Tod eines Milliardärs. Nick Stein

Tod eines Milliardärs - Nick Stein


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ins Amerikanische übersetzen? Sie hatte doch ihre eigenen Bestseller dabei, in elektronischer Form. Wurde jetzt von ihr erwartet, dass sie sich ein gedrucktes Buch vornahm und das Zeile für Zeile übertrug? Was für eine Zeitverschwendung, dachte sie. Sie hatte ein paar Werkzeuge, mit denen das besser funktionierte.

      »Ich bekomme aber auch noch eine E-Version, oder?«, fragte sie etwas verunsichert nach.

      Liz lachte. »Bereits in deiner Mailbox vom Verlag. Zugang findest du auch in der Mappe, nebst neuer E-Mail-Adresse und allem anderen.«

      »Über die Arbeit reden wir am Dienstag oder Mittwoch«, fuhr sie fort.

      »Jetzt richtest du dich ein und siehst dich um. Und in der ersten Zeit wirst du noch genug damit zu tun haben, eine Wohnung zu finden und einzurichten. Das wird immer unterschätzt, wie aufreibend das hier in New York ist.«

      Sie warf ihr einen freundlichen Blick von der Seite zu. »Ich bin sicher, ein paar deiner neuen Kollegen werden sich darum reißen, dir dabei zu helfen. Du wirst sehen.«

      Liz hatte ihre in der Mitte abgeknickte Adlernase angehoben, als ob sie ihr Parfüm prüfen wollte; gleichzeitig waren ihre braunen Augen über Johannas Figur gewandert, die ihre leichte Reisekleidung kaum verbarg.

      Johanna hatte ein paar Gedanken gleichzeitig. Nahm Liz sie bereits als Konkurrentin um die Gunst der Männer in der Redaktion wahr? War einer der hilfsbereiten Kollegen einer ihrer eigenen Lieblinge? Wer würde da wohl wie an sie herantreten? Würde sie sich durch die Bars von Manhattan und im Village schleifen lassen müssen?

      Sie waren angekommen. Ein Gepäckträger, den Liz als Bellhop bezeichnete, jemand, der beim Klang einer Glocke dienstbereit herbeisprang, half ihr mit dem Koffer. Liz passte auf, dass alles beim Einchecken in Ordnung war, und ging mit Johanna aufs Zimmer.

      Das Zimmer war klein, mit einem winzigen Schreibtisch, der ihr zu Haus in Berlin bestenfalls als Abstellfläche für eine Blumenvase gedient hätte, aber ansonsten sauber, weiß und ordentlich. Sie sah auf dem Weg über den langen Gang durch das schmucklose, schlichte Gebäude in die anderen Zimmer. Es gab keine Unterschiede. Ein Hotel mit identischen Bienenwaben.

      »Es ist spät, Ann. Wenn du möchtest, lasse ich dich jetzt allein. Sonst warte ich gern unten an der Bar auf dich, auf einen Absacker, als Willkommensgruß. Was meinst du?«

      »Ich bin in einer Viertelstunde unten.«

      Johanna packte ihren Koffer aufs Bett, suchte ihre Waschsachen heraus und duschte ausgiebig. Sie war nicht müde; während des achtstündigen Fluges hatte sie schlafen können.

      Etwas anderes war von ihr abgefallen, ihre alte Existenz; die Bedrohung ihres Lebens. Aber auch alle alten Beziehungen und Freundschaften; niemand kannte sie mehr.

      Es war eher ein Gefühl von Kälte und Erschöpfung als von Müdigkeit. Schlafen konnte sie noch nicht, sie war zu neugierig auf ihr neues Leben.

      Die Mappe und das Buch, die Liz auf den winzigen Schreibtisch gelegt hatte, ließ sie unberührt. Das hatte Zeit. Sie wollte ein Gespür für das entwickeln, aus persönlichen Gesprächen, was da auf sie zukam.

      Liz saß vor einem Glas Wasser an der Bar und las, als sie herunterkam. Sie stand von ihrem Hocker auf.

      »Wir können uns auch an den Tisch setzen und etwas essen, es ist halb sechs«, schlug sie vor.

      »Ich hatte im Flieger zwei gute Mahlzeiten, aber danke«, entgegnete Johanna. »An der Bar redet es sich besser. Ich denke, ich möchte einen Cosmopolitan.«

      Liz entschied sich für einen Gin Tonic.

      »Halte dich anfangs an Ryan Gardiner«, empfahl sie ihr. »In der Redaktion, meine ich. Er kann dir bei vielen Dingen helfen. Er ist äußerst hilfsbereit, und du musst außer Freundlichkeit keine Gegenleistungen erbringen. Sein Mann, Justin Garcia, ist Makler. Die beiden würden sich überbieten, dir etwas Passendes zu suchen, Ann.«

      Johanna grinste. »Und vor wem muss ich mich in der Redaktion hüten, Liz?«

      Der Kellner stellte die Getränke vor ihnen ab.

      »Vor mir.«

      Johanna griff zu ihrem Manhattan, trank und schluckte. Sie hatte nichts gegen Frauen, aber diese Avancen hatte sie nicht erwartet, sie passten ihr auch nicht.

      Sie stellte ihr Glas ab und lachte. »Aha. Und sonst?«

      Liz lachte ebenfalls. Dem Anschein nach wusste sie nicht, was sie von der Antwort halten sollte.

      »Ich denke, du wirst sehr gefragt sein. Du wirst schon sehen. Jemand Neues sorgt immer für Aufregung bei den Kollegen, und um die Leckerbissen reißen sich regelmäßig alle. Langweilig wird dir nicht werden, Ann. Ich bin sicher, du kannst damit umgehen.«

      Liz trank ihren Gin aus und gab dem Kellner ein Zeichen. »Du wirst müde sein, meine Liebe. Wenn du willst, kannst du dich zurückziehen. Oder sollen wir noch ein wenig um die Blocks ziehen?«

      Johanna bemerkte ihre unruhigen Seitenblicke zur Tür. Liz hatte noch etwas vor, ihr Angebot war höflich gemeint gewesen. Sie gähnte.

      »Danke, riesig nett«, entschuldigte sie sich. »Ich bin wirklich etwas geschafft. Ich denke, ich lese noch ein wenig und lege mich dann hin. Keep in touch«, sagte sie und legte Liz ihre Hand auf den Unterarm. »Wir sehen uns. Ich freue mich auf alles.«

      Liz rutschte von ihrem Hocker herunter. »Dann lies doch gleich diesen Roman. Er soll gut sein, meinte Johannes von der deutschen Zentrale.«

      Der Kellner hielt Liz ein Gerät hin, sie bezahlte durch Hinhalten ihres Handys.

      »Ruh dich gut aus, meine Liebe«, hauchte sie ihr ins Ohr, während sie sie flüchtig umarmte. »Ich brauche dich ausgeruht.«

      Johanna brachte sie zur Tür, dann ging sie zurück zu ihrem Cosmopolitan, trank ihn aus und bestellte sich einen neuen. Sie blieb gleich an der Bar sitzen.

      Dass Liz sie anscheinend mochte, gefiel ihr nicht. Das konnte zu Komplikationen führen, wenn sie sich anderweitig engagierte. Und wenn sie das nicht tat, würde Liz das womöglich als Bereitschaft missinterpretieren.

      Beides war nicht gut.

      Sie würde Job und Privatleben gut voneinander trennen müssen.

      Ein Mann setzte sich neben sie, ein Glatzkopf mit Muskeln wie ein Bauarbeiter.

      »Can I buy you a drink?«, benutzte er die Standardformel von Männern, denen sonst nichts einfiel. »Kann ich dich zu einem Drink einladen?«

      »Danke, als großes Mädchen kann ich das selbst, und reden will ich auch nicht«, wies sie ihn ab.

      »Schwedin?«, fragte er ungerührt zurück. »Du siehst aus wie eine. Du hast dir die Haare gefärbt, sehe ich.«

      Johanna ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken. Was war das? Wusste der Typ etwas über sie? Über ihre richtige Haarfarbe? War doch noch jemand hinter ihr her?

      »Friseur, oder was?«, fragte sie stattdessen zurück. »Tut mir leid. Lassen Sie mich bitte in Ruhe. Ich muss nachdenken.«

      Lieber hätte sie ihm gesagt, just piss off, Noddy, verpiss dich, du Heini, aber an ihrem ersten Tag hier wollte sie höflich bleiben.

      Sie setzte sich einen Hocker weiter weg von dem Typen, auch wenn er gar nicht mal schlecht aussah. Dafür hatte sie heute keine Zeit; außerdem war sie es gewohnt, dass sie es war, die über ihre Dates bestimmte.

      Der Typ kam ihr nach.

      »Wohnst du hier im Hotel?«, fragte er. »Ich will nicht aufdringlich sein, aber die meisten Gäste hier nutzen meinen Service. Ich habe ein paar Limos, ich kenne alle Schleichwege in Manhattan, wenn du mal rasch irgendwo hinwillst, dann ruf mich an. Brandon.«

      Er streckte ihr die rechte Hand entgegen, und als Johanna keine Anstalten machte, sie zu ergreifen, zauberte er mit einer raschen Bewegung eine Karte hervor, die er vor sie hinlegte.

      Brandon MacIntosh, las sie. Limo- und Taxidienste,


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