Die Pferdelords 04 - Das verborgene Haus der Elfen. Michael Schenk

Die Pferdelords 04 - Das verborgene Haus der Elfen - Michael Schenk


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ist nicht die Hitze, die uns zu schaffen macht, sondern die Schwüle des

      aufziehenden Sturms.«

      Nedeam blickte forschend zum makellos blauen Himmel empor. Sein

      Freund Dorkemunt nickte. »Ihr habt womöglich recht, gute Frau. Ich kann es

      in den Knochen spüren.«

      Die Frau lachte auf. »Ja, in unserem Alter spürt man so manches in den

      Knochen, guter Herr Dorkemunt. Kommt, tretet in den Schatten des Hauses,

      Ihr wollt ja sicher zu meinem Mann.«

      »Ist der Älteste denn da?«

      »Natürlich ist er da.« Die Frau führte sie in den unteren Raum des Hauses.

      Schatten umfing sie, der die Hitze jedoch nur wenig linderte.

      Das Haus des Weilerältesten war weitaus größer als die anderen Häuser

      des Horngrundweilers. Denn hier wurden die Versammlungen der Bewohner

      abgehalten, wenn die Witterung dergleichen auf dem Weilerplatz nicht zuließ.

      Entsprechend geräumig war das Haus gebaut worden. Fast fünf Längen breit

      und fünfzehn lang war das Untergeschoss, ein einziger großer Raum, der nur

      von den gemauerten Säulen unterbrochen wurde, welche Obergeschoss und

      Dach stützten. Alle Wände wiesen kleine Fenster auf. Normalerweise waren

      die Öffnungen mit Rahmen versehen und durch gespannte Darmhaut

      verschlossen, aber bei der herrschenden Hitze waren sie entfernt worden und

      standen nun neben den metallenen Blenden, mit denen man die Fenster bei

      schwerem Wetter oder einem Angriff abdecken und in schmale

      Schießscharten verwandeln konnte.

      In einem Teil des Raumes saß eine Gruppe Kinder um einen älteren Mann

      herum. Ein greises Paar vermittelte ihnen bestimmte Tätigkeiten, mit denen

      die einzelnen Bewohner des Weilers zum Gemeinwohl beitrugen. Alle Kinder

      des Pferdevolkes wurden auf solche Weise in die Traditionen eingeführt und

      in den Zusammenhängen des Lebens unterwiesen. Ihre Eltern oder ältere

      Bewohner führten sie durch die Handwerksbetriebe und zeigten ihnen die

      Vielfalt der Aufgaben, die das künftige Leben für sie bereithielt. Auch

      Maßeinheiten und die Kenntnis der Zahlen gehörten dazu, Letztere aus den

      praktischen Erfordernissen des Handels und der Waffenkunst. Alles Wissen

      wurde mündlich vermittelt, denn kaum ein Mensch des Pferdevolkes

      vermochte die Zeichen der Schrift zu setzen oder zu deuten.

      An der Stirnseite des Raumes standen ein langer Tisch und eine Reihe von

      Schemeln, dahinter eine große Truhe. Eine gemauerte Treppe führte ins

      Obergeschoss, wo der Älteste mit seiner Familie wohnte. Hinter dem Tisch

      hing über der Truhe ein Rundschild an der Wand. Er hatte die grüne Farbe des

      Pferdevolkes und den blauen Rand der Hochmark. In Weiß war auf seine

      Mitte ein gewundenes Horn aufgemalt, das Wahrzeichen des Weilers.

      Pontim, der Älteste, stand über die geöffnete Truhe gebeugt und richtete

      sich mit leisem Ächzen auf, als er die Stimmen hinter sich hörte. Sein Gesicht

      verzog sich zu einem erfreuten Lächeln. »Ah, die Herren Dorkemunt und

      Nedeam. Was führt Euch bei dieser Hitze zu uns in den Horngrund?«

      Es war nicht selten, dass die Menschen der Gehöfte in die Weiler kamen,

      doch hatte es stets einen besonderen Anlass. Auf den Gehöften lebten

      einzelne Personen oder Familien. Meist war es ein Paar mit seinen Kindern.

      Da dort kein Anbau, sondern Viehzucht betrieben wurde, bedeutete der

      Besuch eines Weilers durch den einen Partner stets, dass sich der

      Zurückbleibende allein um Kinder und Vieh kümmern und sie schützen

      musste. Doch kein Reiter des Pferdevolkes ließ seine Angehörigen gerne ohne

      seinen Schild und Waffenarm zurück, wenn auch die Frauen der Gehöfte sich

      im Umgang mit den Waffen übten und zumindest Pfeil und Bogen

      beherrschten.

      Die Menschen der Gehöfte handelten mit der geschorenen Wolle der

      Schafe, dem Leder des Hornviehs und mit dem Fleisch der Tiere. Gegen diese

      Waren tauschten sie ein, was sie auf ihrem Gut nicht erzeugten: Metall- und

      Holzwaren, Bekleidung, Brennstein für die Lampen und jene Lebensmittel

      und Gewürze, die der eigene Boden nicht hervorbrachte. Manchmal konnte

      ein Gehöft etwas Gewinn erwirtschaften und ermöglichte Rücklagen für

      kargere Zeiten. Manchmal jedoch mussten die notwendigen Waren im Weiler

      gegen Arbeitskraft getauscht werden, und der Mann vom Gehöft arbeitete

      dort eine Weile, bis die Schuld beglichen war. In selteneren Fällen tauschten

      die Bewohner der Gehöfte auch Schafe oder Hornvieh, aber dann mussten

      sich die Herden schon gut vermehrt haben, denn die Tiere waren die

      Lebensgrundlage der Einsiedler.

      Ein solcher Tausch war der Grund für den Besuch von Nedeam und

      Dorkemunt. »Wir wollen Waren gegen ein paar Hornträger zur Zucht

      eintauschen, guter Herr Pontim.«

      »Oh.« Pontim grinste breit. »Da habt Ihr Glück, Ihr Herren. Dieses Jahr

      schenkte uns etliche neue Kälber, und es wird Euch sicher möglich sein, ein

      paar Kühe und einen Bullen zu erstehen. Ihr wollt Euch nun also als

      Hornviehzüchter versuchen?«

      Nedeam wies auf seinen Freund. »Dorkemunt hat einige Erfahrungen

      damit.«

      Pontim sah den kleinwüchsigen Pferdelord freundlich an. »Die wird er

      brauchen, der gute Herr Dorkemunt. Unser Hornvieh ist noch nicht mit dem

      der anderen Marken gekreuzt. Es sind echte, unverfälschte Rinder der

      Hochmark. Mit kraftvollem Fleisch, gewürzt von den Kräutern unserer

      Landschaft, aber auch mit einem kraftvollen Temperament.« Er nickte zu

      seinen Worten. »Doch das werdet Ihr sicherlich zu beherrschen lernen.«

      Pontims Frau zuckte bedauernd die Schultern. »Ihr hättet in drei

      Tageswenden kommen sollen. Dann gibt es im Weiler eine Verbindung und

      zu Ehren des Paares ein schönes Fest mit Musik und Tanz.«

      »Und mit unserem starken Gerstensaft«, fügte Pontim hinzu. »Nicht


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