Götterfunken. Sabine Claudia

Götterfunken - Sabine Claudia


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Frau­en und Mäd­chen, de­nen er be­geg­ne­te ge­ra­de­zu läs­tig. Konn­te es wirk­lich sein, dass er in ei­nem an­de­ren Le­ben ei­ne Frau so sehr ge­liebt hat­te, dass er für sie ge­stor­ben war?

      Er fand die­sen Ge­dan­ken ab­surd, doch sein Ge­fühl ließ ihn ah­nen, dass es so war. Die Fahrt aus dem Dorf zu dem Gut wo er zu­hau­se war, dau­er­te lan­ge und er dös­te ein, ein­ge­lullt durch das Schau­keln der Kut­sche.

      Bil­der stie­gen vor sei­nem in­ne­ren Au­ge auf. Er sah ei­ne gro­ße stein­er­ne Hal­le mit Koh­le­be­cken und Fa­ckeln an den Wän­den. Vor sich er­blick­te er ei­ne Frau in ei­nem wei­ßen Kleid. Sie trug gold­ene Span­gen um Hals und Ar­me. Auch ihr Gür­tel war aus Gold. Sie hat­te lan­ges schwar­zes Haar und stand mit dem Rü­cken zu ihm. Er sah, dass sie ein Ge­fäß mit bei­den Hän­den in die Hö­he hielt und hör­te sie selt­sa­me Wor­te in ei­ner un­be­kann­ten Spra­che mur­meln. In sei­nem Traum ging er auf sie zu und fass­te nach ih­rer Schul­ter um sie um­zu­dre­hen, denn er woll­te ihr Ge­sicht se­hen. In dem Mo­ment da er sie be­rühr­te, sah er ei­nen grel­len Blitz auf­zu­cken, der ihn zu Boden schleu­der­te.

      Er­schro­cken fuhr er hoch und er­wach­te aus sei­nem Traum.

      Die Kut­sche hat­te mit ei­nem Ru­ckeln vor sei­nem Zu­hau­se ge­hal­ten. Nach­denk­lich und noch be­nom­men von sei­nem kur­zen Schlaf ging er in sei­ne Räu­me. Er leg­te sei­ne Klei­der ab und warf sich nackt auf sein Bett. Der Traum hat­te die­ses eigen­ar­ti­ge Ge­fühl in ihm ver­stärkt.

      Was hat­te die He­xe ge­sagt? Die Er­in­ne­rung und das Wis­sen wä­ren in ihm.

      Do­ri­an schloss die Augen und rief sich das Bild der Frau, die er nur von hin­ten ge­se­hen hat­te, ins Ge­dächt­nis. Was war da noch ge­we­sen? Er konn­te sich an ei­nen schwa­chen Duft von Rosen­blät­tern und Weih­rauch er­in­nern. Der Ge­ruch war für ihn ver­bun­den mit ei­nem tie­fen Schmerz, der ihm das Herz zer­riss.

      Doch er kann­te die Ur­sa­che die­ses Schmer­zes nicht. Wie­der schlief er ein über sei­nen Grü­be­lei­en.

      Er fühl­te die küh­len La­ken auf sei­ner nack­ten Haut. Je­mand saß bei ihm, es war die Frau aus sei­nem Traum, doch ihr Ge­sicht lag im Dun­keln ver­bor­gen. Er ver­such­te, sich zu be­we­gen, doch er konn­te sich nicht rüh­ren. Bleisch­wer lag sein Körper auf dem Bett. Er fühl­te die Be­rüh­rung ih­rer Hand, als sie ihm sanft über das Ge­sicht strich und hör­te sie zärt­li­che Wor­te mur­meln, doch er ver­stand die Spra­che nicht.

      Er wur­de von sei­nen Ge­füh­len über­wäl­tigt. Plötz­lich emp­fand er Lie­be, wie er sie noch nie ver­spürt hat­te, die wie ei­ne Wo­ge über ihn her­ein­brach und ihn mit­riss und gleich­zei­tig ei­nen so schar­fen Schmerz der Trau­er, in sei­nem In­ne­ren, dass er das Ge­fühl hat­te da­ran zu ster­ben.

      Er rang nach Atem, die Luft wur­de ihm knapp und Pa­nik über­fiel ihn, als er mein­te er wür­de er­sti­cken.

      Ent­setzt er­wach­te er aus sei­nem Traum. Sein Herz schlug wie wild in sei­ner Brust und er lag schwer at­mend da mit weit auf­ge­ris­se­nen Augen.

      War das die Er­in­ne­rung ge­we­sen, wel­che die He­xe ge­meint hat­te?

      Es muss­te so sein, denn er hat­te noch nie so emp­fun­den.

      Ru­he­los stand er auf, wi­ckel­te sich in ei­nen Mor­gen­rock und öff­ne­te ein Fens­ter. Die küh­le Nacht­luft trock­ne­te den Schweiß auf sei­nem Körper und sein Atem wur­de ru­hi­ger. Er frag­te sich, ob ihn die He­xe mit ei­nem Fluch be­legt hat­te, doch er konn­te kei­nen Grund da­für fin­den.

      Tief in sei­nem In­ne­ren wuss­te er be­reits, das sie die Wahr­heit ge­spro­chen hat­te, und er sich in sei­nen Träu­men an ein ver­gan­ge­nes Le­ben, er­in­nert hat­te.

      Er konn­te noch immer die In­ten­si­tät, die­ser über­wäl­ti­gen­den Lie­be füh­len und ihm war be­wusst, er woll­te wie­der so füh­len, so lie­ben. Er woll­te die­se ei­ne Frau wie­der­ha­ben, für die er so emp­fun­den hat­te. Die He­xe hat­te ihm ge­sagt, wenn er das woll­te, so wür­de sie ihm den Weg da­zu zei­gen.

      Am Ho­ri­zont sah er die Son­ne auf­ge­hen.

      Er schloss das Fens­ter und schlüpf­te in sei­ne Klei­der vom Vor­tag. Im Stall ließ er sich ein Pferd sat­teln und ritt in schar­fem Ga­lopp den lan­gen Weg zum Dorf hin­un­ter.

      An der Schen­ke an­ge­kom­men, sah er ei­ne Grup­pe von Leu­ten, in de­ren Mit­te der Pas­tor stand. Sie dis­ku­tier­ten auf­ge­regt. Do­ri­an trat zu ih­nen und der Pas­tor rich­te­te das Wort an ihn. »Ah, gut dass ihr hier seid jun­ger Herr, wir ha­ben vor, ei­ne He­xe der Ge­richts­bar­keit aus­zu­lie­fern«.

      Do­ri­an er­schrak bei sei­nen Wor­ten, doch er ließ sich nichts an­mer­ken und lä­chel­te den Pas­tor freund­lich an.

      »Ei­ne He­xe sagt ihr Hoch­wür­den, wer glaubt denn an so et­was.« Das Ge­sicht des Pas­tors war ernst. »Lei­der ja, es gibt sie und mei­ne Auf­ga­be ist es harm­lo­se Men­schen vor Krea­tu­ren der Dun­kel­heit zu be­wah­ren.«

      Do­ri­an hob be­schwich­ti­gend die Hän­de. »He­xe­rei ist ei­ne schwer­wie­gen­de An­schul­di­gung, das muss sorg­fäl­tig ge­prüft wer­den. Wo ist denn die­se ver­meint­li­che He­xe?«

      »Sie hat sich hier in der Schän­ke ein­ge­nis­tet«, ant­wort­ete der Geist­li­che.

      »Nun dann wer­de ich sie mit­neh­men auf Gut Ho­hen­berg, wäh­rend ihr nach Be­wei­sen für ih­re Schuld sucht.« Do­ri­an lä­chel­te über­he­blich. Sei­nem Vater stand als Guts­herr die ober­ste Ge­richts­bar­keit im Dorf zu.

      Der Pas­tor zeig­te sich we­nig er­freut über die Aus­sicht, die He­xe nicht selbst in Ge­wahr­sam neh­men zu kön­nen und sie, wie er vor­ge­habt hat­te, in den feuch­ten Ker­ker bei den Ge­wöl­ben un­ter sei­ner Kir­che zu wer­fen, der noch aus der Zeit der In­qui­si­tion stamm­te. »Das ist zu ge­fähr­lich jun­ger Herr«, wand­te er schwach ein.

      Do­ri­ans Lä­cheln wur­de brei­ter. »Aber nicht doch. Es gibt ge­wiss ein paar kräf­ti­ge Bur­schen hier im Dorf, die mich und die Ge­fan­ge­ne be­glei­ten wer­den, auf mei­nem Weg zum Guts­hof.«

      Der Pas­tor ver­beug­te sich knapp mit sicht­li­cher Ver­är­ge­rung.

      Ge­mein­sam be­tra­ten sie das Hin­ter­zim­mer der Schen­ke, wo die Frau sie ru­hig er­war­te­te. Der Pas­tor woll­te sie grob von ih­rem Stuhl zer­ren, doch Do­ri­an wehr­te ihn ab und sah ihn war­nend an. »Wir be­han­deln sie zu­vor­kom­mend, bis wir Be­wei­se für ih­re Schuld ha­ben«, sag­te er kühl zu dem Geist­li­chen. Sanft nahm er ih­ren Arm und sie folg­te ihm zu der war­ten­den Kut­sche vor der Schen­ke. Er war ihr beim Ein­stei­gen be­hilf­lich und setz­te sich ihr ge­gen­über in den Wagen. Die zwei kräf­ti­gen jun­gen Bur­schen aus dem Dorf ver­wies er, auf dem Kutsch­bock Platz zu neh­men.

      Do­ri­an klopf­te ge­gen die Tür der Kut­sche und gab dem Fah­rer das Sig­nal los­zu­fah­ren. Der Pas­tor blieb mit wü­ten­der Mie­ne zurück und Do­ri­an wink­te ihm grin­send zu.

      Als sie aus dem Dorf her­aus fuh­ren, sah er die Frau mit ern­stem Ge­sicht an. »Ich ha­be dich ge­ret­tet, das ist dir doch be­wusst, nicht wahr?«

      Die Frau lä­chel­te ihm über­le­gen zu. »Ja, wa­rum wohl, habt ihr das ge­tan?« Ih­re Stim­me troff vor Sar­kas­mus.

      


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