon fleißig und haben einen prächtigen Keiler aufgespürt.“ Heinrich von Schellenberg lachte über das ganze Gesicht. Er war ein lebenslustiger Mensch und den erfreulichen Seiten des Daseins nicht abgeneigt, wie seine mächtige Statur verriet. Seine Züge waren angenehm, ein kurzer, grauer Bart verlieh ihm eine gewisse Würde. Immerhin war er der oberste Richter des Pleißenlandes, und ihm oblag es, alle Streitigkeiten zwischen den Adligen des Landes zu schlichten. Keine einfache Aufgabe, wie er im Laufe der Jahre erfahren musste. Doch hatte das seinem freundlichen Wesen keinen Abbruch getan.

      „Ich wünsch Euch auch einen guten Tag, Heinrich“, antwortete Ulrich und schlug in die Hand ein, die der andere ihm reichte.

      „Wie ich sehe, habt Ihr heute eine muntere Schar mitgebracht“, schmunzelte Heinrich. „Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Rudger. Und wer sind die kräftigen Burschen, die dir nicht von der Seite weichen?“, wandte er sich an den jungen Ritter.

      „Es sind meine Ordensbrüder, Herr Heinrich. Endres, Jorge und Valten. Und das hier ist Bruder Anselm.“

      „Ein Mönch?“, fragte Heinrich erstaunt und musterte die braune Kutte des jungen Mannes. „Na, wie ich sehe, hat er den Gaul gut im Griff“, meinte er augenzwinkernd.

      „Anselm mag zwar kein Ritter sein, doch was Pferde anbelangt, macht ihm keiner so schnell etwas vor.“

      „Du bestimmt nicht. Du hast dich ja nie groß für Pferde interessiert“, warf Arnald, Ruders Bruder, mürrisch dazwischen. Er war, zusammen mit seinem Busenfreund Hencke, dessen jüngerem Bruder Clement und den Jägern herangeritten.

      „Auch dir einen guten Morgen, Arnald“, konterte Rudger gelassen. Er würde sich von seinem Bruder nicht aus der Reserve locken lassen.

      Arnald hatte das Weihnachtsfest auf Ywen verbracht, war jedoch bereits am Neujahrstag wieder auf die Isenburg ins Gebirge geritten, wo sein Kumpan Hencke von Schellenberg die meiste Zeit hauste. Sein Vater hatte ihm das Versprechen abringen können, in Kürze wieder nach Ywen zurückzukommen. Ulrich fühlte sich seit einiger Zeit kränklich und es könnte nicht schaden, eine kräftige Hand auf dem Hof zu haben. Denn Rudgers Entschluss, dem Deutschen Orden beizutreten, stand fest. Bald würde er das Gut verlassen.

      „Siehst du, Vater, wir hätten Eneyde gestatten sollen, mit uns zu reiten. Wie Ihr seht, ist Heske auch da“, meldete sich jetzt Hencke zu Wort. Eigentlich hieß der Sohn des Schellenbergers genau wie sein Vater, Heinrich. Um jedoch Verwechslungen auszuschließen, rief ihn alle Welt Hencke, genau, wie ihn seine Mutter zu nennen pflegte, die aus der Nordmark kam und dem Geschlecht der früheren Grafen von Stade entstammte. „Ich grüße Euch, Ulrich von Ywen. Heske.“ Er deutete eine Verbeugung an und lächelte dem Mädchen zu.

      Endres Faust ballte sich in seinem Handschuh wie von selbst zusammen. Dieser Kerl schien Heske ganz gut zu kennen, wie der vertrauliche Ton, den er anschlug, zeigte. Er würde doch nicht gar mit dem Mädchen verlobt sein? Doch nein, davon hätte ihm Rudger mit Sicherheit erzählt. Allerdings passte es ihm überhaupt nicht, mit welchem Blick Hencke Ulrichs Tochter anschaute.

      „Und ihr seid also die Helden von Beyernaumburg?“, wandte sich Hencke nun freundlich an Rudgers Begleiter. „Man hat so einiges gehört hier im Hinterland. Die Zeiten, dass bei uns in der Gegend wirklich mal was Aufregendes passiert, scheinen vorbei zu sein“, sagte er mit Bedauern in der Stimme.

      Rudger stellte seine Freunde dem Schellenberger und dessem jüngeren Bruder vor. Clement schien das völlige Gegenteil von Hencke zu sein. Er war von mittelgroßer Statur und seine braunen Haare fielen ihm in Wellen über die Schultern. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zusammenzubinden oder, trotz der Kälte, unter einer Kappe zu verbergen. Sein hübsches, jungenhaftes Gesicht war einnehmend und der Blick aus seinen blauen Augen wirkte aufrichtig.

      Gemeinsam ritten sie in den Wald hinein, der sich hinter den Feldern von Ywen bis in das Tal der Zschopau hinabzog. Große, mächtige Tannen wechselten sich mit alten Eichen ab. Doch schienen diese immer weniger zu werden, und oft standen tote Bäume zwischen den anderen, deren Äste hin und wieder mit gewaltigem Krachen herabfielen. Gerade jetzt im Winter war es nicht ungefährlich durch den Wald zu reiten, wenn der schwere Schnee auf ihnen sie zum Brechen brachte.

      Schon nach wenigen Minuten hatten sich kleine Grüppchen gebildet. Ulrich und Heinrich ritten etwas hinter den anderen her, in ein ernsthaftes Gespräch versunken. Rudger, Endres, Valten und Heske bildeten zusammen mit Clement den Mittelteil der Jagdgesellschaft, während Hencke zusammen mit Rudgers Bruder Arnald und Jorge vorangeritten war. Rudger schien es, dass sich der junge Schellenberger und sein Freund auf Anhieb gut verstanden. Eine leise Eifersucht nagt in seinem Inneren.

      Eigentlich waren sie sich sehr ähnlich, Hencke und er. Nicht, was das Aussehen betraf, obwohl sie beide hochgewachsen und von kräftiger Statur waren. Heinrichs Sohn hätte mit Sicherheit einen guten Templer abgegeben, was seine körperlichen Eigenschaften betraf. Doch da endeten die äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen Rudger und Hencke auch schon, denn der Schellenberger Spross hatte rabenschwarzes Haar und tiefblaue Augen, und man munkelte, dass er das Ebenbild seines Urahns Falk von Schellenberg wäre. Doch woher die Leute das wussten, war Rudger ein Rätsel, denn keiner von ihnen kannte den Ritter von Schellenberg mehr persönlich, da er bereits vor nahezu einhundert Jahren gelebt hatte. Die markanten Gesichtszüge Henckes wiesen eine gewisse Härte auf und an ihm war nichts Weiches oder Versöhnliches.

      Hencke war ein rauer Geselle, keinem Kampf abgeneigt. Das bewies er oft genug, da er jeden Streit nahezu magisch anzuziehen schien, allerdings auch fast immer als Sieger daraus hervorging. Die Leute begegnetem ihm mit großem Respekt, wenn nicht sogar Angst, da er für seine Schwertkunst und seinen tödlichen Umhang mit dem Morgenstern bekannt war. Aber war er bei weitem kein Griesgram, sondern ein eher fröhlicher Geselle. Auch wenn er oberflächlich zu sein schien, kannte Rudger ihn besser. Der Sohn Heinrichs wusste durchaus, wem er Loyalität schuldete. Das Wort seines Vaters war für ihn Gesetz, auch wenn es ihm meist sehr schwerfiel, sich daran zu halten. Nicht zuletzt deshalb hatte er oben im Dunkelwald einem Grenzadeligen eine kleine Burg abgekauft oder in Pacht genommen. Ehemals nur ein steinerner Turm zum Schutz der Grenze nach Böhmen hatte Hencke sie ausbauen lassen und einen Palas errichtet. Jetzt hielt er sich meistens dort auf. Böse Zungen behaupteten, dass es sich dabei um ein Raubritternest handelte, doch Rudger glaubte nicht daran. Auch konnte er sich nicht vorstellen, dass sich sein Bruder einem Räuber anschloss. Nicht, dass er dazu nur zu feige gewesen wäre, nein, das Erbe von Ywen war ihm zu wichtig, als dass er es aufs Spiel gesetzt hätte. Und auch, wenn Rudgers Vater der Meinung war, dass Arnald kein Interesse am Hof hätte, wusste Rudger es besser. Er war überzeugt davon, dass sein Bruder nur auf den Tag wartete, wo er sich als Gutsherr aufspielen konnte.

      Die Sonne neigte sich im Westen schon langsam dem Horizont zu und ihr rotes Licht verhieß neuen Niederschlag in den nächsten Tagen. Rudger schaute gebannt auf den Schnee, der durch den Schein der Sonnenstrahlen blutrot schimmerte. Dem jungen Templer wurde etwas unheimlich zumute. Der Schrei eines Greifvogels ließ ihn zusammenzucken. Ihn hatte schon den ganzen Tag eine innere Unruhe ergriffen, die er sich nicht


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