Die große Liebe für ein gefallenes Mädchen. Julie Bloom

Die große Liebe für ein gefallenes Mädchen - Julie Bloom


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meine teilnahmslose Art dabei beschwert hatten, und der Boss mich feuern wollte. Irgendwie hat er mich dann aber doch hierbehalten und mich von da an nur mehr noch als Kellnerin eingesetzt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Doch nicht jeder der Gäste weiß das, und deshalb versuchen solche widerwärtigen Schurken, wie vorhin, nach wie vor bei mir zu landen. Es ekelt mich einfach so an.“

      Julie beendete ihre Rede und sie war sehr erleichtert, es endlich einmal ausgesprochen zu haben. Sie war derart in Rage geraten, dass sie Marc schon ein Weilchen nicht mehr angesehen hatte. Langsam und vorsichtig blickte sie nun zu ihm hinüber, um zu sehen, wie er darauf reagierte.

      Marc hatte wohl auf ihre Aufmerksamkeit gewartet.

      „Es tut mir ehrlich leid, wie es Ihnen hier wohl ergangen war und immer noch ergeht“, sagte er ehrlich mitfühlend.

      Nun verstand er auch, warum die schroffe Kellnerin Julie zuvor so angefahren war. Vermutlich waren die anderen Dirnen neidisch auf sie, dass sie sich vor der grauenhaften Prostitution hatte drücken können. Marc war ehrlich gesagt sehr froh darüber, dass sie das nicht mehr tun musste. Und der Gedanke daran, dass sie es aber jemals getan hatte, löste ein Grauen in ihm aus. Aber nicht ihr gegenüber, sondern denen gegenüber, die ihr das angetan hatten.

      „Warum gehen Sie dann nicht einfach? Oh, bitte entschuldigen Sie die ungeschickte Frage. Ich wollte sagen, was hat sie all die Jahre hier festgehalten? Gibt es wirklich keine anderen Möglichkeiten?“

      Nachdem er die Frage gestellt hatte, ahnte er, wie dämlich und unpassend sie vermutlich war.

      Julie schüttelte nun sarkastisch lachend den Kopf.

      „Glauben Sie mir, wenn es die gäbe, hätte ich sie gewählt. Aber ein Mädchen, wie ich, hat keine andere Wahl. Vermutlich bin ich dazu geboren worden, um einmal hier zu verenden.“

      Marc erhob sich nun unwillkürlich, denn dies war der größte Schwachsinn, den er jemals gehört hatte und ganz bestimmt nicht hören wollte. Auch wenn es für Julie vermutlich tatsächlich wie die Wahrheit erschien.

      „Nein, auf keinen Fall“, protestierte Marc erregt. „Eine wunderschöne, kluge Frau wie Sie, kann keines Falls für das hier geboren sein.“

      Marc deutete durch den Raum.

      „Ich weiß, dass viel mehr in Ihnen steckt und es vieles gäbe, das sie tun könnten, und gewiss mit Bravour meistern würden.“

      Marc war ehrlich überzeugt davon, was er da sagte. Doch Julie schien ihn augenblicklich für verrückt zu halten.

      „Sie wissen nicht, was Sie da reden.“

      Nun erhob sich auch Julie und begann, aufregt und verärgert im Zimmer herum zu gehen.

      „Wenn jemand von da kommt, wo ich herkomme, dann gibt es nichts anderes, was man tun könnte. Wir können uns glücklich schätzen, hier arbeiten zu dürfen. Gil ermöglicht uns ein Leben. Eines, das wir nicht in der Gosse verbringen müssen.“

      Julie war nun wirklich wütend geworden, aber nicht direkt auf Marc. Sie war mehr zornig darüber, wie hilflos sie sich fühlte und wie ausgeliefert in ihrer Situation. Vielleicht hatte Marc ja sogar recht. Vielleicht hätte sie sich zu gegebener Zeit mehr Mühe geben sollen, einen anderen Weg für sich selbst zu finden. Doch irgendwie war sie hier einfach hängen geblieben und hatte nie den Mut aufgebracht, ihr Leben zu verändern. Wenn sie auch nach wie vor keine Ahnung hatte, wie sie das hätte tun sollen.

      Plötzlich klopfte es an der Tür.

      „Ja?“, fragte Julie immer noch mit zittriger, erregter Stimme.

      „Die Stunde ist um. Der Chef hat gesagt, ich soll dich zurück in den Schankraum holen. Außer der Herr möchte noch eine Stunde dranhängen. Dann muss er aber gleich bezahlen“, schallte eine Männerstimme durch die geschlossene Türe.

      Julie blickte zu Marc hinüber. Der griff suchend in seine Taschen, fand wohl aber nicht das passende Geld und schüttelte resignierend den Kopf. Julie seufzte.

      „Ist gut, ich komme.“

      Sie ging bereits Richtung Türe. Marc schloss schnell zu ihr auf und hielt sie sanft am Arm fest. Da war es wieder, dieses magische Prickeln. War das möglich?

      „Es tut mir sehr leid, dass wir jetzt nicht weitersprechen können. Ich verspreche Ihnen aber, ich komme wieder. Bitte passen Sie in der Zwischenzeit gut auf sich auf“, sagte Marc sehr ernst und mit fürsorglicher, warmer Stimme.

      Am liebsten wäre sie ihm nun um den Hals gefallen. Sie wusste aber genau, dass zwischen ihren Träumen und der Wirklichkeit Welten lagen. Also lächelte sie ihn nur vage und dankbar an, und verließ dann das Zimmer.

      Marc blickte ihr noch hinterher, bis sie in dem dunklen Gang verschwand.

      Der Mann stand immer noch draußen neben der offenen Tür und forderte Marc auf: „Bitte verlassen Sie jetzt auch dieses Zimmer. Und beehren Sie uns bald wieder.“

      Marc ging zurück zu dem Sessel und schnappte sich seine Aktentasche. Dann verließ er rasch den Raum.

      Unten im großen Schankraum angekommen, blickte er sich einmal nach Julie um, konnte sie aber nirgends sehen. Er ging zurück in das Separee, wo er zuvor mit Mr. Kellington Geschäfte gemacht hatte, und fand nun auch die anderen Gentlemen wieder vor. Einige saßen an dem recht großen Tisch und tranken, während der Boss, Mr. Kellington gerade genüsslich eine Zigarre rauchte. Marc musste aufgrund des schrecklichen Qualms beinahe husten, als er näherkam. Er verabscheute Rauchen.

      „Mr. Kellington, ich bedanke mich bei Ihnen für das heutige Treffen, und möchte mich nun verabschieden. Es ist spät geworden und ich muss morgen früh raus.“

      Er streckte Mr. Kellington die Hand entgegen. Mr. Kellington stand aber lachend auf und umarmte Marc freundschaftlich.

      „Und ich hoffe, Sie hatten Ihren Spaß“, sagte er und zwinkerte Marc zu.

      Offenbar dachte er, Marc hätte auch ein Schäferstündchen mit einer der Dirnen eingelegt. Der Einfachheit halber beließ es Marc bei diesem Irrtum und grinste nur zurück.

      „Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend. Gentlemen“, sagte Marc noch an die anderen Herren gerichtet und verließ dann das Separee.

      Im großen Schankraum blickte er sich noch einmal nach Julie um, konnte sie aber nach wie vor nirgendwo entdecken. Also beschloss er, zu gehen. Er hatte es zuvor kaum erwarten können, hier wieder raus zu kommen. Und nun hatte er das Gefühl, im Bordell etwas zurückzulassen. Ein Teil von ihm wollte nun gar nicht mehr gehen.

      Draußen auf der Straße angekommen, atmete Marc einmal tief durch und genoss die recht kühle Nachtluft. Was war hier heute bloß geschehen? Er fühlte sich anders, verwirrt und aufgewühlt. Er hatte seine innere Ruhe und seine Besonnenheit verloren. Plötzlich schien ihm sein bisheriges Ziel, an die Spitze seiner Karriere zu gelangen, nicht mehr genug. Etwas hatte sich verändert, er hatte sich verändert. Ob es etwas Gutes war, wusste er noch nicht. Jedenfalls konnte er es nun kaum erwarten, wiederzukommen und sich weiter mit Julie zu unterhalten. Er hatte das Gefühl, dass da noch so viel mehr dahintersteckte, als er jetzt ahnte, und er wollte es unbedingt erfahren. Er wollte alles über sie wissen und sie verstehen lernen. Es war eine völlig Neue Welt, und für Marc vollkommen unbegreiflich, wie sie in einem Bordell beginnen konnte.

      Seinem Chef von dem grandiosen Geschäftsabschluss zu erzählen, konnte ihn nun nicht mehr begeistern und war ihm gerade ziemlich gleichgültig. Obwohl er es am nächsten Morgen natürlich sofort tun würde.

      Nun pfiff Marc eine Mietdroschke herbei, von denen zum Glück selbst zu dieser Stunde noch einige unterwegs waren, und ließ sich zu seiner Unterkunft bringen. Ob er in der heutigen Nacht würde schlafen können, wusste er noch nicht.

      4. Kapitel

      Nach ihrer Begegnung mit Marc am gestrigen Abend hatte Julie sich sofort zurückgezogen. Sie hatte dem Bordellchef Gil gesagt, dass sie sich nicht gut fühlte, und war in ihr Zimmer hinaufgegangen. Zum Glück war Gil stets


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