Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

Kampf um Katinka - Thomas Pfanner


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geht es nicht«, knarzte es aus dem Kopfhörer. »Reaktionszeit zwo Sekunden.«

      »Verstanden.«

      Zeit, der Grizzly den entscheidenden Wink zu geben.

      »Grizzly, Grizzly, bereit für Zugriff. Erbitte unverzüglich Genehmigung, Zeitfenster sehr eng. Wiederhole, Zeitfenster sehr eng.«

      Alles schwieg. Aus dem hohlen Nichts glaubte Anheuser, ein Rauschen heraushören zu können, was natürlich eine Illusion war. So schlecht war die Horaveische Technik nun auch wieder nicht.

      Die erlösenden Worte tropften aus dem Äther:

      »Kayaa Katinka.«

      Das Zeichen zum Angriff. Alle Füsiliere hatten die Worte vernommen, den eigentlichen Einsatzbefehl gab Anheuser selbst. Es war ein schlichtes »Drei«. Jeder zählte für sich die drei Sekunden ab, dann brach die Hölle los. Der Lärm vertrieb rabiat die Stille. Auf dem Maschinendeck legte Claudia Carbone die kleinkalibrige Schusswaffe weg und nahm die Raketen-Schleuder zu Hand. Ein anderer Füsilier ihres Trupps konnte endlich zur auf seinem Rücken befestigten Motorkanone greifen und tat dies äußerst beherzt. Die Kanonen spuckten einen meterlangen Feuerstrahl aus, der doch nur das äußere Zeichen für den ungeheuren Geschosshagel darstellte, den die Waffe über dem Gegner ausschüttete. Carbone und zwei andere Füsiliere fügten mit den Mini-Raketen aus der Schleuder der allgemeinen Vernichtungskraft zusätzliche Zerstörungen bei. Die Männer auf der anderen Seite wurden förmlich weggefegt und bereits nach zehn Sekunden musste Carbone die Einstellung des Feuers befehlen, um zu verhindern, dass einzelne Raketen bis zur Zentrale durchbrachen.

      Watkins hatte andere Probleme und die löste er auf deutlich filigranere Weise. Aus dem reichen Fundus an speziellen Kampfmitteln wählte er eine EMP-Granate, die nach ihrer Zündung an der Bombe sowohl den Empfänger für das Sprengsignal als auch die Kamera unbrauchbar machte. Gleichwohl sprang er mit zwei anderen Soldaten in die Ausläufer der Explosion hinein zur Bombe hin, die hektischen Warntöne seines Anzuges ignorierend. Einige kleinere Störungen in der Kraftunterstützung für die Beingelenke traten auf, leicht humpelnd erreichte er dennoch sein Ziel. Mit einer Handbewegung waren die Anbauten weggefegt und die Kiste wurde so schnell wie möglich geöffnet. Wie nicht anders zu erwarten fanden sich darin nicht nur sechs Plasma-Flaschen, sondern auch eine kompakte Bombe mit Zeitzünder. Vielleicht einhundert Gramm Komposit-Sprengstoff, in jedem Fall ausreichend, um in die Flaschen einige Risse zu zaubern. Der Rest würde zu schnell gehen, um von den Gehirnen der Füsiliere verarbeitet werden zu können. Zu allem Überfluss war von außen nicht zu erkennen, wie viel Zeit noch bleiben würde. Auch sonst gab es keine Anhaltspunkte. Watkins kannte die Bauart und wusste sofort, dass eine Entschärfung nicht möglich war. Dennoch gab es eine Möglichkeit, die einzige Möglichkeit. Das Ding war gegen alles und jedes geschützt, sofern man versuchte, in das Innere vorzudringen. Das wollte er aber gar nicht. Mit einem beherzten Griff löste er die kleine Bombe aus ihrer Verkantung zwischen zwei Flaschenhälsen, stand auf und rannte los, so schnell, wie es der leicht angeschlagene Anzug vollbringen konnte. Er nahm keine Rücksicht, legte die Hände auf den Rücken, damit die Bombe nicht beschädigt wurde, und zündete die Manövriertriebwerke. Die Panzerung des Anzuges war gut genug, um bei dem einem Rennpferd ähnlichen Tempo Türzargen und leichte Wände einfach zu zermalmen. Zwischen den Maschinen im letzten Teil des Maschinendecks musste er waghalsig kurven, doch er schaffte es. Im Flugmodus preschte er aus dem beschädigten Teil des Ionenhammers, warf sofort sein Bündel mit kraftverstärkter Armschleuder ins All und ging augenblicklich auf Gegenkurs. Keine drei Sekunden später flammte ein kurzer, stechend heller Blitz auf und erlosch sogleich wieder. Watkins verschob den Schreck auf später, die Meldung musste zuvor raus:

      »Bombe wirkungslos, wiederhole, Bombe wirkungslos.«

      Anheuser und seine Leute gingen den geraden Weg. Im Halbkreis stürmten sie vor, wobei nur der Major die Tür nahm. Die verputzten und bemalten Wände der Zentrale stellten für kraftunterstützte Infanteristen in Panzeranzügen kein ernsthaftes Hindernis dar. Anhand der Pläne waren die Füsiliere in die Lage versetzt worden, genau an den Stellen durch die Wand zu brechen, an denen auf der anderen Seite keine massiven Kontrollapparaturen den Durchmarsch behinderten.

      In diesem Augenblick kam das über die Zentrale und aller darin Befindlichen, was ein Füsilier unter shock and awe verstand. Für spezielle Aufträge, besonders solche in Raumschiffen und auf Planeten beim Häuserkampf, trugen die Soldaten Sirenen am Anzug. Daneben griffen sie zu Schock-Granaten, die gleichermaßen blendendes Licht wie Infraschallstöße aussandten. Der Infraschall wirkte auf die inneren Organe von ungepanzerten Personen, in dem er sie zu unkontrollierten Zuckungen zwang, was insbesondere bei Herzen zu einem Gefühl führte, das dem Erleben eines Herzinfarktes nicht unähnlich war. In jedem Fall führte die kurzfristige Blendung der Augen im Zusammenspiel mit dem Infraschall bei den Opfern zu infernalischen Schmerzen in allen wichtigen Organen und dem Ausfall der wichtigsten Sinne. Kampfunfähigkeit war die erhoffte Folge.

      Im konkreten Fall trog die Hoffnung nicht. Anheuser stürmte durch die aufknallende Tür hindurch in die Zentrale, nahm wahr, wie sich von den Seiten her seine Soldaten in einem Regen aus Trümmern den Zugang durch die Wände erzwangen, zählte gleichzeitig sieben Personen, die nicht zu den Füsilieren gehörten. Alle sieben stürzten augenblicklich schreiend und zuckend zu Boden, drei von ihnen lösten jedoch nicht den Griff um ihre Waffen. Bedingt durch das unkontrollierte Zucken krümmten sich auch die Finger und die Waffen feuerten. Leuchtspurgeschosse zogen quer durch die Zentrale ihre Bahn wie die Pinkelfontänen sturzbetrunkener Adliger, nur um einiges gefährlicher. Anheuser konnte in dem Gesamtbild, das er augenblicklich in sich aufnahm, keine Prinzessin erkennen, umso wichtiger wurde die Ausschaltung der Bewaffneten. Den Körperpanzern der Füsiliere machten die Hartkerngeschosse nichts aus, normalen, ungeschützten Menschen dagegen sehr wohl.

      Es dauerte nur zwei Sekunden. Bedingt durch die taktische Lage nahmen sich die Füsiliere die kurze Zeitspanne, um ihre Ziele eindeutig zu identifizieren und sorgfältig zu zielen. Dann eröffneten Tigana und Platini das Feuer aus lächerlich klein wirkenden, aber ungemein wirkungsvollen Schusswaffen. Die Munition drang nicht in die Körper der um sich schießenden Gangster ein, sondern gab ihnen einen starken kinetischen Impuls mit, der wie der Faustschlag eines Schergewichtlers wirkte. Weitere zwei Sekunden später war das Schießen vorbei. Die Füsiliere gaben die geschlossene Front auf, verteilten sich so, dass sich mindestens einer neben einem der immer weiter schreienden Personen einfand. Gegen das ziellose Schlagen und Wälzen der Betroffenen wurden rasch Fesseln angelegt und verborgene Waffen gesucht. Erst danach wurden Sirenen und Granate abgestellt. Da auch an den anderen Brennpunkten der Jacht der Kampf beendet war, senkte sich eine Stille über das Schiff, die in den Ohren hämmerte. Das Schreien ging in Winseln und Jammern über, was von den überregulierten Außenmikrofonen der Anzüge einige Sekunden lang nicht übertragen wurde. Immer noch suchte Anheuser nach der Prinzessin. Gleichzeitig setzte er die eingehenden Meldungen seiner Soldaten in eine entsprechende Meldung an die Grizzly um:

      »Schiff gesichert. Keine Kampftätigkeit mehr. Keine Verluste. Keine Verletzte auf unserer Seite. Prinzessin noch nicht gesichtet.«

      Erste dunkle Vorahnungen wollten in das schon reichlich beschäftigte Bewusstsein des Majors einsickern, da rief Füsilier Henry dazwischen: »Gotcha!«

      Mit drei raumgreifenden Schritten durchmaß Anheuser die Zentrale und besah sich Henrys Fund. Sogleich dankte er den Göttern, ihm die Weisheit geschenkt zu haben, den Einsatz von Waffen auf die Schockmunition beschränkt zu haben. Einer der drei Männer, die im Sturz um sich geschossen hatte, war offenbar der Bewacher der Prinzessin gewesen. Vermutlich hatte er sie fest an seine Seite gezwungen und schließlich beim Sturz mit sich gerissen. Nun lag sie unter ihm und Hartkernmunition, auf den Bewacher abgefeuert, wäre durch beide Körper gedrungen und hätte sie ganz ohne Zweifel ebenfalls getötet. Ein großer Teil von Konzentration und Anspannung fiel von den Schultern des hünenhaften Majors und machte der besorgniserregenden Erkenntnis Platz, mal wieder so gerade eben Glück gehabt zu haben.

      »Berichtige, Grizzly, mutmaßliche Zielperson gefunden.«

      »Was heißt denn mutmaßlich? Ich hätte es gerne ein wenig genauer. Ist sie unversehrt?«

      Der


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