Wir kamen mit der Mayflower. S.C. Bauer
John Robinson an.«
»Ihr seid alle Separatisten?«
»Die meisten von uns. Reverend Carver ist dir ja schon bekannt. Die Schwester seiner Frau ist mit Pastor Robinson verheiratet und er kam durch seine Ehe zu unserer Gemeinde. Mein Mann William und Isaac Allerton sind führende Gemeindemitglieder, ebenso wie Edward Winslow. Mein Bruder Samuel ist Diakon und William Brewster ist der Kirchenälteste wie du weißt. Er hat als Professor in Leiden Englisch unterrichtet und ist ein sehr gebildeter Mann, der Griechisch und Latein spricht. In England stand er in diplomatischem Dienst, bis ihm sein Glaube in die Quere kam und seine Karriere beendete. Gemeinsam mit John Robinson hat er unsere Gemeinde gegründet und dafür gesorgt, dass unsere Leute in Leiden eine Zuflucht fanden, als die Verfolgungen durch die Krone in England unerträglich wurden.«
Ich nicke verständnisvoll. »Mein Vater wurde auch verhaftet, wegen seiner Überzeugungen. Ich weiß, dass es gefährlich ist, wenn man eine eigene Meinung hat«, sage ich und denke an die Pamphlete, von denen John Goodman erzählt hat.
Susannah sieht mich prüfend an. »Ja, das ist wahr«, fährt sie fort, »wir haben alle gefährliche Überzeugungen«.
Sie scheint darauf zu warten, dass ich etwas sage, aber ich will ihr nicht verraten, was uns John Goodman anvertraut hat. »Bist du auch mit den Bradfords bekannt?«, frage ich in der Hoffnung, dass ich so das Gespräch auf Miles Standish lenken kann.
»Die Bradfords kenne ich sehr gut. Dorothy Bradford ist die Nichte meines Mannes. Sie hat William Bradford schon mit 16 Jahren geheiratet und wir fanden alle, auch ihr Vater, der ein bedeutender Kirchenältester in Amsterdam ist, dass sie viel zu jung war, um eine Ehefrau zu werden. Aber William liebt sie aufrichtig und Dorothy ist ein zerbrechliches Geschöpf. Sie neigt zur Schwermut und braucht einen starken Beschützer, bei dem sie sich anlehnen kann. William behandelt sie oft wie ein Kind aber es tut ihr gut, dass er sie verhätschelt«.
»Haben sie Kinder?«, frage ich neugierig.
Susannah nickt. »Sie haben einen dreijährigen Sohn und Dorothy war außer sich, als sie erfahren hat, dass sie ihn nicht mitnehmen darf. Sie hat tagelang geweint und kein Wort mit ihrem Mann gesprochen, aber Williams Entscheidung war völlig richtig. Der Kleine ist kränklich und schwach und hat kaum eine Chance eine so lange Reise unbeschadet zu überstehen. Er ist bei liebevollen Menschen, dem Ehepaar Southworth untergebracht, die gut für ihn sorgen. Er kann nachkommen, wenn das Leben in der Kolonie sicher ist und er ein wenig älter und kräftiger ist.«
Sie hat bisher kein Wort über Miles Standish verloren und ich fasse mir ein Herz und frage sie direkt nach ihm.
»Captain Standish ist ein Gentleman von der Isle of Man. Er stammt aus einer begüterten adligen Familie und war ein hochrangiger Offizier, in der Armee von Königin Elizabeth. William Bradford, der ebenfalls aus besseren Kreisen kommt, und mit ihm schon länger befreundet war, hat Pastor John Robinson vorgeschlagen, ihn als militärischen Führer für unsere Expedition anzuheuern, um die Verteidigung unserer Kolonie aufzubauen und ihn mit der Errichtung eines Forts zu betrauen.«
»Ist er auch ein Separatist?«
Susannah runzelt die Stirn. »Nein, er gehört nicht zu unserer Gemeinde, sofern er überhaupt an einen Gott glaubt«, erwidert sie geringschätzig.
»Du magst ihn also nicht?« Ich kann mir meine Neugier nicht verbeißen.
»Wenn du mich so direkt fragst- Nein, nicht besonders. Er hat einen hitzigen Charakter und geht keinem Streit aus dem Weg. Edward Winslow, der ein kluger Mann ist und ihn aus England kennt, hat Pastor Robinson von ihm abgeraten.«
»Nun, das kann ich mir gut vorstellen. Einem verstaubten Langweiler, wie Mr. Winslow, muss jeder temperamentvolle Mensch zuwider sein«, verteidige ich impulsiv Captain Standish.
Susannah sieht mich prüfend an. »Was interessiert es dich, was andere über Miles Standish denken?«
Ich zucke verlegen die Schultern und fühle mich ertappt. »Gar nichts. Ich mag nur nicht, wenn Leute vorschnell verurteilt werden.«
»Dafür bist du aber fix mit deiner Meinung über andere«, hält sie mir entgegen. »Mr. Winslow ist durchaus kein Langweiler. Er ist ein sehr gebildeter Mann mit diplomatischem Geschick und stammt aus einer wohlhabenden hoch angesehenen Familie.«
Nun ist es an mir mich zu wundern, dass Susannah so entschlossen Partei ergreift für Edward Winslow. »Na das klingt doch nach wahrer Bewunderung! Er muss dich ja mächtig beeindruckt haben, dein Mr. Winslow«, ziehe ich sie auf.
Susannahs Gesicht läuft rot an und ich weiß ich habe einen Nerv getroffen.
»Ach du mit deinen Fragen! Lerne die Leute selbst kennen und entscheide dann, wen du magst und wen nicht.«
»Dich mag ich«, erwidere ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.
Der edle Ritter
Es ist einer jener seltenen Tage, an denen uns Kapitän Jones erlaubt, uns ein wenig auf dem Oberdeck die Füße zu vertreten. Die See ist ruhig, es weht eine frische Brise, die die Segel strafft und die Sonne eines goldenen Oktobertages wärmt uns Haut und Herz.
An diesem Sonntag hält Reverend Carver eine Predigt an Deck. »Nach unseren ganzen Beschwerlichkeiten belohnt uns Gott nun für unsere Beharrlichkeit und unser Vertrauen in seine Führung. Seht Brüder und Schwestern, wie gut es die See mit uns meint und wie freudig uns die Wellen des Ozeans unserer neuen Heimat entgegentragen!«
»Also wenn er da nicht den Tag vor dem Abend lobt«, raunt mir Peter voller Zweifel ins Ohr.
»Schscht. Kannst du nicht einmal Ruhe geben und die Hoffnung, die durch seine Worte erweckt wird, in uns wirken lassen«, zische ich verärgert.
»Nicht wenn ich es besser weiß. Der gute Reverend Carver hat keine Ahnung von der Seefahrt. Ich habe jedoch mitbekommen, dass Kapitän Jones und seine Offiziere mehr als besorgt sind, weil wir uns noch weit von unserem Ziel entfernt befinden. Er lässt sich durch das gute Wetter nicht täuschen und die erfahrenen Seeleute sind überzeugt, dass wir unweigerlich in dieser Jahreszeit in die Winterstürme geraten werden.«
Ich schaue ihn ängstlich an.
Die Zuversicht, die Mr. Carvers Predigt in mir geweckt hat, ist dahin und ich folge dem Rest seiner Worte nur noch mit halbem Herzen.
»Lasst uns dem Herrn danken, für all seine Wohltaten«, schließt Reverend Carver und wir senken unsere Köpfe in schweigendem Gebet. Von der Mannschaft dröhnt Johlen und Feixen zu uns