Lebt wohl, Familienmonster. Heidi Dahlsen

Lebt wohl, Familienmonster - Heidi Dahlsen


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abwälzen konnte.

      Sie fuhren manchmal zu ihr, um zu gucken, ob sie noch lebt. Aber nur hopp – hopp, und weg waren sie wieder.

      Für meine Eltern war es schon immer sehr wichtig, so oft und so lange wie möglich in Urlaub zu fahren. Als ich noch klein war, mussten sie mich meistens mitnehmen und konnten nur während der Schulferien fahren.

      Um das, was ich erlebt habe, beneideten mich einige Freundinnen. Hätten sie gewusst, wie die schönste Zeit des Jahres für mich abgelaufen ist, hätte sich ihr Neid sicher in Grenzen gehalten.

      Früh wurde aufgestanden (spätestens sechs Uhr) und schnell gefrühstückt. Mein Vater wollte ja als erster Urlauber „in der Wand” sein. Wanderungen und Klettereien liefen bis zum späten Nachmittag ohne Diskussionen im Schnelldurchgang ab. Es wurde viel fotografiert, damit wir zu Hause in Ruhe nachsehen konnten, wo wir überall gewesen sind und was wir mit eigenen Augen gesehen hätte, wenn … ja, wenn wir mal eine Pause gemacht hätten.

      Niemals wurde ich gefragt, was ich gern unternehmen möchte, denn ich war nur das überflüssige Anhängsel.

      „Sei froh, dass wir dich mitgenommen haben, und genieße, was du alles erlebst. Andere Kinder wären dankbar ...”, so die Aussage meines Vaters.

      Nach dem Abendessen blieb ich allein im Zimmer zurück, denn sie wollten ja auch irgendwann mal „unter sich” sein, wie sie es nannten. Und außerdem sollte ich zeitig schlafen, um Kräfte zu sammeln, damit der nächste Urlaubstag straff und ohne Pausen abgearbeitet werden konnte.

      Einmal begleitete uns ein Ehepaar mit seinen beiden Kindern. Dieser Urlaub war für mich angenehmer, denn ich konnte mit den Kleinen zusammen sein und mit ihnen spielen.

      Meine Eltern wurden wieder mal nach Hause gerufen, weil meine Oma krank war.

      Sie fuhren allein zurück, und ich wurde in der Zwischenzeit in das Familienleben unserer Bekannten integriert. Als die Frau am Abend nachdenklich zu mir sagte: „Elke, wenn es möglich wäre, würden wir dich adoptieren. Aber leider geht das nicht”, machte mich das erst stolz, später traurig. Ich wusste aber nicht so recht, warum. Zum Glück hatte ich nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn meine Eltern waren ganz schnell von dem Abstecher in die Heimat zurück und meine familiäre Ordnung war wieder hergestellt.

      War ich erleichtert, als ich endlich alt genug war und nicht mehr mitfahren musste. Und meine Eltern waren froh, weil sie mich nicht mehr mitschleppen mussten und außerhalb der Schulferien fahren konnten. Das nutzten sie reichlich und waren noch öfter unterwegs.

      Wenn sie zu Hause weilten, musste ich den Haushalt mit allem Drum und Dran erledigen. Ich bekam meinen Plan, und der musste erfüllt werden.

      Um die Hausordnung kümmerte sich meine Mutter jahrelang nicht. Montags, mittwochs und samstags wurde diese von mir erledigt.

      Auch die Wäsche wusch ich, aber lieber im Sommer.

      Früh stand ich auf, erhitzte Wasser mit einem Tauchsieder, sortierte die Wäsche und rumpelte dann kräftig auf dem Waschbrett. Danach musste alles mehrmals in der Badewanne gespült und mit einer kleinen Tischschleuder vorgetrocknet werden.

      Meine Mutter spannte mir die Leine, da ich wegen meiner geringen Körpergröße nicht an die Haken kam. Sie musste jedoch darauf achten, dass die Leine gut durchhing, sonst wäre ich da auch nicht rangekommen.

      Wenn Sonne und Wind ihren Dienst getan hatten, konnte ich bereits mittags das Erste abnehmen, bügeln, was zu nähen war, nähen und alles fein säuberlich zusammenlegen.

      Ich beeilte mich sehr und schaffte es auch meistens bis Mutti von der Arbeit kam. Sie sollte sich freuen, dass die gesamte Wäsche schrankfertig im Schlafzimmer lag.

      Scheinbar war das für sie das Mindeste, was ich in meinen Ferien hätte erledigen können und ganz selbstverständlich, denn sie stellte nur verärgert fest, dass der Abwasch noch nicht weggeräumt war. Und ihr Zeigefinger schnellte wieder einmal in die Höhe.

      Das Mittagessen kochte ich auch oft. Das wurde immer einer Gütekontrolle durch meinen Vater unterzogen.

      „Wer hat gekocht?!!!”, fragte er kurz und knapp.

      Sagte ich, dass ich das gewesen bin, antwortete er abwertend: „Man kann es essen.”

      Hatte meine Mutter mal eine Mahlzeit zubereitet, kam die Feststellung: „Lecker Schatz, das ist dir wieder vortrefflich gelungen.”

      Einmal habe ich mich versündigt und gelogen und einfach behauptet, dass mein Essen Mutti gemacht hätte.

      Da hörte ich dann endlich auch einmal, dass ich vortrefflich kochen kann.

      Inzwischen hatte auch meine körperliche Entwicklung eingesetzt.

      Meine Mutter vermittelte mir, dass eine gesunde Körperhaltung sehr wichtig ist. Sie schlug mir öfter auf den Rücken und sagte: „Steh gerade, sonst bekommst du einen Buckel!”

      Da ich den auf keinen Fall wollte, riss ich schnell meine Schultern nach oben.

      Ziemlich früh hatte ich Probleme mit meiner großen Oberweite. Mein Vater fand dafür eine ganz einfache Lösung. Er setzte das Brotmesser an und fragte: „Soll ich die Dinger abschneiden, dann bist du die los?”

      Meine Mutter stand neben ihm und grinste.

      Damit war ich aber noch nicht genug Demütigungen ausgesetzt. Mein Vater war immer für Überraschungen gut und konnte seine dummen Sprüche sogar steigern.

      Einmal sahen wir im Fernsehen einen Bericht über einen Vater, der seine Tochter vergewaltigt hatte. Daraufhin sagte er zu mir: „Da kannst du aber froh sein, was dir erspart geblieben ist.”

      Was muss ein Vater für abartige Gedanken haben, um so etwas überhaupt aussprechen zu können?

      Im Rückblick kann ich nur feststellen, dass ich nicht sehr einfühlsam und liebevoll auf das Leben vorbereitet wurde.

      In meiner Freizeit spielte ich oft mit kleineren Kindern, las ihnen vor oder übte mit ihnen für die Schule. Sie wurden für mich zum Geschwisterersatz und standen voll im Mittelpunkt, sodass sie abends fast nie nach Hause wollten. Bei den Spielen mogelte ich und ließ sie gewinnen, damit sie nicht traurig oder sogar wütend werden und einfach gehen. Dann wäre ich ja wieder allein gewesen. Auf diese Art und Weise konnte ich keinen Ehrgeiz entwickeln und lernte bereits als junges Mädchen, dass es gar nicht schlimm ist, ein Verlierer zu sein – Hauptsache nicht einsam.

      Als ich körperlich sowie geistig in der Lage war, eine Zugfahrt allein zu überstehen, fuhr ich öfter zu meiner Oma und leistete ihr Gesellschaft.

      Sie baute schnell ab, hatte immer öfter Schwindelanfälle. Einmal war sie gestürzt und wurde ins Krankenhaus eingeliefert.

      Krampfhaft versuchte ich, meine Eltern auf einem Zeltplatz in der Ferne zu erreichen, um ihnen diese Mitteilung zu machen. Diese Situation überforderte mich einfach, wurde mir ja nie gezeigt und vorgelebt, wie man sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert.

      Meine Eltern kamen angehetzt, fuhren ins Krankenhaus, sprachen mit dem Arzt, gingen ins Krankenzimmer und fragten Oma: „Wie geht es dir?”

      Sie sagte, dass sie nach Hause will, denn die Krankenschwestern wären nicht gut zu ihr, würden sie sogar schlagen.

      Wir sahen, dass Oma ans Bett gefesselt war, und meine Eltern waren scheinbar fest davon überzeugt, dass sie in guten Händen ist und ihr überhaupt nichts passieren kann.

      Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich beschwert oder versucht hätten, an dieser Situation etwas zu ändern.

      Sie fuhren anschließend in Omas Wohnung, um den Kühlschrank abzustellen, danach gingen sie in den Stall, schlachteten alle Hühner ab und verarbeiteten diese, denn sie wollten ja nichts verkommen lassen.

      Und das alles an einem Tag. Uffz.

      Danach eilten sie sofort in den Urlaub zurück, damit sie keine Erholung versäumten.

      Mit


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