Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute. Richard Wossidlo - 1859-1939
wier. De Decksjung un Kajütsjung hülpen Tüffel schellen, dat deden se all vör Angst. Wenn dat denn ’n goden Kock wier, dee leet se denn in ’t Kaakhuus abends in ’n Winter rinkamen, dat se Schutz hadden. Wenn Rägen wier, schuulten wi Jungens uns woll mal rin na de Roof vör Klock acht. Ik hadd dat ok mal daan; oewer dor bölkt mi een von de Madrosen fuurts an: Hest woll lang keenen Stäwelknecht in ’t Gnick krägen!
Klock acht müsst jo de Stüermann de Wach upstäken; bet solang müsst de Jung up ’Deck sien. Dieser Aufenthalt an Deck wurde Babbeljahn gahn genannt. Darüber wird vielfach berichtet.
De Jung müsst Babbeljahn gahn, wenn de ollen Madrosen sik wat vertellten. – De Jung mööt Babbeljahn gahn. Wenn frömd Madrosen an Buurd kamen, de liden dat nich, dat de Jungens dat hüren, wat se spräken. – Wenn de Schipper an Land is, mööt de Jung, wenn de annern äten, up Deck Babbeljahn gahn, so würd seggt: Wenn de Schipper röppt, dat denn een dor is. Wenn dat Schipp in ’n Haben leeg, müsst jo een uppassen, dat keen oewerkamen künnen. – Up grote Schäpen wieren jo dree bet vier Jungens, dee leten sik dat umgahn, dat Babbeljahn gahn: Dee hett sinen Babbeljahnstörn. Babbeljahn würd ok middags gahn, wenn de annern eten. Und dabei war denn auch Gelegenheit, dem verbotenen Tabaksgenuss zu frönen: Ik will mi ierst ’n Babbeljahn ansticken, hieß es.
War das abendliche Babbeljahngahn beendet, musste beim „zu Koje gehn“ noch eine besondere Regel eingehalten werden: De Jung dörfte sik ok nich hensetten, wenn he to Bedd gahn wull. He müsste fuurts rinscheeten.
Eine andere Tradition forderte, dass der Schiffsjunge während der Wache stets auf der Leeseite bleiben musste. De Jung darf nachts uppe Wach nich to Luwart gahn, he mööt up Lei bliben. – Wenn en Jung sik na Klock acht an de Luwsiet seihn leet, säd de Madroos: Du hüürst inne Lei. – Wenn ’n Jung to Luwsiet pissen wull, würd to em seggt: Hest up ’n Mannewoor fohren? Dor weiten se jo oft gor nich, wat Luw un Lee is. Scheer di anne anner Siet! Auch hier erbrachte längere Fahrenszeit schließlich eine „Vergünstigung“. As en Jung eenmal ut de Vördöör pisst, wo Oewerwind wier, seggt en oll Madroos to em: Jung, hest teihn Maand fohren, kannst nu inne Luwsiet oewer Buurd hollen (Jungens möten süss anne Leesiet pissen).
Während der Junge immer geduzt wurde, musste er die Matrosen mit Sie anreden. De Jung müsst den Madrosen ok titelieren.
Lag das Schiff in einem Hafen, so kam der ersehnte Landgang für den Jungen zuallerletzt in Frage. Er musste dann wohl hören: Du kannst an Land gahn, wenn de groot Mast geiht, dat heit, wenn de See em oewernimmt. – Du kannst gahn, wenn de Mast oewer Buurd geiht. Dat würd ok bi de Marine to so ’n Lüd seggt, dee sik slecht führt hadden. As de groot Mast nu eens rutnahmen is – he ist verott’ wäst, dat Schipp hett ’n nigen Mast hebben müsst –, hett de Jung seggt: Nu is de groot Mast to Land gahn, nu gah ik ok! Im Übrigen dürfte die folgende Feststellung nur ein schwacher Trost für den Jungen gewesen sein: Dat is mihrmal passiert, dat de annern versapen sünd, un de Jung is redd’t mit ’n groten Mast.
Wenn der Junge einmal auf Deck von der Müdigkeit überwältigt wurde, verübte man allerlei derbe Späße mit ihm.
Gewöhnlich seet de Jung up ’n Spillkopp bi de Utkiekwach, wenn en Madroos em dee för korte Tiet oewergäben hadd. Denn würd em de Hand vör ’t Gesicht hen un her hollen, ob he slapen ded. Wenn he sik dorbi nich mucksen ded, würd Rook ut den Schosteen von de Kombüs nahmen oder Kätelsmeer mit Fett un em dee in ’t Gesicht sträken, dat he ganz swart utsehg. So würd he na ’n Schipper oder Stüermann henschickt. Oft würd em ok Teer in ’t Gesicht smeert. Mitunter stülpten se em ok ’ne Mütz oewer, dee hadden se in ’n Schosteen ümkihrt, dat markt he gor nich. – Wenn de Jung inslapen is uppe Wach, hebben se em bunt anmaalt un ’n Snurrboort maakt un mit Farw insmeert. Dat würd all maakt, so ’n Kramerie. Wenn he slapen hadd, würd he mit ’n Proppen swart maakt.
Wenn se inslapen deden bi de Wach, kregen se weck lang de Rippen. Wenn Jungens uppe Hunnenwach inslapen wieren, kregen se ’n Marlspiker, de anner ’ne Kleedküül oder ’ne Mußküül üm ’n Hals, denn müssten se up Deck stahn gahn un utsingen: Marlspiker, Kleedküül, Mußküül, denn würd dat ganze Schipp munter, denn sleep nich een. – Weck güngen denn in de Wanten hoch un göten em natt. Dor kann oewer so ’n Jung jo Slagg un Unglück bi krigen: He weet jo nich, wo dat herkümmt.
Die verhältnismäßig eintönige Kost auf größeren Reisen behagte manchem Jungen nicht. Wenn er dann mäkelte, hieß es: Leckertähn, maggst ok gröön Seep? Und er bekam eine Ohrfeige. Wenn de Jung swarten Kaffee nich müggt un na Melk janken ded, denn würd em seggt: Je, mien Jung, de Fockmast is noch nich melkt! Oder Vör de Groot Mast (wo die Matrosen sich aufhalten) gifft ’t keen Melk.
– Foto von Jürgen Ruszkowski
Von allen Speisen aßen sich die Jungen die Erbsen zuerst über. Läuschen über dieses Thema werden wir später hören.
Natürlich besaß der Junge einen Spitznamen, auf den er zu hören hatte. Er hieß Moses. Moses wier de jüngst von de Jungens. Mit .den’n würd denn spält: Moses, kumm hier, un Moses, kumm her! Auf die Frage, woher der Ausdruck komme, „erklärte“ ein Alter: Der Schiffsjunge heißt Moses, weil er der jüngste ist. Wahrscheinlich hat er Moses mit Benjamin verwechselt. Fast gelehrt wirkt folgende Erklärung: De Franzos seggt Muus (mousse) to den Jung, dorvon kümmt Moses woll her!
Manche Neckereien, denen der Moses ausgesetzt war, erinnern an die Späße mit der Windrose. Wieder wurden seemännische Fachausdrücke absichtlich verdreht; was sollte man etwa von dieser Aufforderung halten: Kumm her, sasst de Prinzessin teeren un de Jungfern schrapen, den Stamm David farben un den Weggwiser anneihgen! Schmunzelnde Schadenfreude der Matrosen: Dat versteiht he jo denn nich. (De Prinzessin is de Persenning, de Jungfern sünd de Klootjes an de Wanten, den Stamm David is de Klüverboom, den he daalhalen sall, un de Weggwiser ’n End an de Sägel.)
Die beliebteste Neckerei aber war der Auftrag, die Plattingschier zu holen. Was ist denn überhaupt Platting? Fünf bis sieben Strähnen Kabelgarn (altes, aufgelöstes Tauwerk) werden zu einem breiten Bands (Platting) geflochten, das an Stellen starker Reibung, etwa um die Ruderstange, her umgelegt wurde. Der Seemann erklärte das so: Platting leggen wier Schipparbeit. Platting ward von Kawelgoorn maakt to Schammfiling, wo sik wat schüert. Dor warden Zeisings (fief-, soeben-, nägenbandsch, unegal Tall mööt ’t sien) von maakt – dat is, as wenn de Frugens sik ehr Hoor flechten. Dat is den Jung sien Arbeit, wenn he nicks to doon hett: Gah hen un legg Platting! Dor bliben jo denn ruug Stellen un Enns, de rutkiken, dee warden mit ’n Metz afsnäden. Den Jung ward nu inbild’t, dat geew ’ne Schier dorto. Diese Plattingschere zu holen, wurde der Junge dann ausgesandt. De Jung würd na ’t Kawelgatt schickt, üm de Plattingschier to halen. Denn söcht he un söcht un künn keen finnen. Dor geew ’t noch ’ne Uhrfieg to – dat wier de Dank.
Wenn dat Schipp in ’n frömd Land is un denn ’n anner düütsches Schipp in den Haben liggt, denn ward de Jung na den Stüermann henschickt, ob dee ’ne Plattingschier ’n bäten leihnen wull. Dee packt em denn den Sack vull Steen oder Ankerschäkel un Hutt un Permutt. Dor kümmt he denn mit antopruusten. – Oft ward ok de Jung to den Schipper schickt up dat eigen Schipp. En Schipper hett mal to den Jung seggt: De Plattingschier hett hüüt morgen dat Swien ut Versehn upfräten – pass man up, wenn dat schitt, dat du se denn mank rutklarrst!
Viele Schiffsjungen wussten freilich schon vorher Bescheid: Mit dat Plattingschier-Halen hat ik mi nich afgäben. Ik hadd dor all von vertellen hüürt. Wi wieren jo all von de Waterkant; wi kennten dat all, uns künnen se dor nich mit anführen. Die ganz „Plietschen“ aber taten so, als ob sie die Sache ernst nähmen und nasführten so ihre Necker. Een Jung, dee ’n bäten plietsch wäst is, hett den Sack, as he oewerstigen will, ’n bäten scheef hollen, so dat de Steen oewer Buurd gahn sünd. Dor seggt he: De schöne Plattingschier – dee heff ik nu bet hier hersläpt, nu geiht se doch to ’n Deuwel!
Eine weitere Erfindung, um den Jungen hereinzulegen, war der Butterquast. De Botter is jo bi ’n Äquator dünn as Öl.
Denn ward den Jung