Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute. Richard Wossidlo - 1859-1939
gemacht. Dee kiken to, wat Mudder to Huus kaken deit, sagten die Matrosen scherzend zum Jungen, wenn Kapitän und Steuermann Navigation trieben. De Stüermann säd to den Jungen: Kick ok eens dörch, kannst ’n Schosteen roken sehn – denn hööl he em den Oktanten verkihrt hen.
Dass die Behandlung der Schiffsjungen an Bord meistens sehr streng, ja hart war, hatte sich gewöhnlich auch an Land herumgesprochen. Übermütigen „kattwäligen“ Jungen, die noch nicht zur See fuhren, wurde vorher gedroht: Wenn se di man ierst twischen twee Stäben hebben, denn warst du woll Moritzen lihren! Kumm du man ierst an Buurd, denn kriggst weck mit 'n Kardeilstropp!
Und die Wirklichkeit übertraf die schlimmen Erwartungen oft noch weit. Zahlreiche Erinnerungen böser Art tauchen da auf. Dat Läben von de Jungens wier hart, ’n Hund hett ’t bäter. Up Weck Schäpen würd mit den Jung ümherschandelt. Jeder haugte früher up ’n Jung daal. – De Jungensjohren wieren früher sweer. Dor würd so ’n Jung behannelt as ’n Hööwt Veeh.
Durch Übermaß wurde gerade die entgegengesetzte Wirkung erzielt. So ’n Jung würd jo väl zwiebelt. Wenn he dat von Vadder un Mudder her goot gewohnt wier, würd he licht missmodig. Un denn kemen de Rönners in de frömden Habens un maalten em so väl bunten Kraam vör – wat he för Geld verdeenen künn up utländsche Schäpen –, dat he von afleep.
Noch schlimmer hatten es die Jungen selbstverständlich bei den „anderen“. Vörut up de Danziger Schäpen sünd de Jungens slicht behannelt. – De Darßer slögen de Jungens väl. Und auf mecklenburgischen Schiffen? Manch Schipper leed dat jo nich. Oewer wenn dee sik nich dorüm brüd’t, denn sehg dat oft leeg ut för so ’n Jung. Een Kaptain säd mal to enen Madrosen, dee den Jung slagen hadd: Du süsst Hunnschiet oewer Buurd smiten – wider döggst du nich to.
Dies ist die Meinung zweier Steuerleute: So ganz zimpel dörf jo nich ümgahn warden mit de Jungens. Dat soelen jo ok ornliche Kierls warden. Madrosen sünd jo ok Jungens wäst. – Man deit dat Strafen doch nich ut Lust, he sall doch wat lihren. Haugt heff ik keen Jungens, as ik Stüermann wier. Ik leet se entern up ’n Topp, dat is grötter Straf.
In der „Erziehung“ spielte im Übrigen das Tauende die wichtigste Rolle, daher die bekannte Scherzfrage: Welches ist das schlimmste Ende, das ein Kapitän nehmen kann? Das Tauende. – Den Gegenstand kannten die Waterkantler schon aus dem Elternhaus. En Tagel, dat wier ’n End, dor wier ’n Og insplißt, dee hüng ümmer an ’n Eckstänner. Dor kregen wi Jungens wat mit, wenn wi wat utfräten hadden, ’n Ruhrstock geew dat nich in de Warnmünner Seemannshüser. Die ersten Prügel setzte es schon, bevor die Seefahrt losgegangen war. Ik führte as Jung toierst mit ’n Gootwagen von Ribnitz na Rostock. As ik in Ribnitz ut ’n Rostocker Duur wier, hadd ik all weck in ’t Gnick.
Und so blieb es, wenn man an Bord kam. Weck Jungens, un ik ok, führten dat ierst Johr mit ’n Jachtenschipper; dor is he jo denn alleen mit ’n Schipper up, denn mööt de Jung all stüern. Wi wullen oewer Stagg gahn, dorbi kemen wi mit de Näs fast. Donn kreeg ik gliek den iersten Dag Släg. Und hier noch einige Stimmen: Ik kreeg Weck achter up, dat se vör to hüren wieren. – Ik süll Flibussen ut Holt sniden mit ’n Taschenmetz, to ’n Anböten, dor kreeg ik ok weck bi. –
Früher hadden de Jungens nicks to lachen. Ik heff mal Släg krägen von ’n Stüermann, bloot wiel ik den Plummenbüdel up ’n verkihrten Nagel hängt hadd, so wier he mi to Liew. – De Stüermann haugte mi gliek de ierst Woch an ’n Kopp – ik wier in lütten Knecht –, dat ik ’n Bruusch kreeg as ’n Hohnerei.
Schläge gab es auch dann, wenn der Schiffer selbst schuld hatte. Wenn ’n Schipper sik fastsägelt hadd in ’n Binnenwater, kreeg de Jung Schacht. Im Hafen freilich war Vorsicht geboten: Binnenlands mööt de Kaptain sik vörsehn, denn darf he den Jung nich slagen. – De Jungens würden dull hernahrnen früher. Wenn ’n Engelsmann in ’n Haben dat sehg, keem he öfter an Buurd un treed in för den Jungen.
Die Ausdrücke für Prügel und Tauende sind mannigfach, ein Zeichen für ihre „Beliebtheit“ an Bord. Wenn een von de Jungens unorig wier, kreeg he Schäpswusst, so würd seggt: Denn würd he vör ’t Knee krägen un kreeg weck mit ’n Tamp. – Wenn ’n jung unorig wier, säden de Madrosen: Wi möten di woll mit Hempöl inriben! Andere Drohungen waren: Dat gifft Knakenöl – dat de Knaken smidig warden. – Dat gifft week mit de Brass uppe Naht. – Laat di nich vör de Klüüs halen! – Du hest jo noch keen gröön Water sehn. – Räd man nich so oltbacksch, denn gifft ’t week an ’t Piepenkopp!
Mit Galgenhumor halfen sich wohl die Jungen über vieles hinweg, und so mag das traurige Kapitel Prügel mit versöhnlichem Spaß enden. De Jung hett seggt: Een Deel kann ’k man, entweder roren oder ’t End fasthollen! Und: Wi künnen läben as Bröder, hett de Jung seggt, wenn de Schipper un Stüermann bloß wullen!
Es gab' auch Strafen und Strafandrohungen; die jedes Lachen erstickten. lk leet eens as Jung ’n Schrubber oewer Buurd fallen. Dor säd de Stüermann – dee künn mi nich sehn –: Wenn du mi den Schrubber nich wedder bringst, geiht di dat soeben Stunnen slecht! Ik sprüng fuurts rin un haalt em rut, un de Madrosen haalten mi wedder oewer. Dor säd de Kaptain to den Stüermann, he süll nich so up mi sitten. Noch schlimmer ist der folgende Fall. Een Kaptain hett mal den Jung mit ’n Passer in ’t Uhr up ’n Disch faststäken.
Die grausamen Strafen, wie das Durchholen am Tau unter dem Schiff, das wir aus den älteren Seegeschichten kennen, wurden um diese Zeit nicht mehr gebraucht. Die Erinnerung daran lebte aber noch. Seggt würd dat to den Jung: Du verdeenst jo, dat wi di dreemal unner ’t Schipp dörchhalen!
In jeder Hinsicht lebte der Junge an Bord unter strengem Regiment. Zu fürchten hatte er nicht allein die Offiziere, sondern auch die Matrosen. Gewisse Dinge hielten diese für ihr Vorrecht, und sie wachten eifersüchtig darüber, dass sich die Jungen nicht das anmaßten, was ihnen als ein „Privileg“ galt. So war es dem Schiffsjungen verboten, zu rauchen und zu priemen.
Wat unner ’n Madrosen wier, dörfte nich roken. Ik wier Lichtmadroos, un en Madroos hadd mi mit de Kalkpiep drapen. Dor hüng he de Piep inne Roof an ’n Spiker, dor künn ik s’ ankiken. Ierst as ik afmustern ded, kreeg ik se wedder. – Wenn ’n Jung in ’n Haben roken ded uppe Straat, kreeg he eenen an de Brill, dat he verdwass in ’n Rönnsteen flöög. – Wenn wi in ’n Haben an Land güngen, müsst ik de Mütz afnähmen vor jeden Madrosen, un ’ne Kalkpiep dörft ik nich in ’n Mund hebben, süss slöög de Madroos mi de Mütz von ’n Kopp un de Piep ut ’t Muul. Ok de Jungmaat dörfte früher nich roken an Buurd, un de Leichtmadroos müsst ok noch bi de ollen Madrosen anfragen, ob se ’t erlauben wullen.
Das war für viele ein großer Schmerz, denn sie hatten doch als Riffpiraten von de Ballaststäd, wie Brinckman sagt, schon eine große Fertigkeit im Rauchen gewonnen. Oft fanden sie eine mitleidige Seele. In ’t Logis dörften de Jungens nich roken. Oewer wenn dat ’n goden Kock wier, säd he woll: Steckt juug hier inne Kombüs man ’ne Piep an; denn hülpen se em jo ok bäter. Sonst half man sich anderweitig. De Jungens dörften nich roken un nich priemen. Se deden dat woll, oewer heimlich. Se güngen na ’t Vörschipp – achter ’t Ankerspill un rokten heimlich. Wi wieren oltbacksche Jungens: Wi güngen na vörn un blaasten den Tobak ut de Ankerklüüs.
Übrigens waren die Bestimmungen nicht überall so streng, einige Male heißt es: Roken dörft de Jung bloß an Deck, nicht in de Roof. Und endlich winkte eine Verheißung: Kannst du splissen un knoten, kannst ok priemen un roken, würd to de Jungens denn seggt.
Einschneidender als dieses letztlich nicht unvernünftige Verbot wirkte sich ein anderes aus, das wiederum ein Vorrecht der Matrosen sicherte. Auf vielen Schiffen nämlich durften sich die Jungen nicht in der Roof, dem Mannschaftslogis, aufhalten. Es stand ihnen nur zum Schlafen zur Verfügung. Ringahn na de Roof dörften wi nich. De Jungens müssten ganz früher up väl Schäpen up ’n Süll von de Roof sitten un ehr Arften vertehren. An ’n Disch dörften se nich sitten. – Wenn de Jung afbackt hadd, müsst he an Deck. De Jungens dörften gor nich rin na de Roof bet Beddgahnstiet, denn würden se rutslagen. Se süllen dat nich hüren, wat de Madrosen sik vertellen deden.
Ik heff mien ierste Reis von Lübeck na Riga maakt. In