Sinja und der siebenfache Sonnenkreis. Andreas Milanowski

Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski


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habe immer noch nicht ganz verstanden, warum das für uns wichtig sein soll?!“, sagte Ferendiano. „Was hat das Mozartding mit der Entführung zu tun?“

      „Ganz einfach“, antwortete Sinja, „wenn die Königin will, dass wir bei Mozart nachschlagen, dann muss Mozart etwas über die Königin wissen, was wir nicht wissen.“

      „Jetzt, wo du´ s sagst“, erwiderte Ferendiano gelangweilt.

      „Gut, du kannst ja solange spielen gehen, Ferendiano! Ich bin jedenfalls gespannt, ob ich mit meinen Vermutungen recht habe. Wir müssen das Buch lesen. Hier zum Beispiel.“ Sinja schlug wahllos eine Seite auf. Unter der Überschrift 6. September 1791 stand dort:

       Jetzt bin ich aber froh, bald wieder nach Wien…, da die Clemenza-Oper, vor allem vom einfachen Volk nur mäßig aufgenommen wurd. Bald möcht ich auch wieder in teutscher Sprach ein Stück….und freue mich, mein liebes Weibchen Constanze….und die Aufführung der Zauberflöte vorbereiten zu können. Der heutigen Aufführung beigewohnt hat ein sehr mysteriöser Mensch namens Adelmus, Graf zu Faselanth, welcher mir bis vor einiger Zeit noch gar kein Begriff war. Der Otto-Heinrich hat ihn mir selbst in der Loge neulicht vorgestellt und….Dieser Graf behauptet, einen Alchimisten zu kennen, der wohl ein gar treffliches Mittelchen für meine angegriffene Gesundheit hätt….

      „6. September! Das war genau drei Monate vor Mozarts Tod!“, wunderte sich Sinja.

      Manches war im schummrigen Licht der Kerzen schwer zu lesen, manche Wörter waren verwischt und unleserlich, die Tinte verblasst, doch das, was sie entziffern konnten, versetzte sie in helle Aufregung.

      „Leute! Klingelt da was bei euch, wenn ihr Adelmus, Graf zu Faselanth lest?“

      „Nö! Erstmal nicht!“, antwortete Emelda, „was vermutest du?“

      „Ich denke, dass das unser Freund ist!“, antwortete Sinja.

      „Welcher Freund?“

      „Der Unerhörte!“

      „Der Unerhörte? Dann hätte er ja durch die Zeit reisen müssen, zurück bis ins Jahr 1791 der Menschenzeit!?“, stellte Emelda ungläubig fest.

      „Korrekt!“

      „Der Unerhörte, ein Zeitreisender? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

      „Aber der Mozart ist doch früher schon mal bei uns in Dorémisien gewesen!“, warf Gamanziel ein. „Der kannte Fasolanda! Fasolanda, Faselanth. Das hätte er doch merken müssen!“

      „Vielleicht hat er nicht direkt an Fasolanda dabei gedacht. Warum hätte er auch daran denken sollen? Für ihn gab es ja erstmal keinen Zusammenhang zwischen dem Grafen und der Stadt. Jedenfalls war ihm Faselanth kein Begriff! Das schreibt er hier!“

      „Puh! Wenn das alles stimmt, dann haben wir ja noch viel mehr Probleme, als wir dachten!“, bemerkte Cichianon. „Aber, was wollte der Unerhörte in Wien bei Mozart?“

      „Lies´ doch mal den letzten Satz hier oben.“ Sinja hielt dem Elfen das Buch vor die Nase.

      „Heh, nicht so dicht! So kann ich gar nichts erkennen….!“

      „Gut, ich erzähl´ es dir. Erst ´ne Menge unwichtiges Zeug und dann kommt´s: …der wohl ein treffliches Mittelchen für meine Gesundheit hätt. Der Herr Graf sorgt sich um die Gesundheit des Meisters. Warum? Da gibt es zwei Möglichkeiten: erstens, er meint es ernst und möchte, dass Mozart ein gesundes und langes Leben hat, weil er, zum Beispiel, seine wundervolle Musik so sehr liebt oder…., zweitens, er meint genau das Gegenteil. Dem Herrn Grafen gefällt irgendetwas an Mozarts Musik oder an Mozart selbst überhaupt nicht und er will ihn mit Hilfe seines Mittelchens zum Schweigen bringen. Was haltet ihr davon?“

      „Hm! Das klingt schon eher nach dem Unerhörten“, brummelte Amandra, „aber er als Zeitreisender? Davon hab´ ich noch nie gehört. Bis jetzt sind das wilde Spekulationen. Was den Unerhörten angeht, kann ich mir nicht vorstellen, dass er plötzlich sein Herz für Musiker entdeckt hat. Er hat ewig lange versucht, die Musik aus Dorémisien zu verbannen und absolute Stille herzustellen und jetzt das? Nein! Andererseits, warum sollte er ausgerechnet den Mozart umlegen wollen?“

      „Die Antwort auf diese Frage finden wir entweder in diesem kleinen, braunen Büchlein hier oder in den Noten und dem Text der Zauberflöte“, sagte Sinja.

      „Nur dumm, dass wir die Noten nicht haben“, sagte Emelda.

      „Ja“, sagte Gamanziel, „in der Bibliothek brauchen wir uns nach dem Diebstahl erstmal nicht mehr sehen zu lassen.“

      40 (38/3)

      „Nicht nötig“, sagte Sinja, hob in aller Seelenruhe ihr Hemd hoch und förderte das dunkelblaue Buch zutage.

      „Ich werd´ verrückt, sie hat auch noch die Noten geklaut“, staunte Emelda mit offenem Mund.

      „Sinja, bist du wahnsinnig!?“, rief Gamanziel.

      „Zweimal lebenslänglich“, kommentierte Amandra trocken. Die drei Jungs saßen ungläubig daneben und schauten sich schweigend an.

      „Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen“, sagte Sinja. „Jetzt regt euch mal wieder ab. Sie kriegen es ja zurück. Lasst uns erstmal lesen und darüber nachdenken. Jammern könnt ihr, wenn sie mich verhaftet haben. Hier, auf dem Umschlag steht es: die Uraufführung der Zauberflöte fand am 30. September 1791 statt.“

      „Ja und?“

      „Unser Graf hat am 06. September des gleichen Jahres Mozart in Prag getroffen, anlässlich der Aufführung einer anderen Oper. So steht es im Tagebuch. Und dort hat er dem Mozart einen Alchimisten ans Herz gelegt, der ein Mittelchen für seine angegriffene Gesundheit hätte. Das war dreieinhalb Wochen, bevor die `Zauberflöte´ zum ersten Mal gespielt wurde. Das passt doch viel zu gut zusammen, um Zufall sein zu können. Der gute Mozart ist am 05. Dezember 1791 gestorben. Die offizielle Todesursache war, laut seinem Hausarzt `hitziges Frieselfieber´. Das ist eine Krankheit, unter der man sich heute kaum noch etwas vorstellen kann und auch für damalige Verhältnisse ist das eine sehr, sehr ungewöhnliche medizinische Beschreibung. Ich weiß, dass Mozart seiner Frau Constanze gegenüber mehrfach davon gesprochen hat, dass man ihn vergiftet habe, das letzte Mal im November vor seinem Tod und wenn ich mir das alles so ansehe, dann finde ich diese Theorie gar nicht so abwegig.“

      „Dann musst du jetzt nur noch erklären, wie es dazu kommt, dass der Mozart nicht vor der Uraufführung der Zauberflöte gestorben ist, sondern erst im Dezember“, wand Amandra ein.

      „Stimmt!“, sagte Sinja. „Wie es zu dieser Verzögerung kam, das weiß ich nicht.“

      „Also mir ist das Ganze viel zu abgedreht!“, maulte Ferendiano in sich hinein. „Nicht nur die entführte Königin Myriana ist in ein Mordkomplott verwickelt, sondern jetzt wurde auch noch der Mozart ermordet. Meinst du nicht, dass du langsam ein wenig übertreibst mit deinen Horrorgeschichten, Sinja? Du strapazierst meine Nerven im Moment ganz ordentlich!“

      „Also, wenn irgendetwas unsere Nerven strapaziert, Ferendiano, dann ist das diese ganze verworrene Geschichte“, erwiderte Sinja. „Mozart selbst hat doch davon gesprochen, dass er vergiftet wurde. Das hab doch nicht ich erfunden. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen all diesen Dingen gibt und den müssen wir aufdecken, wenn wir Königin Myriana retten wollen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass wir sie gar nicht von ihrem Entführer befreien müssen, sondern von etwas ganz Anderem!“

      Nachdem Sinja geendet hatte, herrschte betretenes Schweigen. Ihre Ausführungen hinterließen bei den Elfen völlige Ratlosigkeit. Mehrere Fragezeichen schwebten im Raum. Die Luft war dick geworden.

      „Also, ehrlich gesagt“, begann Cichianon nachdenklich nach einer erheblichen Pause, „ich habe zwar selbst keine bessere oder sinnvollere Erklärung für Königin Myrianas Nachricht und ihr Verschwinden, kann aber mit deiner Mozarttheorie nicht viel anfangen.“


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