Wir kamen mit der Mayflower. S.C. Bauer
vorgestellt zu haben. »Verzeiht mir, ich bin Priscilla Mullins.«
Susannah lächelt nachsichtig. »Können wir uns nicht duzen? Wenn du mich so ehrerbietig ansprichst, komme ich mir vor, wie eine alte Matrone. Du bist aus London nicht wahr?«
Susannah scheint richtig nett zu sein.
Ich nicke erfreut und taue langsam auf. »Gerne. Nicht ganz. Meine Familie stammt aus Dorking in Surrey. Ich bin mit meinen Eltern und meinem Bruder hier.«
Susannah nickt. »Ja, ich habe euch schon gesehen. Ihr seid mit den Martins und den Hopkins befreundet«.
Ich verziehe das Gesicht und schnalze mit der Zunge. »Die Familie Hopkins haben wir erst an Bord kennengelernt und meine Mutter hat sich mit Mrs. Hopkins angefreundet. Ob man das Verhältnis meines Vaters zu Mr. Martin als Freundschaft bezeichnen kann, weiß ich nicht. Ich denke, es ist eher eine Zweckgemeinschaft.« Mir schießt plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass mich meine Mutter scharf tadeln würde, wenn sie mich hören könnte, wie ich wenig schmeichelhaft über andere Leute rede, aber Susannah lacht über meine unverblümten Worte.
»Was für ein Glück! Ich habe mich schon gefragt, wie man mit einem derartig unangenehmen Menschen, wie Mr. Martin befreundet sein kann. Seine Frau mit ihrer sauertöpfischen Miene erscheint mir auch nicht gerade als Quell purer Freude.«
Hastig schaue ich mich um, ob jemand unsere Worte gehört hat, aber wir haben leise gesprochen und die anderen Frauen unterhalten sich ebenfalls, während sie warten. Niemand achtet auf uns. Ich nicke und lächle Susannah verschwörerisch zu und freue mich, weil sie offenbar ehrliche Worte bevorzugt, anstatt des manierlichen unverbindlichen Geplauders.
Mein zähes Rindfleisch scheint nun genügend weich gekocht und ich hebe den Topf von der Kohlenpfanne. Susannah stellt ihren eigenen Kochtopf auf die Feuerstelle und beginnt Fleisch und Zwiebeln hineinzuschneiden. »Es hat mich gefreut dich kennenzulernen. Ich muss jetzt das Essen zu meiner Familie bringen, bevor es kalt wird«, verabschiede ich mich von Susannah.
Sie nickt mir zu. »Wir sehen uns Priscilla.«
Ich bin fröhlicher, als zuvor und eile mit dem schweren Topf zu meiner Mutter, die sich um Mrs. Hopkins kümmert, die Zahnschmerzen hat und von Brechreiz und Übelkeit geplagt wird. Wir alle leiden unter Zahnschmerzen und blutenden Geschwüren im Mund. Der damit einhergehende Mundgeruch ist mir peinlich und ich spüle ständig mit Salzwasser, das fürchterlich brennt und nur wenig hilft. Viele von uns werden von Krankheiten geplagt. Manche husten ständig und einige haben Muskelschmerzen und offene Geschwüre an den Beinen. Unser Befinden wird durch die feuchte stickige Enge in der wir leben, nicht besser.
»Ich habe keinen Hunger. Bring deinem Vater und den Jungen den Eintopf«, wehrt meine Mutter ab, als ich ihr eine Schüssel des Ragouts anbiete.
Constance hat schon vor mir für ihre Familie gekocht und der Fisch, der ihrer Familie zugeteilt wurde, war schnell gar. Dazu gab es bei der Familie Hopkins Kekse, Bier und Käse. »Mutter hat nur Bier getrunken und an einem trockenen Keks geknabbert«, erzählt sie mir ein wenig verzagt. Ich werfe einen Blick auf Mrs. Hopkins. Sie ist bleich und sieht nicht gut aus. Ihr Bauch steht wie ein Berg von ihr ab. Wir sind nun alle sicher, dass sie ihr Kind, während der Reise bekommen wird. Ich schaue Constance mitfühlend an und biete ihr etwas von dem Ragout an. Sie lächelt mir zu und isst ein paar Löffel davon.
Joseph, Robert und mein Vater kauen an dem zähen Fleisch herum und ich selbst bringe kaum einen Bissen runter. Peter gesellt sich gut gelaunt zu uns. »In den Mannschaftsräumen am Oberdeck ist es besser als hier«, bemerkt er und rümpft die Nase wegen des Gestanks hier unten. Ich kriege ihn nur selten zu Gesicht, da er sich häufig bei den Matrosen aufhält. Er bildet eine Ausnahme und die Besatzung duldet ihn unter sich, weil er ein besonders fröhliches und einnehmendes Wesen hat. Auch mögen sie seine Hündin und spielen mit ihr an Deck. John Goodman und andere junge Männer haben versucht sich ebenfalls den Seeleuten anzunähern, wurden aber barsch zurückgescheucht ins Zwischendeck.
Captain Jones erlaubt uns allen, nur selten nach oben zu gehen. Er findet es zu gefährlich und hat Angst, dass einer von uns über Bord fällt.
Peter ist der Einzige, der es wagt, eine Bemerkung zu dem Eintopf zu machen. »Priscilla, du hast nicht zufällig, das Rindfleisch mit dem Schuhwerk deines Vaters verwechselt, oder?«
Joseph und Robert prusten los und auch ich muss grinsen. Aber mein Vater weist ihn streng zurecht. »Sei dankbar, dass dir der Herr etwas zu essen gibt. Es steht dir nicht zu, darüber zu spotten.«
Peter zuckt gleichmütig die Schultern, erwidert jedoch nichts. Wir essen schweigend mit gesenktem Blick weiter.
Ich frage mich insgeheim, warum unser Leben immer so bitter ernst sein muss und Fröhlichkeit und Spaß, als lasterhaft angesehen werden. Peter scheint ähnlich wie ich zu denken, aber er ist ein Mann und ihm steht es frei, sich eine Meinung zu bilden. Ich habe mich hingegen zu fügen. Jetzt meinem Vater und sobald ich verheiratet bin, meinem Mann. Dieser Gedanke stimmt mich ein wenig traurig. So sehr ich mich auch bemühe, es will mir nicht gelingen, mein Los anzunehmen, und meine Sehnsüchte nach einem schwer fassbaren Mehr, das ich mir vom Leben erwarte, zu vergessen.
Obwohl Susannah gut zehn Jahre älter ist, als ich freunden wir uns an, was Constance ein wenig kränkt. Ich bemühe mich, sie einzubeziehen in die Freundschaft mit Susannah, aber obwohl sie sehr reif für ihr Alter ist, hat sie mit ihren 14 Jahren andere Interessen, als wir beide.
Sie wendet sich vermehrt Mary Chilton und Elizabeth Tilley zu, die in ihrem Alter sind und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich sie vernachlässige.
Susannah scheint jedoch froh zu sein, sich mit mir alleine unterhalten zu können. Sie behandelt mich wie eine Gleichaltrige und ich genieße ihre Aufmerksamkeit. Unsere Gespräche bedeuten mir sehr viel und so verdränge ich die Schuldgefühle wegen Constance.
Susannah erzählt mir mehr von den Leuten aus Leiden und von ihrer Familie. »Ich habe hier all meine Angehörigen. Da ist natürlich mein Mann William und unser fünfjähriger Sohn, Resolved. William und ich kennen uns schon von Kindheit an und es war wenig überraschend für alle, als wir geheiratet haben. Ich bin eine geborene Fuller. Mein Bruder Edward ist mit seiner Frau Ann, seiner Tochter Alice und seinem Sohn Samuel an Bord. Mein anderer Bruder Samuel, hat seine Frau und seinen kleinen Sohn in Leiden zurückgelassen. Er will sie erst nachkommen lassen, wenn das Leben in der Kolonie gesichert ist. Du musst wissen, dass er schon zweimal verwitwet ist und keine dritte tote Ehefrau riskieren will. Samuel hat einen jungen Diener, William