Die große Liebe für ein gefallenes Mädchen. Julie Bloom

Die große Liebe für ein gefallenes Mädchen - Julie Bloom


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arbeiten können, sich womöglich von noch mehr Unholden betatschen lassen müssen, nach ihrer besonderen Begegnung mit dem verständnisvollen und höflichen, blonden Engel. Sie hatte sich dann auch sofort hingelegt und zu träumen begonnen. Sie hatte ihre gesamte Begegnung, ihr Gespräch Revue passieren lassen und sich noch einmal so wohl gefühlt, wie sie sich zuvor in Marcs Gegenwart und unter seinem warmen Blick gefühlt hatte. Dann war sie irgendwann eingeschlafen. Ob sie ihn wohl jemals wiedersehen würde? Versprochen hatte er es zumindest.

      Am nächsten Morgen erwachte Julie erstaunlich erholt und gut ausgeruht. Sie erhob sich und stellte fest, dass sie am Vorabend komplett vergessen hatte, sich ihr Arbeitsgewand auszuziehen. Offenbar war sie derart in Gedanken und Träumereien versunken gewesen, dass es ihr nicht aufgefallen war. Julie musste schmunzeln. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt mit einem Lächeln auf dem Gesicht aufgewacht war. Ihre Mitbewohnerin in dem kleinen Zimmer, Katy, schlief noch. Leise und auf Zehenspitzen ging Julie hinüber zu ihrer Waschschüssel und machte sich frisch. Danach zog sie sich um und warf sich rasch ein gräuliches, abgetragenes Tageskleid über. Sie richtete ihre Frisur und verließ den Raum.

      Jeden Morgen, oder besser gesagt eher mittags, gab es eine einfache, aber ausgiebige Mahlzeit für alle, die für Gil arbeiteten. Diese befand sich stets unten im großen Schankraum des Bordells. Jedoch wirkte der ansonsten so düstere und stickige Raum bei Tageslicht ganz anders. Mit den vielen Tischen und ohne die grölenden Gäste und deren Gestank, war es hier auszuhalten. Julie war wohl die Erste, die an diesem Morgen munter war und fand lediglich Gil und seine Frau Sue vor, die das Frühstück gerade auftrug.

      „Guten Morgen, Kleines. Geht es dir wieder gut? Gil hat berichtet, du hättest dich gestern unwohl gefühlt.“

      Sue hatte beinahe etwas Mütterliches an sich. Sie war eine recht üppige, kleine, bereits etwas ältere Frau, die genauso wie Gil, immer ein Auge auf die Mädchen des Bordells hatte und dafür sorgte, dass es ihnen an nichts fehlte. Sie half auch mit, deren Kleidung zu waschen und das gesamte Haus sauber und in Ordnung zu halten. Man könnte sagen, sie war unter anderem Gils Haushälterin. Es schien ihr aber nichts auszumachen, im Gegenteil. Julie hatte das Gefühl, dass sich Gils Frau stets hingebungsvoll um ihre Aufgaben kümmerte und mit ihrem Leben zufrieden war. Beinahe beneidete Julie in diesem Augenblick, die ältere, manchmal schrullige Sue. Aber sie hatte wohl das Herz am rechten Fleck, genauso wie Gil.

      „Danke, es geht mir wieder besser. Es war wohl nur eine Magenverstimmung“, gab Julie zurück.

      „Und, darf ich mich schon bedienen? Ich habe einen Bärenhunger“, gestand sie.

      „Nur zu, nimm dir. Wir wollen ja, dass ihr alle schön bei Kräften bleibt.“

      Sue verließ den Raum und ging zurück in die Küche. Julie war hier nun alleine mit ihrem Boss Gil.

      Während Julie zum Tresen ging und sich zaghaft am Buffet bediente, sagte er: „Also Julie, ich muss schon sagen. Gestern hast du mich wirklich überrascht. Falls dieser wohlhabende, gut aussehende Gentleman wieder kommen sollte, würde ich mich freuen, wenn es wieder so verlaufen würde, wie vergangene Nacht.“

      Er blickte Julie vorsichtig über die Schulter hinweg an, und verließ dann ebenfalls den Raum.

      Nun war Julie alleine. Mit ihrem voll beladenen Teller setzte sie sich an einen der kleinen, runden Tische und begann, an einem Stück Toastbrot zu knabbern. Verträumt blickte sie hinüber zu den Hockern vor dem Tresen und erinnerte sich. Dort hatte sie gestern gesessen, mit ihm, und er hatte sie beschützt. Vor dem schäbigen, übergriffigen Grapscher und danach noch vor der Strenge ihres Chefs. Er hatte sie nicht nur benutzten wollen. Es war wie ein Wunder. Aber warum nur? An ihr war nichts Besonderes. Im Gegenteil. Sie war gebrandmarkt für ihr Leben, entstellt. Ihre Vergangenheit war beschämend. Würde er sich von ihr abwenden, wenn er alles erfahren würde. Wobei, das Schlimmste und Widerwärtigste wusste er ja bereits. Wenn auch nicht alle Details. Aber Julie war sich sicher, dass ein intelligenter Mann, wie er, genug Vorstellungskraft besaß, um es sich ungefähr ausmalen zu können. Wer weiß, vielleicht würde sie ihm ja irgendwann wirklich noch alles erzählen können. Ob sie das selber aushalten würde?

      Julie holte sich wieder zurück in die Gegenwart und blickte erneut zu den Hockern hinüber. Nun erinnerte sie sich an diese magische, erste Berührung ihrer Hände. Seine Haut war so weich und angenehm warm gewesen. Ihr war es vorgekommen, als wäre die Welt um sie herum stehengeblieben, und es hätte nur mehr noch sie beide gegeben. Als wäre alles andere um sie herum verschwommen, und wichtig waren nur mehr noch ihre Empfindungen, die sie dabei verspürt hatte, als sie sich berührten. Bis Marc seine Hand weggezogen und sich abgewendet hatte. War es ihm womöglich unangenehm gewesen? Vielleicht hatte es ihm ja vor ihr geekelt, da er sie für eine Dirne gehalten hatte. Oder, und das wäre Julies Lieblingsversion, hatte er ebenso dieses magische und erregende Kribbeln gespürt, und sich deshalb genauso erschrocken, wie sie, nur war er anders damit umgegangen? Möglich wäre es, da er danach ja offenbar sehr bemüht um sie und ihr Wohlergehen gewesen war. Oder, Marc war einfach nur ein sehr guter Mensch, der jedem an ihrer Stelle, mit dem gleichen Engagement geholfen hätte. Das wäre natürlich genauso denkbar. Jedoch fühlte und hoffte Julie nun von ganzem Herzen, dass es anders wäre. Sie wunderte sich nun über sich selbst. Hatte sie jemals zuvor schon etwas Derartiges für einen Mann gefühlt? Bestimmt nicht. Daran könnte sie sich erinnern. Was hatte es also auf sich, mit diesem schönen Marc, der mit einem Schlag ihr Leben und ihre Gedanken verändert hatte. Julie musste sich eingestehen, dass sie den heutigen Abend kaum erwarten konnte, denn es könnte bedeuten, dass sie ihn wiedersehen, wieder mit ihm reden konnte. Sie hoffte es sehr.

      5. Kapitel

      Marc erwachte recht früh an diesem Morgen. Er war zwar generell ein Frühaufsteher, aber heute wäre ein Tag, an dem er eigentlich länger hätte schlafen dürfen, was er gerne ab und zu auch einmal tat. Doch nun war er hellwach und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Im erschien Julies Anblick vor seinem geistigen Auge, wie sie dagelegen hatte auf diesem roten Bordellbett, und müde und verzweifelt gewirkt hatte. Marcs Herz schnürte sich ein wenig zu. Was machte sie wohl gerade? Was konnten Prostituierte tagsüber in ihrer Freizeit tun? Bewegten sie sich unauffällig, wie ganz normale Leute, auf den Straßen Londons? Mussten sie immer eingesperrt in diesem Bordell bleiben, um von niemandem erkannt oder gar gestohlen zu werden? Marc wusste es einfach nicht. Mit diesem Thema hatte er sich noch nie zuvor beschäftigt. Und eigentlich wäre es ihm auch egal gewesen, gäbe es da nicht Julie. Alleine bei ihrem Namen verspürte er wieder ein leichtes Kribbeln, so wie bei ihren Berührungen in der gestrigen Nacht. Was war da gestern passiert? Hatte sie das auch gespürt und wahrgenommen? Oder war sie bereits viel zu abgehärtet, gegen die Berührungen von Männern, da sie offenbar schon viel zu viele davon über sich ergehen lassen hatte müssen.

      Marc empfand Mitleid mit dieser brünetten Dirne. Er hatte ihr Leid und ihre Hoffnungslosigkeit, ja, ihre Aussichtslosigkeit spüren können, als wäre es seine Eigene. Er hatte immerhin das Glück gehabt, im Leben stets ein Ziel vor Augen zu haben, für das es sich zu kämpfen gelohnt hatte. Wie musste es sein, wenn man gar keine Hoffnungen und Träume hatte, an denen man festhalten konnte. Wofür lebte man denn dann? Was war das wohl für ein Dasein, wenn man täglich nur das tun musste, was man gar nicht tun wollte. Und, dass Julie irgendetwas von dem, was sie täglich in diesem Bordell erleben und verrichten musste, gerne tun würde, stand außer Frage. Es war mehr als offensichtlich, dass es nicht so war.

      Seufzend erhob sich Marc und rieb sich über das Gesicht. Er blickte sich in seiner durchaus komfortablen und sehr elegant eingerichteten Unterkunft um, und schätze sich glücklich, so leben und arbeiten zu dürfen. Wie gerne würde er Julie auf seine Seite des Lebens herüberziehen und sie daran teilhaben lassen. Marc erschrak selbst ein wenig über diesen Gedanken, denn immerhin kannte er sie ja wirklich noch nicht lange und schon gar nicht gut genug, um so etwas denken zu dürfen. Wer weiß, welche Geheimnisse es da noch gab, von denen er nichts ahnte. Er empfand aber eine derart starke Verbindung und Vertrautheit ihr gegenüber, dass es ihm vorkam, sie schon viel länger zu kennen, als es tatsächlich der Fall war. Und ja, er vertraute ihr. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach, wenn sie von sich und ihrer Vergangenheit erzählte. Auch wenn er genau spürte, dass sie noch einiges zurückgehalten und nicht preisgegeben


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