Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute. Richard Wossidlo - 1859-1939

Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute - Richard Wossidlo - 1859-1939


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up een Schipp, seggen wi: Dat is so ’n oll Huuskrüüz, dee geiht nich ihrer af, as bet de groot Mast geiht. – Ik fohrte mal mit enen Boosmann, dee wier sössteihn Johr an Buurd. Dee hadd mihr to seggen as de Schipper – vergäws is jo een nicht so lang up een Schipp. – Dat moegen de Madrosen nich, wenn ’n Huuskrüüz an Buurd is; dat is jo oft den Schipper sien rechte Hand, noch to, wenn ’t ’n bäten Verwandtschaft wier mit den Schipper. Se hadden Angst, wenn wat passiert wier, dat dee dat achterrut dröög na ’n Ollen.

      Besonders beliebt waren die „Langreisen“. Hier hatten die Matrosen ein ruhigeres Leben. Die Möglichkeit, Ersparnisse zu machen, war weit größer. Wi fohrten giern bi ’n eigen Schipper (dem das Schiff allein gehörte), dee hadd keenen Korrespondenten. Dee nehm denn Twischenladung bi Langreisen up eigen Gefohr. – Wi sehgen to, dat wi up Hamborger Langreisschäpen ankemen. Ik heff mal soebenundörtig Monat in eenen Törn fohren (mit Twischenreisen). – Wi legen in Altona un St. Pauli in de Slaapstäd. Wenn een ’ne grote Reis mustern ded na Australien oder de Südsee, denn müsste he den Baas mihr gäben.

      Es gab auch ein Anmustern nicht für die ganze Fahrt, sondern für bestimmte Routen. Dee „uppe Rund“ (uppe Rönn), so würd seggt, an ’n annern Plaats fohren deden, dee musterten bloß von eenen Haben to ’n annern. Dee kregen keen Maandshüer. – För de Rönn-Mustern säden wi, wenn man sik bloot för een Reis anmustern leet, to ’n Bispill ’n Schipp, wat hier in Rostock anköfft wier, na Hamborg to bringen. – Rönners nennten wi so ’n Madrosen, dee sik bloß up een Reis anmustern leten.

      Hatte ein Schiff Ausfall an Mannschaft – was oft nicht zuletzt Schuld des Kapitäns war –, so wurde ein Vermittler beauftragt, Leute zu werben. Er bekam unter dem Zwang der Not gute Provision. Um Matrosen an Bord verrufener Schiffe zu bringen, genügte oft seine Überredungskunst nicht. Es wurden die gemeinsten Mittel angewandt: De Slaapbaas wier oft togliek Hüerbaas. Oft maakte he de Lüd besapen, dat se ierst up ’t nie Schipp upwaken deden; wi säden denn: De Slaapbaas hett dien Geld inne Tasch, un du hest ’n Schät up ’n Moors.

      Allgemein spielte der Alkohol dabei die Hauptrolle. In Amerika wieren oft Agenten, dee maakten de Lüd snirrtenduun, dat se ierst up ’t nie Schipp upwaken deden; Schanghaien ward dat nennt. Ik heff dat mal beläwt, dat wi en anner Schipp de Anker uphiewt hebben, bloot dat de Slääpdamper mit dat Schipp losgahn künn: De ganze Besatz wier duun. – In Philadelphia heff ik dat eens sehn: Nüchtern wier keen een, de Rönners stöddten se wedder trügg, wenn se wedder run wullen von Buurd.

      Auch das Geschäft der Abwerbung blühte. De Hüerbaase in de frömden Habens schickten ’n Rönner ut, dee de Lüd von Buurd weggsnacken süll. De Rönners wieren meist frühere Seelüd, dee schanzten de Lüd den Slaapbaas to. Landhai würden de Rönners ok nennt. – De Rönners snackten ehr alles Goods in – dat leewt jo (gefällt den Leuten). Ierst lockten se de Lüd von ’t Schipp – dat Tüüg würd heimlich von Buurd smuggelt –, un denn verhüerten se se. Denn würd seggt: De Rönner hett dien Maandsgeld inne Tasch stäken, un du geihst nu mit ’n naakten Moors. Desülwig Rönner verköffte mitunner de Lüd wedder an den Schipper trügg: „Dor sünd s’!“ Das heißt also: Der Rönner beschwatzte die Leute, ihr Schiff zu verlassen, nur um nachher von ihrem eigenen Kapitän die Fangprämie zu bekommen.

      Natürlich wurden die Matrosen allmählich misstrauisch. Um sie in Sicherheit zu wiegen, gingen die Rönner selbst mit an Bord. De Rönners güngen oft mit an Buurd. Wenn dat Schipp denn utgahn wull – bautz, wieren se wegg. Wenn ’t nich anners güng, swemmten se an Land. Auch vor schweren Passfälschungen schreckten sie nicht zurück. De Rönners hadden ümmer Pässe in de Westentasch. Wenn en Madroos keen Papieren hadd, säd he: Hier, söök di een ut, dee am meisten passen deit.

      Ein merkwürdiger Ausdruck für das Anheuern wider Willen war „Schanghaien“. He hett mi verschanghait, säden wi. Die Bezeichnung führte man auf einen Personennamen zurück. Shanghai-Brown in New York hett de Madrosen besinnungslos maakt (he hett ehr woll wat ingäben), dat se up ’n anner Schipp kamen sünd. Wahrscheinlich war aber der Ausdruck schon älter, und dieser Brown hatte den Namen wegen der betreffenden Tätigkeit bekommen.

      Über die Höhe der Heuer liegen keine genauen Angaben vor. Ein Kapitän teilte dazu mit: Als ich Matrose war, betrug die Heuer 36 Mark, nachher wurde sie auf 45 Mark erhöht.

      Im Allgemeinen setzte die richtige Lohnzahlung erst ein, wenn das Schiff reisefertig war. Wenn dat Schipp reisfarig wier, würden de Madrosen anmustert (in Wismar), vörher hadden se in Daglohn arbeit’t. Denn kregen se jo halw Maandsgeld in vörut. Denn würd dull sapen! Als einträglich galten die Langreisen. Bi Langreisen müssten wi uns up twee Johr verhüern. Wenn de Reis länger duern ded, müsst de Schipper mihr gäben. – Up twee Johr müssten wi uns up Rostocker Schäpen verpflichten, wenn wi nich vörher in ’n düütschen Haben kemen. Denn dörften wi afmustern.

      Im Übrigen standen dem Kapitän gewisse Sonderregelungen zu. Wenn in frömd Habens Madrosen annahmen wieren un dat stellte sik rut, dat se de Arbeit nich verstünnen, denn kregen se man halw Hüer. – Wenn ’n Mann nich fähig wier, de Arbeit to maken, dee he oewernahmen hadd, künn he daalsett’t warden in de Hüer, dat wier Gesetz. Andererseits wurde auch besondere Leistung extra bezahlt. De Madroos kreeg ’n Daler mihr in de Maand, wenn he de Verpflichtung oewernehm, de Sägel heiltomaken.

      Ein Teil der Heuer wurde wie gesagt vorweg bezahlt, damit die 'Matrosen notwendige Anschaffungen für die Reise machen konnten: Wi kregen Advance (Vörschuss). Bi dat Anmustern geew dat een Maandsgeld, dorvon kreeg de Hüerbaas gliek ’n Daler. Ik heff von Amerika ut fohren. Twee Mond kreeg ik uppe Hand. Die restliche Heuer wurde am Ende der Reise ausbezahlt. Bei längeren Reisen hatte man aber schon vorher Anspruch auf einen Teil der Heuer: Wenn een söss Monat fohrt hadd, künn he ’n halben Verdeenst verlangen.

      Und wie stand es mit der Familie des Seemanns? Wie ernährte die Frau sich und die Ihren, bis der Mann zurückkam von der Langreise? Hier gab es folgende Regelung: Dat halw Maandsgeld künn de Fru „trecken“, wenn de Schipper ehr ’n Treckschien (Treckzettel – Ziehschein) utstellt hadd; dat Geld kreeg se denn von den Korrespondenten utbetahlt. Man ging aber auch hierin sicher: För de Bruut würd keen Treckschien utstellt, oewer för de Mudder, wenn se Witwe wier. In eine trostlose Lage gerieten die Angehörigen, wenn ein Schiff überfällig wurde. Wenn dat Schipp oewerfällig wier, betahlten weck Reeders nich mihr ut up ’n Treckschien. – Wenn lang keen Order kamen wier von ’t Schipp, würd meisttiet de Treckschien stoppt. Auch in anderen Fällen konnten Zwangsrnaßnahmen des Reeders die Familie hart treffen: Wenn en Madroos verdächtig wier, dat he aflopen wull, leet de Schipper den Treckschien stoppen. Besonders gehässig wirkt das folgende Verhalten: Wi hadden ’n bäten Radau mit den Stüermann hatt – bautz, keem de Schipper bi un leet den Treckschien upspräken.

      Die Meinung, dass die Matrosen an Land ihr ganzes Geld sofort „verjuxten“, war wohl allgemein verbreitet, aber nur sehr bedingt richtig. Ob ein Matrose von seiner Heuer etwas ersparte, hing ganz von ihm ab. Den Seemann ärgerte deshalb das leichtfertige Urteil der Landratten. De Landmann glööwt immer, wenn de Madroos an Land geiht, dat Diert versüppt alles. Dat is nich wohr; dat gifft ok spoorsame Madrosen. – So ’n Swalger, dee sik dat Läben to ’n Genuss maakt, künn natürlich nicks veroewern. Dat geew jo so ’n Madrosen, dee lepen von ’n düütsch Schipp na ’n Engelsmann rup, verlepen den ’n Kraam ok wedder un verbröchten alles un fohrten toletzt ahn Jack un Bücks. Dat geew oewer ok Seelüd, dee dull spoorsam wieren, dee, wenn se an Land kemen, bloß ’n poor Stäwelsahlen un gröön Seep, höchstens ’n bäten Tobak köpen deden. Väl Madrosen hadden donn so väl erobert, dat se sik ’n bäten von Huus köpen künnen.

      Darüber hinaus suchten sich viele Seeleute durch An- und Verkauf von Waren einen Nebenverdienst zu verschaffen. Dabei spielten die englischen und russischen Häfen die Hauptrolle. Wi köfften in Newcastle Pöttergeschirr, dat würd up ’n Rigaschen Luusmarkt wedder verköfft, dor würd goot bi verdeent. – Blank Hängelpött würden in England köfft, ok Tüügwoor: Döök un so wat un Uhrbummeln, dat würd in Riga wedder verköfft, würd oft duwwelt betahlt. Mien Schipper tuuschte mal all de engelschen Pött, dee he in England köfft hadd, in Riga gegen Melk un Eier. – In Grangemouth – dat wier de Mäkelbörger ehr Hauptuurt


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