Wir kamen mit der Mayflower. S.C. Bauer
»Du bist ungewöhnlich still heute, Priscilla«, merkt meine Mutter am Abend verwundert an. Erst da fällt mir auf, dass ich den ganzen Tag über kaum ein Wort gesagt habe.
Es ist nun Anfang August und wir haben genügend Vorräte gekauft und sind gerüstet für die Fahrt. Am 5. August brechen unsere Schiffe, die Mayflower und die Speedwell gemeinsam von Southampton auf.
Für uns beginnt nun die lange Reise auf See, an deren Ziel unsere neue Heimat liegt.
Die Speedwell
Wir sind noch nicht weit gekommen, als uns von der Speedwell, die in unserer Nähe segelt, Zeichen gegeben werden. Kapitän Jones steuert die Mayflower backbord an das kleinere Schiff heran.
»Sie säuft sich mit Wasser voll und unten im Frachtraum gibt es mehrere Lecks«, erklärt Mr. Reynolds, der Kapitän der Speedwell.
»Die vielen Masten belasten den Rumpf«, knurrt Kapitän Jones geringschätzig. Er macht keinen Hehl daraus, dass er von der Seetüchtigkeit der Speedwell wenig hält. Seine Bemerkung trägt ihm einen wütenden Blick von Kapitän Reynolds ein, aber Christopher Jones hat sich bereits abgewandt.
Eine Weiterreise in diesem Zustand ist für die Speedwell undenkbar. Hinter uns liegt Dartmouth und wir kehren um und steuern mit beiden Schiffen den Hafen an, damit die Speedwell repariert werden kann.
Peter und ich nutzen die Zeit an Land und bearbeiten John Goodman, um ihm sein Geheimnis zu entlocken. »Wir sind schon auf dem Weg zu den Kolonien, am anderen Ende der Welt. Wem kann es schaden, zu erfahren, was du in London angestellt hast?«, dringt Peter hartnäckig auf John ein.
John wirkt verunsichert und schaut Peter gequält an. »Ich habe versprochen, nichts zu sagen.«
»Dann sag uns wenigstens, wovor du Angst hast, wenn wir es erfahren«, hake ich nach.
»Es könnte die Beteiligten ins Verderben stürzen. Noch haben wir England nicht verlassen und hier gibt es genügend Leute, die nur zu gerne einige von uns im Gefängnis sehen würden.«
Ich wechsle einen vielsagenden Blick mit Peter. Fast tut mir John Goodman leid, als wir ihn so bedrängen, aber seine Worte bewirken, dass wir beide noch neugieriger werden.
»Hör mal John, wir sitzen hier Mutterseelenalleine auf einer Wiese im Nirgendwo von Dartmouth. Keiner hört, was wir reden und wir verraten bestimmt nicht unsere eigenen Leute. Sind wir denn jetzt nicht alle eine Gemeinschaft? Es ist Zeit, dass wir einander vertrauen.«
Ich nicke Peter anerkennend zu. Das hat er wirklich gut gesagt.
John Goodman überlegt einen Moment. Schließlich seufzt er: »Also gut. Aber ihr müsst bei eurem Leben schwören, dass ihr es niemandem sagt.« Wir legen die rechte Hand aufs Herz und schwören feierlich.
»Unser Kirchenältester, Mr. Brewster hat mit Mr. Brewer in Leiden Pamphlete geschrieben. Darin wird die Regierung von King James mit scharfen Worten kritisiert und es wird verlangt, dass die Kirche von England erneuert wird und King James nicht länger ihr Oberhaupt sein soll«.
Ich hole tief Luft. Das ist Hochverrat. Dafür würden sie die beiden hängen, wenn die Soldaten der Krone sie zu fassen kriegen.
Peter fängt sich schneller als ich. »Es gehört großer Mut dazu, seine Ansichten so unverblümt auszusprechen«, sagt er beeindruckt.
John Goodman fühlt sich durch Peters Worte bestärkt fortzufahren. »Die Pamphlete wurden in Leiden in der Druckerei von Mr. Bradford gedruckt und Mr. Winslow und sein Bruder Gilbert, die ebenfalls in Leiden lebten, haben sich bereit erklärt, die Schriften in England zu verteilen, was auch eine Zeit lang gut ging«.
Er unterbricht seine Erzählung und schaut unsicher von Peter zu mir. »Was ist dann geschehen?«, dränge ich ihn, gespannt mehr zu erfahren.
»Sie wurden verraten. Spitzel von King James bekamen die Pamphlete zu sehen und es folgte ein Haftbefehl für Mr. Brewer und Elder Brewster. King James war so wütend, dass er Holland drohte, wenn sie die beiden nicht auslieferten, würde er sie dazu zwingen. Mr. Brewer wurde daraufhin verhaftet und Mr. Brewster tauchte unter. Er hat sich bis jetzt versteckt gehalten. Edward und Gilbert Winslow und Mr. Bradford konnten sie nichts nachweisen und sie kamen mit eine Verwarnung davon.«
»Und was hast du mit der ganzen Sache zu tun?«, fragt Peter.
»Meine Familie ist mit den Winslows befreundet und ich habe angeboten ihnen zu helfen. Mich kennt niemand in London und mein Name wurde mit der ganzen Angelegenheit nie in Verbindung gebracht. Es gibt fünf Brüder in der Familie Winslow. Drei von ihnen leben noch immer in London und ich habe viele Kisten voll mit diesen Pamphleten zu ihnen gebracht. Edward und Gilbert Winslow sind wieder nach Leiden zurückgekehrt, während ich ihre Brüder aufgesucht habe. Wir fanden es alle unauffälliger, wenn ich mich auf der Mayflower einschiffe, falls jemand meine Spur verfolgen sollte.«
Nun verstehe ich, warum sich Mr. Brewster an Bord der Speedwell verkriecht, und wir ihn so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommen, obwohl er als Kirchenältester ein angesehenes Mitglied der Leidener Gruppe ist und als Stellvertreter ihres Anführers Pastor Robinson gilt.
»Darum halten Reverend Carver und Diakon Cushman die Predigten und leiten den Gottesdienst. Es ist auch der Grund, warum sie alle Reisevorbereitungen getroffen haben, da Mr. Brewster sich verborgen halten musste«, bestätigt John Goodman meine Vermutung.
Peter klopft John beruhigend auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen mein Freund, dein Geheimnis ist sicher bei uns«, sagt er zerknirscht. Er wirkt nachdenklich und ich habe das Gefühl, dass er bereut, dass wir Goodman so hartnäckig zugesetzt haben.
Ich muss gestehen, dass auch ich ein schlechtes Gewissen habe deswegen. Mit einem Menschenleben geht man, nicht leichtfertig um und wir alle wissen, was es heißt, wegen seiner Überzeugungen verfolgt zu werden.
»John, es ist gut, dass du es uns erzählt hast. Nun können wir euch warnen, wenn uns Soldaten begegnen«, bekräftige ich Peters Worte und lächle John herzlich zu.
»Ich danke euch«, sagt er erleichtert.
Es vergehen einige Tage, bis die Speedwell soweit repariert ist, dass wir Darthmouth verlassen können.
Aber wir kommen wieder nicht weit. Nach ungefähr 200 Meilen, an der südwestlichsten Spitze Englands hinter Lands end, hat die Speedwell erneut Probleme und leckt an vielen Stellen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als umzukehren, und den Hafen von