Götterfunken. Sabine Claudia
Fuchs, eine Kollegin, kam angelaufen mit einer Schaufel in der Hand.
Severin nahm sie ihr ab und grub behutsam Zentimeter um den Steinhaufen herum die Erde auf. Er legte weitere Steinquader frei und einige seiner Leute, hatten sich Werkzeug besorgt und taten es ihm gleich.
Innerhalb der Baumgruppe legten sie mehrere Zentimeter hoher steinerner Überreste frei, die kreisförmig angeordnet waren. Severin befürchtete schon, dass es sich um einen simplen Brunnen handeln würde, doch der Kreis wurde immer größer.
Was war das bloß?
Mit zäher Verbissenheit arbeiteten sie sich weiter vor. Am späten Nachmittag hatten sie Teile der Steinmauer einen Meter tief ausgegraben und stießen auf Steinstufen. Als sie begannen sie freizulegen, machten sie den ersten Kleinfund.
Es handelte sich um einen dicken goldenen Armreif, was sie erkannten als sie den Dreck von ihm gewaschen hatten.
Es wurde langsam dunkel. Sie sicherten die Fundstelle, die während des Tages von allen Anwesenden ungläubig bestaunt worden war, mit Absperrbändern und gingen auf das Feld zurück.
Dort hatten sie ein Lager mit Zelten und Schlafsäcken errichtet, sodass sie sich den Weg zum Hotel in das 15 km entfernte Ebershalde, sparen konnten.
Severin putzte und spülte weiter an dem goldenen Armreif, den sie gefunden hatten. Er hatte Gravuren entdeckt und brannte nun darauf sie völlig freizulegen, um sie zu entschlüsseln.
Als es so weit war, stutzte er. Er nahm an, der Goldreif würde von einem hochgestellten Germanen stammen und vermutete in den steinernen Überresten, die sie gefunden hatten, ein unterirdisches Grab.
Doch die Symbole auf dem Armreif, waren nicht die verschlungenen Knoten der germanischen Kultur.
Es waren Schlangen darauf, Sonne und Mond und seltsame Zeichen, die an ein Y des Alphabets erinnerten. Im inneren des Reifens waren Schriftzeichen einer Keilschrift eingraviert, die sich von germanischen Runen völlig unterschieden.
Er hielt den Goldreif nun für ein ägyptisches Artefakt und hatte keine Erklärung dafür, wie es hierher kam. Vielleicht handelte es sich dabei um das Beutestück eines Römers, der ihn aus Ägypten mitgebracht hatte.
Robert und Susanne gesellten sich zu ihm.
»Hast du eine Ahnung, was die Gravuren bedeuten?«, fragte Robert ihn.
Severin zuckte die Achseln. »Es ergibt keinen Sinn. Der Armreif scheint weder römisch noch germanisch zu sein. Ich tippe darauf, dass er aus Ägypten stammt.«
Susanne sah ihn überrascht an. »Ägypten? Was sucht er dann hier?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Severin. Nachdenklich betrachteten sie das Schmuckstück.
»Zeit, schlafen zu gehen. Wir werden morgen sein Geheimnis lüften«, sagte Robert schließlich und gähnte.
Severin wickelte den Armreif in ein weiches Tuch und verstaute ihn in einer kleinen Holzkiste. Sie wünschten einander eine gute Nacht und gingen in ihre Zelte.
In seinen Schlafsack gerollt, lag Severin noch eine Weile wach und dachte an den eigenartigen Fund dieses Tages.
Ein steinernes Grab, ja eine Gruft und ein Armreif, der offenbar aus Ägypten stammte?
Die Germanen hatten ihre Toten in Hügelgräbern bestattet.
Es konnte sich nur um das Grab eines Römers handeln. Doch so weit von Rom entfernt?
Severin kam zu keiner befriedigenden Erklärung. Schließlich rollte er sich zur Seite und schlief ein.
Am nächsten Morgen war er früh auf den Beinen. Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich und war gespannt darauf, welche Geheimnisse, die steinerne Gruft noch lüften würde.
Seine Kollegen erwachten gerade, als er schon mit Werkzeug bepackt auf dem Weg zu dem Grab war.
Behutsam grub er Stufe um Stufe aus. Die anderen gesellten sich zu ihm und gemeinsam legten sie mit schweißtreibender Plackerei große Teile des unterirdischen Bauwerkes frei.
Es führte viel tiefer in die Erde, als er angenommen hatte. Am Ende der letzten Stufe stießen sie auf eine Tür aus Stein. Zumindest nahmen sie an, dass es eine Tür war, denn ein Schloss, oder einen Riegel konnten sie darauf nicht entdecken.
Nun machten sie sich daran diese vom Erdreich zu befreien, unter dem sie jahrhundertelang verborgen war.
Nachdem der gröbste Dreck entfernt war, wurden seltsame Symbole an dem Steintor sichtbar. Sie waren jenen des goldenen Armreifes ähnlich, den sie am Tag zuvor gefunden hatten.
»Was ist das denn?«, fragte Susanne erstaunt und deutete auf die Symbole an der Tür.
Ein junger Mitarbeiter, namens Klaus kam näher ran und betrachtete die Zeichen an der Tür interessiert. »Ich habe letztes Jahr einen Lehrgang für altsumerische Keilschrift, bei Professor Frederik Ahrens belegt. Die Schriftzeichen sahen denen da sehr ähnlich.«
Severin und die anderen sahen ihn erstaunt an. »Sumerisch? Bist du sicher? Was macht ein sumerisches Grab hier mitten in Niedersachsen?«, fragte Robert ungläubig.
Severin musterte das Tor skeptisch. Dann kramte er sein Handy aus der Hosentasche.
»Wen rufst du an?«, fragte Susanne verwundert.
»Wir brauchen Unterstützung. Ich rufe einen Freund von der Uni Berlin an, der ein Experte für die Kultur des alten Sumer ist.«
Schon meldete sich am anderen Ende Jemand und Severin erzählte in groben Zügen von ihrem merkwürdigen Fund. Das Gespräch währte nur kurz und Severin legte mit einem Lächeln auf. »Tobias kommt zu uns. Schon morgen wird er hier sein.«
»Wer ist Tobias?«, fragte Susanne genervt. Ihr gefiel es gar nicht, dass ein Fremder sich eventuell die Lorbeeren verdienen würde, die ihnen gebührten.
Severin lächelte sie beschwichtigend an. »Tobias ist ein netter Kerl und hat ein Menge Ahnung von alten Kulturen«.
Zu Klaus gewandt, fuhr er fort: »Er ist übrigens ein guter Freund von Professor Ahrens«. Der schnitt eine Grimasse.
Jeder von ihnen wusste dass Frederik Ahrens, ein komischer Kauz war, der seine Besessenheit für die sumerische Götterwelt voll auslebte.
»Keiner fasst hier was an, wir