Wir kamen mit der Mayflower. S.C. Bauer
bei den Männern an der Strickleiter, um auf das Oberdeck zu gelangen. Ich sehe, wie meine Mutter auf mich zu stolpert und kreidebleich wird, als sie das Blut auf meinem Kleid sieht. »Es ist nichts. Ich hab mir nichts getan, das ist nicht mein Blut«, rufe ich ihr beschwichtigend zu.
Sie seufzt erleichtert und hilft mir den halb bewusstlosen William Butten wieder auf seinen Strohsack zu legen. Ich greife mir wahllos einen Schal, der unweit von mir liegt und wische mir damit über Gesicht und Hände. Ich reibe an meinem Kleid herum, aber es ist zwecklos, das Blut klebt vermischt mit Schleim eisern daran fest.
Langsam lässt der Schock nach und ich frage meine Mutter nach unseren Angehörigen. »Deinem Vater und mir ist nichts geschehen. Joseph hat eine Beule an der Stirn, aber es ist nichts Ernstes. Robert hat sich das Schienbein angeschlagen, als er durch die Luft flog und humpelt jetzt. Von Peter weiß ich nichts, er muss bei der Mannschaft auf dem Oberdeck sein.«
Ich wage nicht, meine Mutter zu fragen, was oben geschehen sein mag, sondern lausche angestrengt auf die hastigen Schritte die über unseren Köpfen poltern und höre Geschrei, doch ich kann kein Wort verstehen. Meine Mutter tauscht einen ängstlichen Blick mit mir und wir bekämpfen unsere Unruhe, indem wir beginnen Ordnung zu schaffen.
Constance kommt zu uns gelaufen und bleibt wie angewurzelt stehen, als sie mich erblickt. »Alles in Ordnung Constance, mir fehlt nichts«, sage ich ruhig.
Sie schüttelt ungläubig den Kopf. »Meine Güte, du siehst aus, als wärst du kopfüber in einen Bottich voller Schweineblut gefallen.«
Ich bringe ein schiefes Grinsen zustande.
»Ist eurer Familie etwas geschehen?«, fragt meine Mutter sie.
»Nein, wir sind alle glimpflich davon gekommen. Meine Mutter hat mich geschickt, um nach euch zu sehen.«
Mir fällt Susannah ein. »Ich gehe und schaue nach den Whites und Fullers.«
Meine Mutter hält mich zurück. »Bist du verrückt? Susannah erschreckt sich zu Tode und verliert ihr Kind, wenn sich dich so sieht.«
Constance pflichtet ihr bei.
Aber was soll ich tun? Alle Eimer mit Seewasser sind umgekippt und das Trinkwasser in den verschlossenen Fässern ist zu kostbar, um es zum Waschen zu verwenden. Constance nimmt ihr Schultertuch ab und legt es mir um. Meine Mutter schaut mich prüfend an und nickt. »Das sollte gehen.« Mir fällt auf, wie absurd die Situation ist. Keiner von uns weiß, ob wir nicht mitten auf dem Atlantik Schiffbruch erleiden werden und möglicherweise wie Ratten ertrinken aber wir kümmern uns bloß darum, die arme schwangere Susannah nicht zu erschrecken, durch meinen blutgetränkten Anblick.
Vielleicht ist die gottgewollte Ordnung, die uns Frauen dazu verurteilt ein Schattendasein in einer von Männern beherrschten Welt zu führen, doch nicht völlig unbegründet, überlege ich flüchtig.
Gemeinsam mit Constance bahne ich mir den Weg zu dem Schlafplatz der Whites. Dort finde ich zu meiner Erleichterung eine muntere Susannah, die damit beschäftigt ist Ordnung zu machen. »Sieh dir das an Priscilla! Die frische Wäsche, voll von Exkrementen, Erbrochenem und schlammigem Dreck!« Sie hält mir anklagend einen unappetitlichen Haufen Stoff entgegen und bekräftigt damit meine Vermutung, dass wir Frauen töricht sind.
»Wie ich sehe, geht es dir gut. Haben wir wirklich keine anderen Sorgen, außer der Unordnung, die hier herrscht?«
Susannah hält inne und sieht mich verdutzt an. »Nein, haben wir nicht. Uns geht es gut, keinem ist etwas geschehen, wir alle leben noch!«, ruft sie erregt aus.
»Ja, doch wir wissen nicht wie lange noch. Weißt du, was da oben los ist? Vielleicht geht das Schiff unter und wir sterben alle«, erwidere ich ebenso aufgebracht.
Ihre Schwägerin Ann, die den Boden wischt, gibt mir die Antwort. »Ob heute oder morgen, wer weiß schon, wann unser Leben endet. Dann dürften wir aus Furcht vor dem Tod, gar nichts tun. Solange wir atmen, widmen wir uns den Aufgaben, die der Herr uns gibt. Im Moment ist es notwendig, alles sauber zu machen, also tun wir es.« Ihre Stimme klingt völlig ruhig. Sie scheint überhaupt keine Angst zu haben.
Ihre Worte ergeben Sinn und ich schäme mich für meine Nervosität. Susannah sieht es mir an und wechselt das Thema. »Hast du vielleicht eine Ahnung, was geschehen ist?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein es gab einen gewaltigen Krach und dann machte das Schiff einen Riesensatz. Mehr weiß ich nicht.«
Susannah nickt und spricht mir Mut zu. »Die Männer werden das schon wieder hinkriegen, wir müssen auf sie vertrauen.«
Ich gehe wieder zu meiner Mutter zurück um sie bei William Butten abzulösen. Noch immer schlingert die Mayflower wild herum und das Gepoltere auf dem Oberdeck ist deutlich zu hören. Ich nehme mir ein Beispiel an Susannah und ihrer Familie und beginne aufzuräumen. Constance ist zu ihrer Familie rüber gegangen und hilft ihrer Mutter. Es dauert Stunden, bis wir erfahren, was geschehen ist.
Die Männer kehren völlig durchnässt und erschöpft zurück ins Zwischendeck, das wieder halbwegs bewohnbar ist. Peter gesellt sich hungrig zu uns. Ich habe einen Bohneneintopf mit Speck gekocht und gebe ihm eine gut gefüllte Schüssel voll. Meine Mutter verteilt den Eintopf an meinen Vater, meinen Bruder Joseph und Robert. Susannah hat uns abgelöst an William Buttens Bett, der sich ein wenig erholt hat und jetzt schläft. Ich habe mein verdrecktes Kleid gegen ein anderes getauscht, fühle mich aber noch immer klebrig, da ich mich nicht waschen konnte. Ich setze mich neben Peter, um zu erfahren, was passiert ist. Er schiebt sich den letzten Löffel des Eintopfes in den Mund.
»Eine Riesenwelle hat das Schiff hochgeschleudert und auf das Wasser zurückgeknallt. Das hat einen der großen Masten umgeknickt, wie einen Kienspan. So war an eine Weiterfahrt nicht zu denken. Alle waren ratlos und Kapitän Jones überlegte sogar, nach England umzukehren. Wir alle waren uns jedoch einig, dass eine Umkehr keinesfalls in Frage kommt, nachdem wir die Hälfte des Weges schon geschafft haben. Ich weiß nicht mehr wer den Vorschlag machte, aber wir beschlossen die Schraubenwinde, du weißt schon dieses riesige schwere Ding, das wir zum Bauen der Häuser an Bord gebracht haben, zu holen und den Mast damit wieder aufzurichten. Also halfen wir alle zusammen und schafften es die Winde an den Mast zu bringen. Trotz des Sturms und der wütenden See gelang es uns, unter Aufbietung aller Kräfte, den Mast zu heben. Der Schiffszimmermann befestigte mit einigen Leuten den Mast mit einer Bauernschraube und nun kann die Mayflower weitersegeln zu den Kolonien.«
Ich schaue ihn bewundernd an. Ich bin froh, dass wir weiter fahren können. Trotz aller Widrigkeiten sind wir so weit gekommen, jetzt müssen wir es auch bis zum Ziel schaffen. Susannah hat