Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

Kampf um Katinka - Thomas Pfanner


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die Mordbrenner aus der Geschichte getilgt, auf der Suche nach Rohstoffen, Reichtümern und gesunden Menschen war Gnade ebenso ein Fremdwort geblieben wie Menschlichkeit oder Intelligenz. Andererseits fand Horave kurze Zeit später den Planeten und verleibte ihn sich ohne Zögern ein. Immerhin ließen die neuen Herren die örtliche Hierarchie weitgehend intakt, zumal sich auch auf Katinka eine Ständegesellschaft herausgebildet hatte. Ein Flottenstützpunkt wurde errichtet, eine Station in die Umlaufbahn gebracht und ein protziger Palast errichtet, in den der Vizekönig samt erschütternd umfangreichem Gefolge einzog. Aus verschiedenen Umständen entwickelte sich in der Folge ein mehr als zweifelhaftes Privileg. Da war die einzigartige Schönheit des Planeten, die es als Urlaubsziel prädestinierte. Durch eine Laune der Natur schien Katinka außerdem noch ein Ort zu sein, an dem ganz besonders viele ganz besonders schöne Frauen zu finden waren. Dabei waren die Frauen in ihrer Schönheit noch ganz und gar unterschiedlich. Man fand an den Stränden des Hauptkontinents bezaubernde Wesen sowohl mit brauner als auch mit heller Hautfarbe, zierliche Gestalten und große, starke Figuren, immer jedoch zeichneten sie sich durch geraden Körperwuchs aus, ebenmäßige Gesichtszüge, makellose Haut und robuste Gesundheit. Alles Eigenschaften, die auf den abgewirtschafteten Zentralwelten bei den durch endlose Kriege, den damit verbundenen unsäglichen Lebensbedingungen und permanenten Verlusten an Menschenleben geschundenen Bevölkerungen nicht mehr sehr weit verbreitet waren. Ein Jahrhundert in Frieden und Wohlstand würde alles wieder ins Lot bringen, doch so etwas Exotisches wie langfristiger Frieden war nicht in Sicht.

      Und so fiel das Auge des Horaveischen Adels zwangsläufig auf die Schönen von Katinka. Innerhalb von Sekunden war klar, in welcher Form die Kolonialwelt Katinka hinfort ihren Tribut zu leisten hatte. Urlaub mit All-inclusive-Service vor allem, wobei für einen Adligen all-inclusive der Wortsinn sehr genau galt. Eine weitere Tributleistung war der Export von Frauen, die nicht nur auf Horave hoch gehandelt wurden, sondern im Falle einer Niederlage auch die Reparationsleistung aufhübschte. Nicht selten wurde in den Salons des Hochadels das Gerücht kolportiert, insbesondere Ordune sei ganz wild auf Krieg mit Horave, weil als Reparationsleistung fast ausschließlich katinkische Frauen gefordert wurden. Die Stimmung der Bevölkerung vermochte die Herrschaft Horaves nicht aufzuhellen. Man war glücklicher gewesen ohne Kolonialherren, ohne Raumfahrt und ohne einen Vizekönig, der sich jeden Tag eine Jungfrau ins Schloss bestellte.

      Und jetzt sollte das einzige Kriegsschiff Katinkas abgegeben werden, als Gegenleistung würde bald jede ehrbare Frau des Planeten von den Herrenmenschen Horaves geschändet worden sein. Die Geburtenrate zeigte seit bald zwanzig Jahren stetig nach unten, und obwohl Geburtenkontrolle verboten war, wurden etwa drei Mal mehr Männer geboren als Frauen. Kein Vater war scharf darauf, eine Tochter groß zu ziehen, nur, um sie in die Hände eines schmierigen Gutsherren oder Admirals geben zu müssen.

      Stanislaus ließ seinen Gedanken freien Lauf. Ziemlich rasch verknüpfte er die Pläne, die er und seine Getreuen in Erwartung des schlimmst möglichen Falles gefasst hatten, mit dem aktuellen Ereignis. Es passte alles zusammen, als ob der Höchste ihm durch die Wut des Vizekönigs einen Trumpf in die Hand spielen wollte. Und genau genommen war es eben das: Ein Geschenk. Das Vorhaben der Horaver war ihm nun bekannt. Alles, was er zu tun hatte, war, eine Warnung auf den Weg zu bringen.

      Das Display klappte aus der Armlehne, einige Tastenberührungen später erschien das Bild eines nicht übermäßig hübschen Mannes mittleren Alters.

      »Zu Euren Diensten, Herr.«

      »Basil, wir haben einen hochwohllöblichen Auftrag des Vizekönigs umzusetzen.«

      Basil de Montmillard, sein persönlicher Sekretär und Angehöriger der niedersten Rangstufe des katinkischen Adels, blinzelte zwei Mal. Stanislaus nickte befriedigt und fuhr fort: »Der Vizekönig entsendet zweihundert unserer schönsten und stärksten Frauen zur Siegesfeier der Kaiserin. Sorgen Sie dafür, dass sie unverzüglich zur Abreise bereit sind. Am Besten, wir wählen für den Transport unser schnellstes Schiff. Und, Basil, begleiten Sie die Damen, sicher ist sicher. Die Kaiserin wird es sicher zu schätzen wissen, wenn die Geschenke unversehrt übergeben werden. Dazu sollten Sie einige Wachen mit auf die Reise nehmen.«

      Basil zuckte mit keiner Wimper, selbst die Augen blieben so ausdruckslos wie zwei Brunnenlöcher. Tonlos bestätigte er:

      »Sehr wohl, Herr. Es wird geschehen.«

      Der Bildschirm erlosch und klappte geräuschlos weg. Erbherzog Stanislaus rieb sich sinnierend das Kinn. Wie beiläufig manche Dinge doch begannen, bevor sie in einem gewaltigen Gemetzel gipfelten.

      *

      Roscoe Tanner, Captain des Schlachtkreuzers Grizzly, schaute seinen namenlosen Gesprächspartner, selbst ernannter Kommandant der Freizeitjacht Saskia, in einer Art konzentrierter Lässigkeit an. Er verfügte über einige Erfahrung im Umgang mit gegnerischen Verhandlungsführern, sodass er seine Spannung perfekt verbergen konnte. Zu einem gewissen Teil empfand er darüber hinaus auch Freude am Verhandlungspoker. Er verstand etwas von Körpersprache, konnte aus Haltung, Körperspannung und Ausdruck der Augen stets mit hoher Sicherheit auf die Wahrheit hinter der Fassade des anderen schließen. Im Laufe seines Lebens hatte er zudem lernen müssen, ihm aufgetischte Lügen aus dem Bauch heraus zu identifizieren. Jeder Einwohner von Katinka konnte das, bei dieser Art von Kolonialherrschaft eine zwingend notwendige Eigenschaft.

      Aus dieser Vorgeschichte heraus vermochte Tanner die Angst des namenlosen Gangsters förmlich zu spüren. Die selbstgefällige Arroganz war gänzlich aus dem groben Gesicht gewichen. Verbal versuchte er jedoch alles, um das Bild des harten und alles im Griff habenden Entführers aufrechtzuerhalten. Ein sehr dummer Versuch, schon Kleinkinder schlossen überwiegend aus Körperhaltung und Gesichtsausdruck auf die Absichten und Gefühle ihrer Alten und nur am Rande auf die blanken Worte.

      »Jetzt hören Sie genau zu, Horave. Sie werden die Soldaten aus dem Schiff holen und uns unserer Wege ziehen lassen. Alles andere wird sich sehr negativ auf die Gesundheit der Prinzessin auswirken. Haben Sie verstanden?«

      Aus den Augenwinkeln sah Tanner, wie sich Sir Ulrich erhob und die Brücke verließ. Eine kluge Entscheidung, denn der Erste Offizier konnte sich kaum noch beherrschen. Wäre er geblieben, hätte es bis zur ersten pampigen Antwort nicht mehr allzu lange gedauert, mit möglicherweise fatalen Konsequenzen. Tanner schenkte dem schwitzenden Mann auf dem Display ein treuherziges Lächeln:

      »Guter Mann, ich würde ja gerne. Glauben Sie mir, ich sehne mich nicht danach, einer Vertreterin der Kaiserlichen Familie das hochwohlgeborene Gesäß zu retten, ganz sicher. Aber Sie wissen sicherlich, dass auf allen Schiffen unserer Flotte automatische Aufzeichnungsgeräte installiert sind. Ich kann mir nicht erlauben, einen Fehler zu machen. Daher sehe ich mich im wahrsten Sinne des Wortes gezwungen, Ihr Schiff zu erobern.«

      Der Gangster stand zu sehr unter Druck, um die Lücken in der Argumentation des Captains zu entdecken. Gäbe es diese Aufzeichnungsgeräte, dürfte Tanner ganz sicher nicht darauf zu sprechen kommen und in geradezu defätistischer Weise über die Prinzessin reden. Stattdessen versuchte der Kerl, den Captain mit einer Variante des bösen Blicks zu bezwingen.

      »Reden Sie keinen Quatsch. Das letzte, was ich tue, ist, der kleinen Schlampe den Kopf abzuschneiden. Also, zum letzten Mal: raus aus meinem Schiff.«

      Tanner lächelte ebenso entschuldigend wie falsch:

      »Ich will an dieser Stelle wirklich nicht diskutieren, wessen Schiff die Saskia ist, ich sehe aber doch ein gewisses Patt in der augenblicklichen Situation.«

      »Patt?«, gurgelte der Gangster entgeistert. Ein dicker Schweißtropfen rann von der rechten Schläfe ausgehend über die Wange und blieb am Unterkieferknochen hängen, vorwitzig glitzernd und gar nicht daran denkend, sich in den Abgrund zu stürzen. Dem sah sich sein Eigentümer schon ziemlich nah. Das Mikrofon auf der Brücke der Jacht übermittelte elektronisch gefiltert nur die Stimme des Mannes vor dem Bildschirm, dennoch war nicht zu übersehen, dass von außerhalb des Bildausschnittes irgendjemand auf den Verbrecher einredete. Dessen Augen wanderten immer wieder in die Richtung, der Mann hatte offenbar Mühe, sich auf das Gespräch mit der Grizzly zu konzentrieren. Ihm fehlte schlicht die Ausbildung, wie sie Major Anheuser genossen hatte. Tanner sprach sanft und gleichzeitig eindringlich


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