Tod eines Milliardärs. Nick Stein

Tod eines Milliardärs - Nick Stein


Скачать книгу
schluckte und sah seine Vorgesetzte an. Muss ich jetzt weiterreden, entnahm sie seinem Blick.

      »Und?«, fragte Ilka. »Wie weiter?«

      Altmann zog die Nase hoch und schluckte erneut.

      »Also, sie hat erst schwache Säuren auf sich geschüttet. Vielleicht anfangs getrunken, im Mund spürt man, ob der Körper das verträgt. Für alles andere, die Brustwarzen zum Beispiel, hat sie dann vielleicht schon höhere Dosen genommen. Weil die nicht so empfindlich sind wie die Zunge.«

      Er sah sie erneut fragend an. Die Hauptkommissarin nickte ihm ermunternd zu.

      »Ich nehme an, sie hat sich zum Schluss eine große Dosis eingeführt. Sich damit begossen.«

      Er zog eine Grimasse.

      »Ich denke mal, an die Klitoris.«

      Ilka zog die Augenbrauen hoch und nickte mehrmals auffordernd.

      »Ich erzähle der Frau was von einem besseren, ach was, einem phänomenalen Orgasmus, den sie dann kriegt, wenn sie sich an die Säure gewöhnt hat. Der ihr durch Mark und Bein geht. Dass sie kommt wie niemals zuvor. Dass sie das dann auch später verspürt, wenn sie mit einem Mann zusammen ist.«

      »Wie kommst du darauf, Jonas?«, fragte Ilka nach.

      Er sah weg von der Frau und Ilka Eichner an.

      »Sie war schon etwas älter und unverheiratet. Von einem Freund ist nichts bekannt. Dabei sah sie vermutlich gar nicht mal so schlecht aus. Ich nehme an, sie hatte Probleme im Bett. Soll es ja geben.«

      Ilka sah, dass er langsam errötete. Hatte er sie etwa auch im Verdacht, und es war ihm peinlich, dass es ihr peinlich sein könnte?

      Sie wiegte den Kopf hin und her. »Na ja. Könnte passen. Was sagt uns das über den Mann? Du hast dich gerade in ihn hineinversetzt. Was ist er für einer? Was treibt ihn um? Was kann er, worin ist er gut, was ist sein Problem? Hat er das nötig, sich so zu befriedigen, sieht er vielleicht schlecht aus, oder hat direkt kein Glück bei Frauen? Nimm seine Rolle an und sag es mir.«

      3

       JOHANNA

       Neues Hotel

      Johanna legte das Buch wieder beiseite. Diese Männerphantasien sollte sie jetzt ins Amerikanische übersetzen? Einen Fall aus der drögen Provinz?

      Schlafen konnte sie noch immer nicht. Anrufen konnte sie auch niemanden, sie kannte offiziell niemanden mehr. Sie war tot. Die echte Johanna war tot, und die ursprüngliche Viola war tot. Die neue Johanna kannte noch niemand.

      Schließlich holte sie sich einen Whiskey aus der Minibar, mixte sich einen Drink und legte sich erneut hin.

      Zehn Minuten später war sie eingeschlafen.

      *

      Wider Erwarten wachte sie erst spät auf, gegen halb elf. Draußen toste der Verkehr, lauter als in Berlin, ein Orkan gegen den Lago Maggiore, wo sie zuletzt gewohnt hatte.

      Das Hotel war zu eng, zu klein. Johanna machte sich frisch, zog sich ihre Jogging-Sachen an und nahm im Stehen in der Lobby Kaffee und Muffins zu sich. Das Buch hatte sie zusammen mit einer Flasche Wasser mit der Aufschrift Complimentary in ihren Jogging-Rucksack gesteckt.

      Sie traf ihre erste Entscheidung für ihr neues Leben. Hier in diesem Schuppen konnte sie nicht bleiben, sie brauchte eine ordentliche Suite mit gutem Frühstück.

      Über die 8th Avenue waren es nur ein paar Minuten zum Central Park, den sie von früheren Besuchen her gut kannte. Vor dem Columbus Circle kam sie am Museum of Art and Design vorbei, was sie wehmütig stimmte. Hier hatte sie vor ein paar Jahren zwei ihrer Werke ausgestellt, als Viola Kroll.

      Egal. Das was jetzt alles Geschichte. Johanna lief los, sie musste von ihrer alten Geschichte weg und in ein neues Leben hineinlaufen. Sie lief zweimal den Park rauf und runter, auf verschiedenen Wegen. Hier und dort machte sie an Seen und schönen Plätzen halt, sie aß ein Eis und einen Bagel, es war bereits Mittag geworden.

      Am Met machte sie nicht halt. Das war jetzt vorbei und vergessen, was sie damals hierhergeführt hatte, auch wenn dort immer noch ein Werk Viola Krolls ausgestellt war.

      Auf dem Weg zurück, auf der südöstlichen Seite des Parks, fiel ihr ein Hotel ins Auge, das sie normalerweise sofort genommen hätte; das Pierre, das sie von einem früheren Besuch kannte. Ein für die Stadt klassisches Gebäude, eine Wegmarke, die ins Auge fiel.

      Für ihr neues Leben als Übersetzerin war das zu luxuriös, auch wenn es nur für ein paar Tage war. Das würde auffallen, sie würde auffallen.

      Zwei Minuten weiter lag ein weitaus unauffälligeres Haus, das Park Lane Hotel.

      Johanna trat ein, obwohl sie vom Laufen im immer noch warmen September verschwitzt war. Am Eingang reichte ihr ein aufmerksamer Bediensteter ein kaltes, zusammengefaltetes Tuch; war das ein Zeichen, dass sie hier willkommen sein würde?

      Eine Junior Suite mit Blick auf den Central Park würde sie etwas über zweihundert Euro pro Tag kosten, wenn sie zwei Wochen blieb. So lange würde sie für die Wohnungssuche mit Sicherheit brauchen.

      Zum Büro war es nicht weit, das konnte sie locker zu Fuß bewältigen. Sie nahm die Suite und ließ gleich ihre Sachen vom Concierge aus dem da Vinci abholen. Sie hatte ihm einen Fünfzigdollarschein in die Hand gedrückt, in Rechnung stellen würde ihr das Hotel den Service trotzdem. Egal. Sie musste frei atmen können.

      Im Park Lane konnte sie sich für eine Weile zu Hause fühlen. Johanna duschte, pflegte sich mit den Sets, die im Bad standen, und wartete im Bademantel auf ihre Sachen.

      Das dauerte. Da konnte sie in der Zwischenzeit auch ruhig ein wenig weiterlesen.

      4

      DER SÄUREMÖRDER

       Der Profiler

      Jonas Altmann stand linkisch hinter dem Laptop, als ob er sich in seiner Haut nicht mehr wohlfühlte.

      »Er, also ich, ich bin einer, der dir die Haare vom Kopf quatschen kann. Ein Vollschnacker. Ich wirke dabei sehr glaubhaft, also sehe ich eher aus wie ein gebildeter Mensch. Aber trotzdem gut.«

      Altmann strich sich mit der Rechten über seine kurzen blonden Haare, geschmeichelt von der eigenen Vorstellung.

      »Wenn ich nicht attraktiv wirken würde, hätte ich kaum Chancen, dass die Frauen mir folgen. Ich sehe also gut, aber nicht zu gut aus. Wie ein gepflegter, gescheiter Psychologe, sage ich mal.«

      Er sah sie unsicher an.

      »Befriedigt mich das, was ich vor mir sehe? Dass die Frau sich auszieht, dass sie mir folgt, dass sie sich Säure über ihren Trigger gießt, in einer starken Konzentration, nachdem sie schwächere vorher am Mund und den Brustwarzen ausprobiert hat?«

      Ilka sah, dass seine Rede bei ihm nicht ohne Folgen blieb. Sie sah ihm wieder ins Gesicht.

      »Ich denke, ich finde das toll. Vermutlich gehen mir dabei reihenweise welche ab, ob ich Hand an mich lege oder nicht. Aber es geht ja noch weiter.«

      Altmann zog sich einen Stuhl herüber und setzte sich. Die Show und seine eigene Reaktion waren ihm peinlich.

      »Ich will mehr, viel mehr. Sie soll nicht nur einen leichten Kitzel empfinden, sie soll sich selbst verletzen. Sie soll hilflos werden, je stärker die Säure wird, sie soll in Schockstarre verfallen, damit sie den Säurefluss nicht wieder runterdrehen kann. Sie soll zucken und schreien, die Beine zusammenklemmen, damit der Schlauch und die Kanüle nicht aus der Vagina rutscht, sie soll total ausgeliefert und wehrlos sein, leiden und vielleicht sogar dabei sterben.«

      Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      »Das macht mir keinen Spaß, Ilka.


Скачать книгу