Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

Kampf um Katinka - Thomas Pfanner


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letzten Aufenthalt vor acht Monaten ergeben hatten.

      Der Gang in den Audienzsaal gestaltete sich ansonsten reichlich langwierig. Durch das Tor gelangte er in einen großen Saal, der von Kaiserlichen bevölkert wurde. Dann folgte ein langer Säulengang, eine Empore, dahinter weitere Räume, einige riesige Büros, schließlich eine weitere Sicherheitsschleuse und dann das Ziel. Ein niedriger, lang gestreckter Saal, zu beiden Seiten von Säulen flankiert, am entfernten Ende ein hohes Podest, darauf der Thron. Der Erbherzog straffte sich und trat am Lakaien vorbei den Gang zum Fuße des Thrones an. Das würde wieder eine anstrengende Veranstaltung für seine Genickmuskeln werden. Der Vizekönig befand sich auf einem wirklich hohen Podest, viel Platz blieb nicht mehr zwischen seiner Glatze und der Decke. Die Untertanen waren gezwungen, steil nach oben zu blicken, um ihn den protokollarischen Regeln entsprechend ins Gesicht sehen.

      Mit unbewegter Miene überwand der Erbherzog die Strecke, ohne weiter auf die Bediensteten zu achten, die schweigend rechts und links zwischen den Säulen standen. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf. Sie alle hatten auf ihn gewartet, kein einziges Gespräch war bei seinem Erscheinen unterbrochen worden. Keine Zeit für tiefschürfende Gedanken, der Sockel des Throns war erreicht, er beugte sein Knie und murmelte die Ehrbezeugung, gerade laut genug, um von den Wänden dröhnend zurückgeworfen zu werden. Anschließend blickte er nach oben, sah den für das Amt ungewöhnlich schlanken Vizekönig, der ungnädig auf ihn herabblickte. Dieser Blick taugte nicht als Gradmesser für Gefahr, wandte der Vizekönig ihn doch stets und ständig an, um die Herzen der Bittsteller in die jeweiligen Hosen rutschen zu lassen. Die Stimme schließlich klang etwas dumpf, verwaschen, ganz und gar nicht königlich, als ob ein Jüngling sprach, der unter Druck stand, dringend weg wollte und sich des Termins möglichst rasch zu entledigen suchte.

      »Erbherzog Stanislaus, welch seltene Freude, Euch bei Hofe begrüßen zu dürfen. Erspart Euch bitte den Anschein von Beglückung und lasst uns sogleich zum Thema kommen.«

      Der Vizekönig seufzte auf, raschelte mit einem von unten nicht sichtbaren Papier, was dem Erbherzog Gelegenheit gab, ein wenig kalten Schweiß abzusondern.

      »Nun denn, wie Ihr wohl wisst, ist der Krieg gegen die Untermenschen der Hurshen-Union siegreich beendet. Dies führt unweigerlich zu einer gewissen … Umverteilung der Aufgaben der Kolonien der Kaiserin. Kriegsdienste werden nunmehr nicht weiter benötigt, weshalb alle bewaffneten Einheiten demobilisiert werden. Ähem.«

      Der Vizekönig raschelte wieder. Ringsum war es totenstill, während Stanislaus von kaltem Entsetzen gepackt wurde. Nun also wurden alle Befürchtungen schreckliche Realität. Das Kaiserreich dachte nicht im Traum daran, die Kolonien für ihre geleisteten Dienst zu belohnen, etwas durch verringerte Abgabenlast oder eine Winzigkeit an Freiheit. Oh nein, im Gegenteil. Horave hatte sich als schwach erwiesen, unfähig, ohne die Hilfe seiner versklavten Außenwelten zu überleben. Als Dank würden jetzt die Zügel noch straffer angezogen, für die Notwendigkeit der Hilfeleistung sollten die Helfer bestraft werden. Stanislaus hatte so etwas befürchtet. Was sollte man von diesen Herrenmenschen auch anderes erwarten? Die Außenwelten galten ihnen als Wirtschaftsgüter mit allem, was sich darauf bewegte.

      »Die hierdurch frei werdenden Ressourcen stehen selbstredend der Kaiserin zu. Wir haben uns dazu herabgelassen, einige erste Berechnungen anzustellen. Demzufolge lautet die Anweisung an Katinka, dem Kaiserreich im Zuge der anstehenden Siegesfeiern fünftausend unverbrauchte Soziolatricen zur freien Verwendung zu überantworten. Daneben ist es mir eine besondere Pflicht, Euch mitzuteilen, dass eine große Anzahl hochwohlgeborener Ehrenmänner von Horave angekündigt sind. In der Hauptsache handelt es sich um Flottenkommandeure, denen die Kaiserin nach den anstrengenden Kämpfen einen Urlaub zugestanden hat. Man gedenkt, einen längeren Erholungsurlaub zu verleben. Das diesbezügliche weibliche Personal in den Refugien ist zu verdoppeln. Dies sind die Pflichten, die Euch aufzutragen sind.«

      Kalte Wut stieg in Stanislaus hoch. Diese dekadenten Schweinepriester planten ganz offensichtlich, alle jungen Frauen Katinkas zu Huren herabzuwürdigen.

      Ihm war durchaus bewusst, einem nahezu allmächtigen Mann gegenüberzustehen, und dennoch: Er selbst gehörte auch dem Adelsstand an. Grobe Provokation würde keinen Erfolg bringen, eine ganz leichte Provokation mochte den Vizekönig immerhin ärgern. Schlimmer konnte es nicht kommen.

      »Hoheit, es freut mich über alle Maßen, von den eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen Mitbestimmungsrechten des hohen Adels von Katinka befreit worden zu sein. Ich hatte im Stillen schon befürchtet, zurate gezogen zu werden und womöglich gegen die Interessen des Reiches entscheiden zu müssen.«

      »Genug!«

      Der Vizekönig schrie so laut, dass es mehrmals von den marmornen Wänden zurückhallte.

      »Noch ein Wort und ich werde Euch zur Rechenschaft ziehen, Elender.«

      Die Zeit für Nettigkeiten war definitiv vorbei. Stanislaus wollte und konnte nicht mehr zurück. Zuviel stand auf dem Spiel.

      »Ihr habt mithin in Eurer hochwohlgeborenen Weisheit beschlossen, dass es gut getan ist, wenn Ihr die Gesetze der Kaiserin in einem kleinen unbedeutenden Punkt ignoriert, und gleichzeitig ebenfalls beschlossen, einen Adligen von hohem Rang zu bedrohen, wenn er sein angestammtes Recht wahrnimmt und dies vor dem Vizekönig der Kaiserin von Horave vorbringt? Apart, wirklich apart.«

      »Wache!«

      Drei Dragoner traten aus dem Seitenschiff hervor und gruppierten sich um Stanislaus. An und für sich ein unerhörter Affront, doch gleichzeitig die letzte Warnung. Der Vizekönig war umgeben von Speichelleckern, er war es ganz und gar nicht gewohnt, mit Widerworten konfrontiert zu werden, noch dazu solchen, die mit leichter Hand und völlig frei von Angst dargeboten wurden. Ihm fehlte schlicht die Gewöhnung an Menschen mit anderer Meinung. Zudem empfand er Freude daran, anderen Lebewesen seinen Willen aufzuzwingen. Selbstständig denkende Menschen waren ihm ebenso ein Gräuel wie Zeitgenossen, denen er seinen Willen nicht aufzwingen konnte. Üblicherweise fanden solche Leute den frühen und schmerzhaften Tod, bei dem Erbherzog diese Konsequenz zu beschließen würde jedoch zu viel Staub aufwirbeln. Mehr Staub jedenfalls, als es zu diesem Zeitpunkt wert war. Bebend vor Wut beugte sich der Vizekönig so weit nach vorne, wie es Bauch und Balance gerade noch zuließen.

      »Schweigt stille, ich rate es Euch gut. Ich bin der von Gott und der Kaiserin gesandte Vizekönig, Herrscher über alle Edelleute, lebendes Inventar und jegliche materiellen Werte auf diesem verfluchten Planeten. Ich allein entscheide über Recht und Unrecht, niemand sonst, auch Ihr nicht. Mir allein obliegt die Entscheidung, was zum Wohle des Reiches zu tun ist, und wenn eine dieser Entscheidungen bedeutet, dass ganz Katinka untergeht, dann sei es so. Nichts und niemand wird mich davon abhalten, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Hört es und beherzigt es. Damit Ihr es auf keinen Fall vergesst, trage ich Euch zusätzlich zu den bereits offenbarten Pflichten auf, vorab ein schnelles Schiff nach Horave zu senden mit zweihundert erlesenen Soziolatricen, als Siegesgeschenk an die Kaiserin, zu deren freien Verfügung. Und nun dürft Ihr Euch entfernen. Schätzt Euch glücklich, über keine weiblichen Nachkommen zu verfügen.«

      Die Füsiliere machten kehrt und Stanislaus musste mit ihnen gehen. Zur Wut kam der Schreck hinzu. Es konnte also doch schlimmer kommen. Durch sein fahrlässiges Verhalten hatte er soeben zweihundert Töchter des Planeten zu lebenslangen Sklavendiensten unter demütigenden Umständen verurteilt. Nein, nicht er, rief er sich zur Ordnung. Die Willkürherrschaft des Kaiserreiches war hierfür verantwortlich zu machen. Selbst wenn er sich nicht aufgelehnt hätte, das Ergebnis wäre das gleiche gewesen. Der Vizekönig war kein schneller Denker, den Plan mit dem Geschenk an die Kaiserin hatten andere bereits vor dem Termin gefasst. Stanislaus gab dem Despoten nur die Gelegenheit, die Sache einem Sündenbock unterzuschieben. Nachdem er sich einige Zeit mit der neuen Erkenntnis beschäftigen konnte, fand er genügend Ruhe für sachdienliche Überlegungen.

      Ohne zu wissen, wie er eingestiegen war, blickte er die Welt unter sich gedankenverloren aus dem kleinen Seitenfenster. Seine Welt. Er war hier geboren, seine Vorfahren waren hier geboren. Katinka war eine arme Welt gewesen, Rohstoffe fanden sich nur sehr wenige und die wenigen Ressourcen lagen allesamt im Boden der Tiefsee begraben. Insofern hatten dem Planeten die Möglichkeiten gefehlt, nach der Verrottung der Siedlerschiffe den Raumflug wieder


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